Rut 3: Unterschied zwischen den Versionen

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Rut 3 schildert in '''Vv. 1-5''', wie Noomi einen Plan entwickelt, Rut erneut „unter die Haube zu bringen“ und in '''Vv. 6-15''', wie Rut diesen Plan in die Tat umsetzt und wie Boas darauf reagiert.<br />
 
Rut 3 schildert in '''Vv. 1-5''', wie Noomi einen Plan entwickelt, Rut erneut „unter die Haube zu bringen“ und in '''Vv. 6-15''', wie Rut diesen Plan in die Tat umsetzt und wie Boas darauf reagiert.<br />
Dieser Plan allerdings ist vor allem eins: ''Moralisch fragwürdig'' (nach einer jüdischen Überlieferung ist Rut sogar überzeugt, getötet zu werden, wenn sie gemäß Noomis Plan handelt). Rut soll warten, bis Boas gegessen, getrunken und sich niedergelegt hat, um dann im Schutz der Nacht zu ihm zu schleichen und sich unter seiner Decke an ihn zu schmiegen - und dies zu dem Zweck, Rut eine „Heimstatt zu suchen“: Rut soll Boas zu seinem Ja-Wort ''verführen''.  
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Wie dieser Plan zu bewerten ist, wird gar nicht expliziert. Es ist aber dennoch klar, da seine Entwicklung in '''Vv. 1-4''' im Leser gewisse Vorerwartungen weckt, indem er drei weitere Bibelstellen einspielt, vor deren Hintergrund Rut 3 gelesen werden muss: [[Genesis 19#s30 |Gen 19,30-38]] berichtet von der Angst der beiden Töchter Lots, keine Nachkommen mehr bekommen zu können, und wie sie daher ihren Vater betrunken machen, warten, bis er schläft, und dann heimlich zu ihm gehen, um ihn zu vergewaltigen. Die eine der beiden Töchter wird so zur Stammmutter der Moabiter. Auch in [[Numeri 25 |Num 25]] wird von sexuellen Zügellosigkeit von Mobiterinnen berichtet. Und [[Genesis 38 |Gen 38]], auf das im Rutbuch noch häufiger angespielt wird, berichtet am Ende davon, wie Tamar sich verkleidet, um ihren Schwiegervater dazu zu bringen, sie zu schwängern. Wenn hier also Noomi der ''Moabiterin'' Rut aufträgt, zu warten, ''bis Boas eingeschlafen ist'', sich dann im Schutz der Nacht ''zu ihm zu schleichen'', sich aber ''nicht von ihm erkennen zu lassen'', und dann in [[Rut 3#s4 |V. 4]] gleich mehrere Anspielungen auf den Geschlechtsakt macht, ist klar, was Noomi vorschwebt: Rut soll Boas durch einen umoralischen „bed trick“ (Harold Fisch) zum Ja-Wort ''verführen''. So unmoralisch ist der Plan, dass Rut nach einer alten jüdischen Überlieferung sogar überzeugt ist, getötet zu werden, wenn sie gemäß Noomis Plan handelt.  
