Rut 3: Unterschied zwischen den Versionen

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{{S|3}} [Daher]<ref>''[Daher]'' - Dass die Aufforderung in Vv. 3f aus Vv. 1f ''abgeleitet'' wird, wird im Heb. nur durch die Wortform (Weqatal) markiert.</ref> wasche dich, salbe dich, wirf deine Kleider (dein Kleid)<ref>''deine Kleider (dein Kleid)'' - In der Überlieferung des Textes finden sich beide Versionen: Ketiv und LXX haben Singular, Qere, Syr, VUL und Tg haben Plural. Da Rut am Ende des Kapitels eines ihrer Kleidungsstücke zum Transport der Gerste verwendet und sicher nicht nackt durch Jerusalem läuft, trägt sie sicherlich mehrere Kleidungsstücke; allein schon aus diesem Grund sollte besser mit Plural übersetzt werden.</ref> um dich (zieh deine Kleider/dein Kleid an)<ref>''wasche dich, bade dich und wirf deine Kleider um dich'' - Es ist umstritten, ob diese Handlungen wie in [[Ezechiel 16#s9 |Ez 16,9f]] symbolisch als Hochzeitsvorbereitungen gemeint sind (so z.B. Fischer 2001, S. 201; Zenger 1986, S. 66f) oder ob sie wie in [[Judit 10#s3 |Jdt 10,3]] v.a. die Verführung eines Mannes erleichtern sollen (so z.B. Gunkel 1913, S. 75f; Wénin 1998, S. 188). V. 1 legt eher ersteres nahe, V. 4 eher letzteres und vermutlich kann man hier an beides denken, da der ''Weg'' zum Ja-Wort ja ''über die Verführung'' des Boas läuft (s. die Anmerkungen). Vielleicht kann man hier ohnehin nicht ''zwischen'' diesen beiden Optionen entscheiden, da nach Mischna Qidduschin 1,1 die Ehe schon durch den Geschlechtsakt als vollzogen galt - wenn dies schon zu biblischer Zeit der Fall war, wäre mit der erfolgreichen Verführung auch gleich die Ehe geschlossen.</ref> und geh zur Tenne hinab<ref name="Vv 3f">''geh hinab'' (V. 3) + (V. 4) - Ketiv bietet hier eine Schreibweise, die auf den ersten Blick „ich gehe hinab“ statt „gehe hinab“ zu bedeuten scheint. Diese Form für die 2. Person findet sich noch häufiger in der Bibel; entweder handelt es sich dabei um eine veraltete Form (vgl. z.B. HKL I §20.6; Rendsburg 2013, S. 635) oder einen Aramäismus (vgl. z.B. Zakovitch 1999, S. 136). Besonders häufig findet sich diese Form übrigens in [[Ezechiel 16 |Ez 16]], das auch über die Abfolge „waschen, salben und ankleiden“ ([[Ezechiel 16#s9 |Ez 16,9f]] + Rut 3,3; s. vorige FN) und über die Rede vom „den Gewandsaum über jemanden breiten“ für die Heirat ([[Ezechiel 16#s8 |Ez 16,8]] + Rut 3,9) mit unserem Kapitel zusammenhängt. Dass diese Form jeweils nur beim vierten Wort der Vierer-Weqatal-Ketten verwendet wird, macht es sehr wahrscheinlich, dass sie hier nur aus stilistischen Gründen verwendet wird und in der Übersetzung ohne Bedeutungsverlust ignoriert werden kann.</ref>! Lass dich [aber] nicht von dem Mann erkennen, bis er mit Essen und Trinken fertig ist!
 
{{S|3}} [Daher]<ref>''[Daher]'' - Dass die Aufforderung in Vv. 3f aus Vv. 1f ''abgeleitet'' wird, wird im Heb. nur durch die Wortform (Weqatal) markiert.</ref> wasche dich, salbe dich, wirf deine Kleider (dein Kleid)<ref>''deine Kleider (dein Kleid)'' - In der Überlieferung des Textes finden sich beide Versionen: Ketiv und LXX haben Singular, Qere, Syr, VUL und Tg haben Plural. Da Rut am Ende des Kapitels eines ihrer Kleidungsstücke zum Transport der Gerste verwendet und sicher nicht nackt durch Jerusalem läuft, trägt sie sicherlich mehrere Kleidungsstücke; allein schon aus diesem Grund sollte besser mit Plural übersetzt werden.</ref> um dich (zieh deine Kleider/dein Kleid an)<ref>''wasche dich, bade dich und wirf deine Kleider um dich'' - Es ist umstritten, ob diese Handlungen wie in [[Ezechiel 16#s9 |Ez 16,9f]] symbolisch als Hochzeitsvorbereitungen gemeint sind (so z.B. Fischer 2001, S. 201; Zenger 1986, S. 66f) oder ob sie wie in [[Judit 10#s3 |Jdt 10,3]] v.a. die Verführung eines Mannes erleichtern sollen (so z.B. Gunkel 1913, S. 75f; Wénin 1998, S. 188). V. 1 legt eher ersteres nahe, V. 4 eher letzteres und vermutlich kann man hier an beides denken, da der ''Weg'' zum Ja-Wort ja ''über die Verführung'' des Boas läuft (s. die Anmerkungen). Vielleicht kann man hier ohnehin nicht ''zwischen'' diesen beiden Optionen entscheiden, da nach Mischna Qidduschin 1,1 die Ehe schon durch den Geschlechtsakt als vollzogen galt - wenn dies schon zu biblischer Zeit der Fall war, wäre mit der erfolgreichen Verführung auch gleich die Ehe geschlossen.</ref> und geh zur Tenne hinab<ref name="Vv 3f">''geh hinab'' (V. 3) + (V. 4) - Ketiv bietet hier eine Schreibweise, die auf den ersten Blick „ich gehe hinab“ statt „gehe hinab“ zu bedeuten scheint. Diese Form für die 2. Person findet sich noch häufiger in der Bibel; entweder handelt es sich dabei um eine veraltete Form (vgl. z.B. HKL I §20.6; Rendsburg 2013, S. 635) oder einen Aramäismus (vgl. z.B. Zakovitch 1999, S. 136). Besonders häufig findet sich diese Form übrigens in [[Ezechiel 16 |Ez 16]], das auch über die Abfolge „waschen, salben und ankleiden“ ([[Ezechiel 16#s9 |Ez 16,9f]] + Rut 3,3; s. vorige FN) und über die Rede vom „den Gewandsaum über jemanden breiten“ für die Heirat ([[Ezechiel 16#s8 |Ez 16,8]] + Rut 3,9) mit unserem Kapitel zusammenhängt. Dass diese Form jeweils nur beim vierten Wort der Vierer-Weqatal-Ketten verwendet wird, macht es sehr wahrscheinlich, dass sie hier nur aus stilistischen Gründen verwendet wird und in der Übersetzung ohne Bedeutungsverlust ignoriert werden kann.</ref>! Lass dich [aber] nicht von dem Mann erkennen, bis er mit Essen und Trinken fertig ist!
 
{{S|4}} Und es soll sein, wenn er sich hinlegt: (Wenn er sich hinlegt,)<ref>'''tFN''': ''Und es soll sein, wenn er sich hinlegt: (Wenn er sich hinlegt,)'' - Schwierige Stelle. Das Verb ''wihi'' („und es wird/soll sein“) scheint hier ähnlich wie sonst ''wajähi'' („und es war“, s. z.B. [[Rut 1#s1 |Rut 1,1]] (dazu [http://www.offene-bibel.de/wiki/index.php5?title=Rut_1#note_c FN c]): „Und es war in den Tagen des Richtens der Richter...“) und ''wähaja'' („und es wird sein“, s. z.B. [[Rut 3#s13 |Rut 3,13]]: „Und es wird sein am Morgen...“) nicht zur story zu gehören, sondern nur zur Markierung einer Zeitangabe zu dienen. Eine solche Verwendung von ''wihi'' findet sich sonst nur in [[1Samuel 10#s5 |1 Sam 10,5]]; [[2Samuel 5#s24 |2 Sam 5,24]] = [[1Chronik 14#s15 |1 Chr 14,15]] (und in [[1Könige 14#s5 |1 Kön 14,5]], wo aber sicher mit LXX ''wajähi'' zu lesen ist).<br />
 