  
 
Wegen dieser moralischen Fragwürdigkeit muss hier auf eine '''theologische Eigenart des Rutbuches''' hingewiesen werden: Das „''Verschmelzen des Handelns Gottes und der Menschen''“ (Thompson 1993, S. 203). In [[Rut 1#s6 |Rut 1,6]] heißt es, dass ''JHWH'' Israel wieder „Brot gegeben“ habe - doch das Brot von Noomi und Rut stammt von ''Boas''. In [[Rut 2#s12 |Rut 2,12]] verwendet Boas die sog. „Lohnknecht-Metapher“ (zu dieser vgl. v.a. Novick 2011) und stellt so ''JHWH'' als Lohnherrn der Rut vor („''JHWH vergelte dein Tun und dein Lohn sei voll von JHWH, dem Gott Israel''“) - doch auch hier: Der Lohn für die Arbeit Ruts stammt von ''Boas'' (vgl. Frevel 1992, S. 79). Zu diesem Phänomen gehört wohl auch die Ambiguität von [[Rut 2#s20 |Rut 2,20]], wo unsicher ist, ob der Relativsatz auf Boas oder JHWH zu beziehen ist (s. [http://www.offene-bibel.de/wiki/index.php5?title=Rut_2#note_ax FN ax]; vgl. Collins 1993, S. 100; Halton 2012, S. 37; Thompson 1993, S. 210), und ganz deutlich gehört auch Ruts Bitte in [[Rut 3#s9 |Rut 3,9]] dazu, mit der sie ''Boas'' bittet, ''seinen'' „Mantelsaum“ über sie zu breiten: In [[Rut 2#s12 |Rut 2,12]] verwendet Boas das selbe Wort, als er davon spricht, dass Rut unter ''JHWHs'' „Flügeln“ Schutz suchen wolle (vgl. z.B. Landy 1994, S. 297).<br />Ganz ähnliches ist auch hier der Fall: Noomi hat ihren Schwiegertöchtern in [[Rut 1#s9 |Rut 1,9]] gewünscht, dass ''JHWH'' ihnen „Ruhe“ - d.h.: eine Heimstatt - geben möge. Doch nun ist es ''Noomi selbst'', die Rut „Ruhe“ verschaffen will, „damit es ihr gut geht“. Auch dies „damit es dir gut geht“ findet sich häufig in der Bibel, nämlich als Folge davon, dass man die Gebote JHWHs hält (z.B. [[Deuteronomium 4#s40 |Dtn 4,40]]; [[Deuteronomium 12#s28 |Dtn 12,28]]; [[Jeremia 7#s23 |Jer 7,23]]; [[Jeremia 38#s20 |Jer 38,20]]; [[Jer 42#s6 |Jer 42,6]] u.ö.). Hier aber ist für das „damit es dir gut geht“ nicht ''JHWH'' verantwortlich, sondern ''Noomi'', und es ist gerade nicht die Folge davon, dass man seine ''Gebote hält'' - sondern von Noomis unmoralischem Plan.<br />
 
Wegen dieser moralischen Fragwürdigkeit muss hier auf eine '''theologische Eigenart des Rutbuches''' hingewiesen werden: Das „''Verschmelzen des Handelns Gottes und der Menschen''“ (Thompson 1993, S. 203). In [[Rut 1#s6 |Rut 1,6]] heißt es, dass ''JHWH'' Israel wieder „Brot gegeben“ habe - doch das Brot von Noomi und Rut stammt von ''Boas''. In [[Rut 2#s12 |Rut 2,12]] verwendet Boas die sog. „Lohnknecht-Metapher“ (zu dieser vgl. v.a. Novick 2011) und stellt so ''JHWH'' als Lohnherrn der Rut vor („''JHWH vergelte dein Tun und dein Lohn sei voll von JHWH, dem Gott Israel''“) - doch auch hier: Der Lohn für die Arbeit Ruts stammt von ''Boas'' (vgl. Frevel 1992, S. 79). Zu diesem Phänomen gehört wohl auch die Ambiguität von [[Rut 2#s20 |Rut 2,20]], wo unsicher ist, ob der Relativsatz auf Boas oder JHWH zu beziehen ist (s. [http://www.offene-bibel.de/wiki/index.php5?title=Rut_2#note_ax FN ax]; vgl. Collins 1993, S. 100; Halton 2012, S. 37; Thompson 1993, S. 210), und ganz deutlich gehört auch Ruts Bitte in [[Rut 3#s9 |Rut 3,9]] dazu, mit der sie ''Boas'' bittet, ''seinen'' „Mantelsaum“ über sie zu breiten: In [[Rut 2#s12 |Rut 2,12]] verwendet Boas das selbe Wort, als er davon spricht, dass Rut unter ''JHWHs'' „Flügeln“ Schutz suchen wolle (vgl. z.B. Landy 1994, S. 297).