{{S|4}} Und es soll sein, wenn er sich hinlegt: (Wenn er sich hinlegt,)<ref>'''tFN''': ''Und es soll sein, wenn er sich hinlegt: (Wenn er sich hinlegt,)'' - Schwierige Stelle. Das Verb ''wihi'' („und es wird/soll sein“) scheint hier ähnlich wie sonst ''wajähi'' („und es war“, s. z.B. [[Rut 1#s1 |Rut 1,1]] (dazu [http://www.offene-bibel.de/wiki/index.php5?title=Rut_1#note_c FN c]): „Und es war in den Tagen des Richtens der Richter...“) und ''wähaja'' („und es wird sein“, s. z.B. [[Rut 3#s13 |Rut 3,13]]: „Und es wird sein am Morgen...“) nicht zur story zu gehören, sondern nur zur Markierung einer Zeitangabe zu dienen. Eine solche Verwendung von ''wihi'' findet sich sonst nur in [[1Samuel 10#s5 |1 Sam 10,5]]; [[2Samuel 5#s24 |2 Sam 5,24]] = [[1Chronik 14#s15 |1 Chr 14,15]] (und in [[1Könige 14#s5 |1 Kön 14,5]], wo aber sicher mit LXX ''wajähi'' zu lesen ist).<br />
Joüon 1986, S. 69 will daher emendieren nach ''wähaja'' und erklärt sich unsere Stelle so, dass ein Schreiber fälschlicherweise statt den Konsonanten ''whjh'' (=''wähaja'', „und es wird sein“) ''wjhj'' (=''wajähi'', „und es war“) geschrieben habe, was die Masoreten dann zum „weniger falschen“ ''wihi'' vokalisiert hätten. Niccacci 1995, S. 92 denkt, ''wihi'' habe hier seine „normale Funktion, Finalsätze auszudrücken“ (s. z.B. [[Exodus 10#s21 |Ex 10,21]]; [[Maleachi 3#s10 |Mal 3,10]], wo aber ''wihi'' in diesen Finalsätzen jeweils als Vollverb für 3. Person verwendet wird) und übersetzt mit „damit du, wenn er sich hinlegt, dir den Ort merken [kannst]“. Und Holmstedt 2010, S. 154 glaubt, dies ''wihi'' sei hier „zu erwarten“, da nach dem negativen Yiqtol im vorigen Satz wieder der positive Aufforderungs-modus eingeführt werden müsse - was vor dem Hintergrund von [[2Samuel 5#s24 |2 Sam 5,24]] = [[1Chronik 14#s15 |1 Chr 14,15]], wo ''wihi'' zwischen einem Weqatal und einem Yiqtol steht, aber recht sicher falsch ist. Entweder gehen wir also (nur auf der Basis von unserem Vers; [[1Samuel 10#s5 |1 Sam 10,5]] und [[2Samuel 5#s24 |2 Sam 5,24]] = [[1Chronik 14#s15 |1 Chr 14,15]]!) davon aus, dass ''wihi'' sich in der Tat wie ''wajähi'' und ''wähaja'' zur Markierung einer Zeitangabe verwenden lässt, oder wir folgen in der Tat Joüons Emendationsvorschlag. Auf jeden Fall ist am sinnvollsten nach der Alternativübersetzung zu übersetzen und findet sich so auch in fast allen dt. Üss.</ref>
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Joüon 1986, S. 69 will daher emendieren nach ''wähaja'' und erklärt sich unsere Stelle so, dass ein Schreiber fälschlicherweise statt den Konsonanten ''whjh'' (=''wähaja'', „und es wird sein“) ''wjhj'' (=''wajähi'', „und es war“) geschrieben habe, was die Masoreten dann zum „weniger falschen“ ''wihi'' vokalisiert hätten. Niccacci 1995, S. 92 denkt, ''wihi'' habe hier seine „normale Funktion, Finalsätze auszudrücken“ (s. z.B. [[Exodus 10#s21 |Ex 10,21]]; [[Maleachi 3#s10 |Mal 3,10]], wo aber ''wihi'' in diesen Finalsätzen jeweils als Vollverb für 3. Person verwendet wird) und übersetzt mit „damit du, wenn er sich hinlegt, dir den Ort merken [kannst]“. Und Holmstedt 2010, S. 154 glaubt, dies ''wihi'' sei hier „zu erwarten“, da nach dem negativen Yiqtol im vorigen Satz wieder der positive Aufforderungs-modus eingeführt werden müsse - was vor dem Hintergrund von [[2Samuel 5#s24 |2 Sam 5,24]] = [[1Chronik 14#s15 |1 Chr 14,15]], wo ''wihi'' zwischen einem Weqatal und einem Yiqtol steht, aber recht sicher falsch ist. Entweder gehen wir also (nur auf der Basis von unserem Vers; [[1Samuel 10#s5 |1 Sam 10,5]] und [[2Samuel 5#s24 |2 Sam 5,24]] = [[1Chronik 14#s15 |1 Chr 14,15]]!) davon aus, dass ''wihi'' sich in der Tat wie ''wajähi'' und ''wähaja'' zur Markierung einer Zeitangabe verwenden lässt, oder wir folgen wirklich Joüons Emendationsvorschlag. Auf jeden Fall ist am sinnvollsten nach der Alternativübersetzung zu übersetzen und findet sich so auch in fast allen dt. Üss.</ref>
  