<br />Ganz ähnliches ist auch hier der Fall: Noomi hat ihren Schwiegertöchtern in [[Rut 1#s9 |Rut 1,9]] gewünscht, dass ''JHWH'' ihnen „Ruhe“ - d.h.: eine Heimstatt - geben möge. Doch nun ist es ''Noomi selbst'', die Rut „Ruhe“ verschaffen will, „damit es ihr gut geht“. Auch dies „damit es dir gut geht“ findet sich häufig in der Bibel, nämlich als Folge davon, dass man die Gebote JHWHs hält (z.B. [[Deuteronomium 4#s40 |Dtn 4,40]]; [[Deuteronomium 12#s28 |Dtn 12,28]]; [[Jeremia 7#s23 |Jer 7,23]]; [[Jeremia 38#s20 |Jer 38,20]]; [[Jer 42#s6 |Jer 42,6]] u.ö.). Hier aber ist für das „damit es dir gut geht“ nicht ''JHWH'' verantwortlich, sondern ''Noomi'', und es ist gerade nicht die Folge davon, dass man seine ''Gebote hält'' - sondern von Noomis unmoralischem Plan.<br />

Version vom 25. März 2015, 12:15 Uhr

Syntax ungeprüft

SF in Arbeit.png
Status: Studienfassung in Arbeit – Einige Verse des Kapitels sind bereits übersetzt. Wer die biblischen Ursprachen beherrscht, ist zum Einstellen weiterer Verse eingeladen. Auf der Diskussionsseite kann die Arbeit am Urtext dokumentiert werden. Dort ist auch Platz für Verbesserungsvorschläge und konstruktive Anmerkungen.
Folgt-später.png
Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Lesefassung (Rut 3)

(kommt später)

Studienfassung (Rut 3)

1 [Eines Tages] sprach Noomi, ihre Schwiegermutter, zu ihr: „Meine Tochter, will ich nichta für dich Ruhe (eine Heimstatt)b suchen, damit (wo) es dir gut geht? 2 Und weiterc: Ist nichta Boas, bei dessen Mägden du warst, unser Verwandterd (ist nicht Boas unser Verwandter, bei dessen Mägden du warst)? Siehea, dieser wird heute Nacht Gerste auf der Gerstentenne worfelne. 3 [Daher]f wasche dich, salbe dich, wirf deine Kleider (dein Kleid)g um dich (zieh deine Kleider/dein Kleid an)h und geh zur Tenne hinabi! Lass dich [aber] nicht von dem Mann (von niemandem) erkennen, bis er mit Essen und Trinken fertig ist! 4 Und es soll sein, wenn er sich hinlegt: (Wenn er sich hinlegt,)j merke dir den Ort, wo er liegt (sich hinlegt), gehe, entblöße seine Beine (seine Scham?, decke den Ort seiner Beine auf? Entblöße dich zu seinen Füßen?)k und lege dichi. Er wird dir dann erzählen, was du tun sollst (musst).“ 5 Da antwortete sie ihr: „Alles, was du ([mir])l sagst (je sagen wirst)m, will ich tun.“


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Anmerkungen

Rut 3 schildert in Vv. 1-5, wie Noomi einen Plan entwickelt, Rut erneut „unter die Haube zu bringen“ und in Vv. 6-15, wie Rut diesen Plan in die Tat umsetzt und wie Boas darauf reagiert.
Wie dieser Plan zu bewerten ist, wird gar nicht expliziert. Es ist aber dennoch klar, da seine Entwicklung in Vv. 1-4 im Leser gewisse Vorerwartungen weckt, indem er drei weitere Bibelstellen einspielt, vor deren Hintergrund Rut 3 gelesen werden muss: Gen 19,30-38 berichtet von der Angst der beiden Töchter Lots, keine Nachkommen mehr bekommen zu können, und wie sie daher ihren Vater betrunken machen, warten, bis er schläft, und dann heimlich zu ihm gehen, um ihn zu vergewaltigen. Die eine der beiden Töchter wird so zur Stammmutter der Moabiter. Auch in Num 25 wird von sexuellen Zügellosigkeit von Mobiterinnen berichtet. Und Gen 38, auf das im Rutbuch noch häufiger angespielt wird, berichtet am Ende davon, wie Tamar sich verkleidet, um ihren Schwiegervater dazu zu bringen, sie zu schwängern. Wenn hier also Noomi der Moabiterin Rut aufträgt, zu warten, bis Boas eingeschlafen ist, sich dann im Schutz der Nacht zu ihm zu schleichen, sich aber nicht von ihm erkennen zu lassen, und dann in V. 4 gleich mehrere Anspielungen auf den Geschlechtsakt macht, ist klar, was Noomi vorschwebt: Rut soll Boas durch einen umoralischen „bed trick“ (Harold Fisch) zum Ja-Wort verführen. So unmoralisch ist der Plan, dass Rut nach einer alten jüdischen Überlieferung sogar überzeugt ist, getötet zu werden, wenn sie gemäß Noomis Plan handelt.

Wegen dieser moralischen Fragwürdigkeit muss hier auf eine theologische Eigenart des Rutbuches hingewiesen werden: Das „Verschmelzen des Handelns Gottes und der Menschen(Thompson 1993, S. 203). In Rut 1,6 heißt es, dass JHWH Israel wieder „Brot gegeben“ habe - doch das Brot von Noomi und Rut stammt von Boas. In Rut 2,12 verwendet Boas die sog. „Lohnknecht-Metapher“ (zu dieser vgl. v.a. Novick 2011) und stellt so JHWH als Lohnherrn der Rut vor (JHWH vergelte dein Tun und dein Lohn sei voll von JHWH, dem Gott Israel) - doch auch hier: Der Lohn für die Arbeit Ruts stammt von Boas (vgl. Frevel 1992, S. 79). Zu diesem Phänomen gehört wohl auch die Ambiguität von Rut 2,20, wo unsicher ist, ob der Relativsatz auf Boas oder JHWH zu beziehen ist (s. FN ax; vgl. Collins 1993, S. 100; Halton 2012, S. 37; Thompson 1993, S. 210), und ganz deutlich gehört auch Ruts Bitte in Rut 3,9 dazu, mit der sie Boas bittet, seinen „Mantelsaum“ über sie zu breiten: In Rut 2,12 verwendet Boas das selbe Wort, als er davon spricht, dass Rut unter JHWHs „Flügeln“ Schutz suchen wolle (vgl. z.B. Landy 1994, S. 297).
Ganz ähnliches ist auch hier der Fall: Noomi hat ihren Schwiegertöchtern in Rut 1,9 gewünscht, dass JHWH ihnen „Ruhe“ - d.h.: eine Heimstatt - geben möge. Doch nun ist es Noomi selbst, die Rut „Ruhe“ verschaffen will, „damit es ihr gut geht“. Auch dies „damit es dir gut geht“ findet sich häufig in der Bibel, nämlich als Folge davon, dass man die Gebote JHWHs hält (z.B. Dtn 4,40; Dtn 12,28; Jer 7,23; Jer 38,20; Jer 42,6 u.ö.). Hier aber ist für das „damit es dir gut geht“ nicht JHWH verantwortlich, sondern Noomi, und es ist gerade nicht die Folge davon, dass man seine Gebote hält - sondern von Noomis unmoralischem Plan.