 
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Version vom 23. März 2015, 20:52 Uhr

Syntax ungeprüft

SF in Arbeit.png
Status: Studienfassung in Arbeit – Einige Verse des Kapitels sind bereits übersetzt. Wer die biblischen Ursprachen beherrscht, ist zum Einstellen weiterer Verse eingeladen. Auf der Diskussionsseite kann die Arbeit am Urtext dokumentiert werden. Dort ist auch Platz für Verbesserungsvorschläge und konstruktive Anmerkungen.
Folgt-später.png
Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Lesefassung (Rut 3)

(kommt später)

Studienfassung (Rut 3)

1 [Eines Tages] sprach Noomi, ihre Schwiegermutter, zu ihr: „Meine Tochter, soll ich nichta für dich Ruhe (eine Heimstatt)b suchen, wo (damit) es dir gut geht? 2 Und weiterc: Ist nichta Boas, bei dessen Mägden du warst, unser Verwandterd (ist nicht Boas unser Verwandter, bei dessen Mägden du warst)? Siehea, dieser wird heute Nacht Gerste auf der Gerstentenne worfelne. 3 [Daher]f wasche dich, salbe dich, wirf deine Kleider (dein Kleid)g um dich (zieh deine Kleider/dein Kleid an)h und geh zur Tenne hinabi! Lass dich [aber] nicht von dem Mann erkennen, bis er mit Essen und Trinken fertig ist! 4 Und es soll sein, wenn er sich hinlegt: (Wenn er sich hinlegt,)j

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Anmerkungen

Rut 3 schildert in Vv. 1-5, wie Noomi einen Plan entwickelt, Rut erneut „unter die Haube zu bringen“ und in Vv. 6-15, wie Rut diesen Plan in die Tat umsetzt und wie Boas darauf reagiert.
Dieser Plan allerdings ist vor allem eins: Moralisch fragwürdig. Rut soll warten, bis Boas gegessen, getrunken und sich niedergelegt hat, um dann im Schutz der Nacht zu ihm zu schleichen und sich unter seiner Decke an ihn zu schmiegen - und dies zu dem Zweck, Rut eine „Heimstatt zu suchen“: Rut soll Boas zu seinem Ja-Wort verführen.