Die Parallelisierungen in Rut 1,6 und Rut 2, in Rut 2,12 und Rut 2 und in Rut 2,20 und Rut 2 beziehen sich auf die - juristisch problematische (s. die Anmerkungen zu Rut 2) - Gewährung des Nachleserechts durch Boas; die Parallelisierung in Rut 1,9 und Rut 3,1 auf Noomis moralisch fragwürdigen Plan, Boas zum Ja-Wort zu verführen und die Parallelisierung in Rut 2,20 und Rut 3,9 auf Boas Heirat mit Rut (dazu s. die Anmerkungen zu Kapitel 4). Das heißt: gerade dort, wo im Rutbuch Recht gebeugt und gebrochen wird, werden diese Beugungen und Brüche durch die Parallelisierung mit JHWH wieder „theologisch gerechtfertigt“. Mehr noch: Boas wird in Rut 2,20 für sein Handeln in Rut 2 von Noomi gesegnet und sein Handeln durch das Schlüsselwort chesed („Güte“) charakterisiert, das in der Bibel - und auch im Rutbuch, s. Rut 1,8 - der Wesenszug JHWHs schlechthin ist (vgl. Gordis 1974, S. 241). Ebenso wird Rut in Rut 3,10 für ihr Handeln in Rut 1 (dazu s. die dortigen Anmerkungen) und in unserem Kapitel von Boas gesegnet und auch ihr Handeln wird durch das selbe Wort charakterisiert. Und schließlich wird auch die Heirat von Boas und Rut in Rut 4,11 durch ganz Jerusalem samt den Ältesten (ab)gesegnet. Das Rutbuch selbst bietet derart ein „biblisches Modell für die Missachtung des biblischen Rechts(Steinberg 2006, S. 474; vgl. ähnlich z.B. Lacocque 2004, S. 28-32; Nielsen 1997, S. 31f.): Nicht das streng vom biblischen Recht geleitete Handeln ist im Rutbuch „JHWH-mäßig“ und segenswert, sondern das von „Güte“ geleitete und daher bisweilen sogar das biblische Recht übersteigende Handeln.


aWill ich nicht...? (V. 1) + Ist nicht...? (V. 2) + Siehe (V. 2) - Die beiden rhetorischen Fragen dienen hier - wie oft (vgl. bes. Moshavi 2011, S. 99f) - zur Begründung der in Vv. 3f folgenden Aufforderung; die Argumentationsstruktur von Vv. 1-4 ist also etwa diese: 1-2a: Hintergründe der Aufforderung in V. 3 - 2b: Information über einen für die folgende Auffordung relevanten Satzverhalts (wie üblich eingeleitet durch hinneh („siehe“)) - 3-4: Die Aufforderung selbst.
Im Dt. würde man das eher etwa so formulieren: „Liebe Tochter, ich würde dir ja gerne eine Heimstatt verschaffen, und Boas - der, bei dessen Mägden du gearbeitet hast - ist ja unser Verwandter, nicht wahr? Dieser nun wird heute Nacht auf der Tenne worfeln; daher pass auf; du machst nun Folgendes:...“. Sehr gut daher ZÜR 1931: „Liebe Tochter, ich muss dir doch ein Heim suchen ... (ähnlich MEN). Nun ist ja Boas ... ein Verwandter von uns (ähnlich , TEX). Siehe...“. (Zurück zu v.1 / zu v.2)
bRuhe (eine Heimstatt) - Heb. manoach, ein Synonym von menuchah in Rut 1,9 (s. dazu FN aa): Noomi will Rut ein Heim verschaffen; d.h. hier: sie will sie „unter die Haube bringen“. (Zurück zu v.1)
cUnd weiter - W.: „und nun“; doch wä`attah dient hier wohl nur zur „Markierung eines neuen Gedankens“ (Ges18, S. 1030); treffender ist daher obiger Übersetzungsvorschlag. (Zurück zu v.2)
dVerwandter - Bed. unsicher (-> Hapax legomenon). Sehr wahrscheinlich bedeutet es ungefähr das selbe wie das ähnliche Wort „Verwandter“ in Rut 2,1 (so fast alle Exegeten). Vom Wortbildungsmuster her scheint das Wort ein Abstraktbegriff zu sein, also eher „Verwandtschaft“; wörtlicher wäre daher vermutlich etwas wie „Gehört nicht Boas zu unserer Verwandtschaft?“ (so z.B. MEN). Da aber auch dies nicht sicher ist, folgen wir in der SF der Standardübersetzung „Verwandter“. (Zurück zu v.2)
eer wird Gerste auf der Gerstentenne worfeln - W. „er wird die Gerstentenne worfeln“; die „Gerstentenne“ steht hier wohl metonymisch für die Gerste auf dieser Tenne (vgl. z.B. Gray 1967, S. 417; Zakovitch 1999, S. 135). Eine „Tenne“ ist der Ort, an dem Getreide gedroschen und geworfelt wird; „Worfeln“ bezeichnet den Arbeitsschritt der Trennung der Getreidekörner von Spreu und Spelzen mithilfe des Windes (vgl. näher Dreschen und worfeln (WiBiLex)), weshalb das Worfeln auch nachts geschehen muss: Der rechte Wind kommt in Israel oft erst gegen Abend auf. Vermutlich muss an eine Gemeinschaftstenne gedacht werden, die von mehreren Grundbesitzern gemeinsam verwendet wurde. Etwas merkwürdig ist allerdings das „Gersten-“ in „Gerstentenne“, da es wohl nicht verschiedene Tennen für verschiedene Getreidearten gab. (Zurück zu v.2)
f[Daher] - Dass die Aufforderung in Vv. 3f aus Vv. 1f abgeleitet wird, wird im Heb. nur durch die Wortform (Weqatal) markiert (eben daher auch Einsatz durch Weqatal statt Yiqtol). (Zurück zu v.3)
gdeine Kleider (dein Kleid) - In der Überlieferung des Textes finden sich beide Versionen: Ketiv und LXX haben Singular, Qere, Syr, VUL und Tg haben Plural. Da Rut am Ende des Kapitels eines ihrer Kleidungsstücke zum Transport der Gerste verwendet und sicher nicht nackt durch Jerusalem läuft, trägt sie sicherlich mehrere Kleidungsstücke; allein schon aus diesem Grund sollte besser mit Plural übersetzt werden. Gemeint sind wohl Ruts „gute“ Kleider (TgRut: „Prachtgewänder“; RutR: „Sabbatkleider“; VUL: „elegante Kleider“; dazu passt auch Syr: „schmücke dich mit deinen Gewändern“) - ein weiteres Indiz dafür, dass Noomi und Rut so arm nicht sein können, da schon der Durchschnittsisraelit nicht mehr als zwei Gewänder besaß; die Angehörigen der armen Bevölkerungsschicht häufig nur eines. Gut schlagen de Waard/Nida 1992, S. 48 vor, zu übersetzen mit „get dressed in your best clothes“ (so viele Üss; z.B. GN, HfA, NeÜ, NL, OEB, T4T). (Zurück zu v.3)
hwasche dich, bade dich und wirf deine Kleider um dich - Es ist umstritten, ob diese Handlungen wie in Ez 16,9f symbolisch als Hochzeitsvorbereitungen gemeint sind (so z.B. Fischer 2001, S. 201; Zenger 1986, S. 66f) oder ob sie wie in Jdt 10,3 v.a. die Verführung eines Mannes erleichtern sollen (so z.B. Gunkel 1913, S. 75f; Wénin 1998, S. 188). V. 1 legt eher ersteres nahe, V. 4 eher letzteres und vermutlich kann man hier an beides denken, da der Weg zum Ja-Wort ja über die Verführung des Boas läuft (s. die Anmerkungen). Vielleicht kann man hier ohnehin nicht zwischen diesen beiden Optionen entscheiden, da nach Mischna Qidduschin 1,1 die Ehe schon durch den Geschlechtsakt als vollzogen galt - wenn dies schon zu biblischer Zeit der Fall war, wäre mit der erfolgreichen Verführung auch gleich die Ehe geschlossen. (Zurück zu v.3)