Wegen dieser moralischen Fragwürdigkeit muss hier auf eine theologische Eigenart des Rutbuches hingewiesen werden: Das „Verschmelzen des Handelns Gottes und der Menschen(Thompson 1993, S. 203). In Rut 1,6 heißt es, dass JHWH Israel wieder „Brot gegeben“ habe - doch das Brot von Noomi und Rut stammt von Boas. In Rut 2,12 verwendet Boas die sog. „Lohnknecht-Metapher“ (zu dieser vgl. v.a. Novick 2011) und stellt so JHWH als Lohnherrn der Rut vor (JHWH vergelte dein Tun und dein Lohn sei voll von JHWH, dem Gott Israel) - doch auch hier: Der Lohn für die Arbeit Ruts stammt von Boas (vgl. Frevel 1992, S. 79). Zu diesem Phänomen gehört wohl auch die Ambiguität von Rut 2,20, wo unsicher ist, ob der Relativsatz auf Boas oder JHWH zu beziehen ist (s. FN ax; vgl. Collins 1993, S. 100; Halton 2012, S. 37; Thompson 1993, S. 210), und ganz deutlich gehört auch Ruts Bitte in Rut 3,9 dazu, mit der sie Boas bittet, seinen „Mantelsaum“ über sie zu breiten: In Rut 2,12 verwendet Boas das selbe Wort, als er davon spricht, dass Rut unter JHWHs „Flügeln“ Schutz suchen wolle (vgl. z.B. Landy 1994, S. 297).
Ganz ähnliches ist auch hier der Fall: Noomi hat ihren Schwiegertöchtern in Rut 1,9 gewünscht, dass JHWH ihnen „Ruhe“ - d.h.: eine Heimstatt - geben möge. Doch nun ist es Noomi selbst, die Rut „Ruhe“ verschaffen will - auch Noomi wird hier mit JHWH parallelisiert.
Die Parallelisierungen in Rut 1,6 und Rut 2, in Rut 2,12 und Rut 2 und in Rut 2,20 und Rut 2 beziehen sich auf die - juristisch problematische (s. die Anmerkungen zu Rut 2) - Gewährung des Nachleserechts durch Boas; die Parallelisierung in Rut 1,9 und Rut 3,1 auf Noomis moralisch fragwürdigen Plan, Boas zum Ja-Wort zu verführen und die Parallelisierung in Rut 2,20 und Rut 3,9 auf Boas Heirat mit Rut (dazu s. die Anmerkungen zu Kapitel 4). Das heißt: gerade dort, wo im Rutbuch Recht gebeugt und gebrochen wird, werden diese Beugungen und Brüche durch die Parallelisierung mit JHWH wieder „theologisch gerechtfertigt“. Mehr noch: Boas wird in Rut 2,20 für sein Handeln in Rut 2 von Noomi gesegnet und sein Handeln durch das Schlüsselwort chesed („Güte“) charakterisiert, das in der Bibel - und auch im Rutbuch, s. Rut 1,8 - der Wesenszug JHWHs schlechthin ist (vgl. Gordis 1974, S. 241). Ebenso wird Rut in Rut 3,10 für ihr Handeln in Rut 1 (dazu s. die dortigen Anmerkungen) und in unserem Kapitel von Boas gesegnet und auch ihr Handeln wird durch das selbe Wort charakterisiert. Und schließlich wird auch die Heirat von Boas und Rut in Rut 4,11 durch ganz Jerusalem samt den Ältesten (ab)gesegnet. Das Rutbuch selbst bietet derart ein „biblisches Modell für die Missachtung des biblischen Rechts(Steinberg 2006, S. 474; vgl. ähnlich z.B. Lacocque 2004, S. 28-32; Nielsen 1997, S. 31f.): Nicht das streng vom biblischen Recht geleitete Handeln ist im Rutbuch „JHWH-mäßig“ und segenswert, sondern das von „Güte“ geleitete und daher bisweilen sogar das biblische Recht übersteigende Handeln.