igeh hinab (V. 3) + lege dich (V. 4) - Ketiv bietet hier eine Schreibweise, die auf den ersten Blick „ich gehe hinab“ und „ich lege mich“ statt „gehe hinab“ und „lege dich“ zu bedeuten scheint. Diese Form für die 2. Person findet sich noch häufiger in der Bibel; entweder handelt es sich dabei um eine veraltete Form (vgl. z.B. HKL I §20.6; Rendsburg 2013, S. 635) oder einen Aramäismus (vgl. z.B. Zakovitch 1999, S. 136). Besonders häufig findet sich diese Form übrigens in Ez 16, das auch über die Abfolge „waschen, salben und ankleiden“ (Ez 16,9f + Rut 3,3; s. vorige FN) und über die Rede vom „den Gewandsaum über jemanden breiten“ für die Heirat (Ez 16,8 + Rut 3,9) mit unserem Kapitel zusammenhängt. Dass diese Form jeweils nur beim vierten Wort der Vierer-Weqatal-Ketten verwendet wird, macht es sehr wahrscheinlich, dass sie hier nur aus stilistischen Gründen verwendet wird und in der Übersetzung ohne Bedeutungsverlust ignoriert werden kann. (Zurück zu v.3 / zu v.4)
jUnd es soll sein, wenn er sich hinlegt: (Wenn er sich hinlegt,) - Schwierige Stelle; übersetze nach dem Alternativvorschlag.
tFN: (1) Das Verb wihi („und es soll sein“) scheint hier ähnlich wie sonst wajähi („und es war“, s. z.B. Rut 1,1 (dazu FN c): „Und es war in den Tagen des Richtens der Richter...“) und wähaja („und es wird sein“, s. z.B. Rut 3,13: „Und es wird sein am Morgen...“) nicht zur story zu gehören, sondern nur zur Markierung einer Zeitangabe zu dienen (vgl. ähnlich Rubinsteins Deutung von HKL III §193b in Rubinstein 1956, S. 76; so wohl auch Holmstedt 2010, S. 154 (?)). Eine ähnliche Verwendung von wihi findet sich sonst nur in 1 Sam 10,5; 2 Sam 5,24 = 1 Chr 14,15 (und in 1 Kön 14,5, wo aber sicher mit LXX wajähi zu lesen ist) und diese Deutung ist allein schon deshalb schwierig, weil die in 1 Sam 10,5 auf wihi folgenden Sätze sich nicht jussivisch verstehen lassen.
(2) Joüon 1986, S. 69 will daher emendieren nach wähaja und erklärt sich unsere Stelle so, dass ein Schreiber fälschlicherweise statt den Konsonanten whjh (=wähaja, „und es wird sein“) wjhj (=wajähi, „und es war“) geschrieben habe, was die Masoreten dann zum „weniger falschen“ wihi vokalisiert hätten (so auch Lambert 1946, S. 157).
(3) Und Niccacci 1995, S. 92 denkt, wihi habe hier seine „normale Funktion, Finalsätze auszudrücken“ (s. z.B. Ex 10,21; Mal 3,10) und übersetzt mit „damit du, wenn er sich hinlegt, dir den Ort merken [kannst]“. Diese „normale Funktion“ erkennt hier aber auch sonst niemand; in den entsprechenden Versen wird wihi nie wie hier und den obigen Stellen impersonal ([Es] soll sein“) verwendet, sondern als Vollverb mit Objekt (Ex 10,21: „Damit Finsternis sei“; Mal 3,10: „Damit Nahrung in meinem Haus sei“) und in 1Sam 10,5 funktioniert auch diese Deutung nicht.
Entweder gehen wir also (nur auf der Basis von unserem Vers und 2 Sam 5,24 = 1 Chr 14,15!) davon aus, dass wihi sich in Aufforderungen in der Tat wie wajähi und wähaja zur Markierung einer Zeitangabe verwenden lässt und in 1 Sam 10,5 auch noch emendiert werden muss, oder wir folgen besser an allen Stellen dem Emendationsvorschlag von Joüon und Lambert. Auf jeden Fall ist am sinnvollsten nach der Alternativübersetzung zu übersetzen und findet sich so auch in fast allen dt. Üss. (Zurück zu v.4)
kentblöße seine Beine (seine Scham?, decke den Ort seiner Beine auf? Entblöße dich zu seinen Füßen?) - „seine Beine/Scham/zu seinen Füßen“ = seltenes Wort; sonst nur noch in Dan 10,6 verwendet, wo es sicher „Beine“ bedeutet; so wohl auch hier (s.u.). Rut, die sich extra aufgehübscht hat, soll im Schutz der Nacht Boas Beine „aufdecken“, sich „legen“ - beide Worte werden häufiger als Euphemismen für den Geschlechtsverkehr verwendet - und sich an die entblößten Beine des Boas schmiegen. Das lässt sich sicher nicht nur als unkonventionelle (und sehr erfolglose - Boas erwacht erst gegen Mitternacht) Weckmethode verstehen; die „sexuellen Konnotationen [in diesem Vers sind] nicht zu überhören“ (Zenger 1986, S. 67).
tFN: Seine Beine (den Ort seiner Beine) - Das Wort margelah wird meist erklärt durch die nominale Wortbildungsform mit der Vorsilbe m- - d.h., ein Nomen wird gebildet, indem die Vorsilbe m- an die Wurzel (hier rgl („Beine, gehen“)) angefügt wird. Diese Wortbildungsform hat häufig lokative Bedeutung und auch unser Wort wird daher gern lokativ gedeutet („der Ort seiner Beine“, d.h. „das Fußende [seines Nachtlagers](so gut Keita/Dyk 2006, S. 20)). Doch wegen Dan 10,6 liegt das recht fern und die Vorsilbe ist eher als instumentales m- zu erklären (dazu vgl. z.B. BL §61 wε): Die margelot sind „das, womit man geht“, nämlich eben die Beine.
Seine Scham - Das mit unserem Wort verwandte regel („Bein“) ist häufiger ein Euphemismus für die menschliche Scham; einige Exegeten glauben deshalb, dass auch margelah diese Bedeutung haben könne und Noomi also Rut dazu auffordert, Boas Unterleib zu entblößen. Doch ob dies so ist, wissen wir nicht und auch mit der wahrscheinlichen wörtlichen Bedeutung „Beine“ ist der Text ja verfänglich genug: „Rut soll sich zum liegenden Boas, nahe an seine aufgedeckten Beine, legen - keuscher ist das Hebräische nicht zu erklären“ (Fischer 2001, S. 203).
Entblöße dich zu seinen Füßen - theoretisch auch möglich. glh („entkleiden“) kann ohne Objekt wohl auch „sich entkleiden“ bedeuten (s. Jes 57,8); wenn man margelot als Ortsangabe versteht („zu seinen Füßen“) , könnte man also Noomis Auforderung auch als „entblöße dich“ deuten (so bes. Nielsen 1985, S. 205-207; Nielsen 1997, S. 68f; van Wolde 1997, S. 443f.; Wénin 1998, S. 188) - doch da die margelot wie gesagt eher „Beine“ als „der Ort der Beine“ bedeutet, ist die Primärübersetzung doch sehr viel wahrscheinlicher. (Zurück zu v.4)
lTextkritik: ([mir]) - Die Überlieferung des heb. Textes bietet beide Versionen; Ketiv und viele LXX- und VUL-Mss haben ohne „mir“; Qere, einige LXX- und VUL-Mss, Tg und Syr mit. Eine Entscheidung ist hier nicht möglich. (Zurück zu v.5)
msagst (je sagen wirst) - das Verb steht im Yiqtol; d.h.: Rut bezieht sich damit nicht (nur) auf Noomis Aufforderungen in Vv. 3f, sondern auf alles, was diese ihr je sagen wird. (Zurück zu v.5)