aSoll ich nicht...? (V. 1) + Ist nicht...? (V. 2) + Siehe (V. 2) - Die beiden rhetorischen Fragen dienen hier - wie oft (vgl. bes. Moshavi 2011, S. 99f) - zur Begründung der in Vv. 3f folgenden Aufforderung; die Argumentationsstruktur von Vv. 1-4 ist also etwa diese: 1-2a: Hintergründe der Aufforderung in V. 3 - 2b: Information über einen für die folgende Auffordung relevanten Satzverhalts (wie üblich eingeleitet durch hinneh („siehe“)) - 3-4: Die Aufforderung selbst.
Im Dt. würde man das eher etwa so formulieren: „Liebe Tochter, ich würde dir ja gerne eine Heimstatt verschaffen, und Boas - der, bei dessen Mägden du gearbeitet hast - ist ja unser Verwandter, nicht wahr? Dieser nun wird heute Nacht auf der Tenne worfeln; daher pass auf; du machst nun Folgendes:...“. Sehr gut daher ZÜR 1931: „Liebe Tochter, ich muss dir doch ein Heim suchen ... (ähnlich MEN). Nun ist ja Boas ... ein Verwandter von uns (ähnlich , TEX). Siehe...“. (Zurück zu v.1 / zu v.2)
bRuhe (eine Heistatt) - Heb. manoach, ein Synonym von menuchah in Rut 1,9 (s. dazu FN aa): Noomi will Rut ein Heim verschaffen; d.h. hier: sie will sie „unter die Haube bringen“. (Zurück zu v.1)
cUnd weiter - W.: „und nun“; doch wä`attah dient hier wohl nur zur „Markierung eines neuen Gedankens“ (Ges18, S. 1030); treffender ist daher obiger Übersetzungsvorschlag. (Zurück zu v.2)
dVerwandter - Bed. unsicher (-> Hapax legomenon). Sehr wahrscheinlich bedeutet es ungefähr das selbe wie das ähnliche Wort „Verwandter“ in Rut 2,1 (so fast alle Exegeten). Vom Wortbildungsmuster her scheint das Wort ein Abstraktbegriff zu sein, also eher „Verwandtschaft“; wörtlicher wäre daher vermutlich etwas wie „Gehört nicht Boas zu unserer Verwandtschaft?“ (so z.B. MEN). Da aber auch dies nicht sicher ist, folgen wir in der SF der Standardübersetzung „Verwandter“. (Zurück zu v.2)
eer wird Gerste auf der Gerstentenne worfeln - W. „er wird die Gerstentenne worfeln“; die „Gerstentenne“ steht hier wohl metonymisch für die Gerste auf dieser Tenne (vgl. z.B. Gray 1967, S. 417; Zakovitch 1999, S. 135). Eine „Tenne“ ist der Ort, an dem Getreide gedroschen und geworfelt wird; „Worfeln“ bezeichnet den Arbeitsschritt der Trennung der Körnern von Spreu und Spelzen (vgl. näher Dreschen und worfeln (WiBiLex)). Vermutlich muss an eine Gemeinschaftstenne gedacht werden, die von mehreren Grundbesitzern gemeinsam verwendet wurde. Etwas merkwürdig ist allerdings das „Gersten-“ in „Gerstentenne“, da es wohl nicht verschiedene Tennen für verschiedene Getreidearten gab. (Zurück zu v.2)
f[Daher] - Dass die Aufforderung in Vv. 3f aus Vv. 1f abgeleitet wird, wird im Heb. nur durch die Wortform (Weqatal) markiert. (Zurück zu v.3)
gdeine Kleider (dein Kleid) - In der Überlieferung des Textes finden sich beide Versionen: Ketiv und LXX haben Singular, Qere, Syr, VUL und Tg haben Plural. Da Rut am Ende des Kapitels eines ihrer Kleidungsstücke zum Transport der Gerste verwendet und sicher nicht nackt durch Jerusalem läuft, trägt sie sicherlich mehrere Kleidungsstücke; allein schon aus diesem Grund sollte besser mit Plural übersetzt werden. (Zurück zu v.3)
hwasche dich, bade dich und wirf deine Kleider um dich - Es ist umstritten, ob diese Handlungen wie in Ez 16,9f symbolisch als Hochzeitsvorbereitungen gemeint sind (so z.B. Fischer 2001, S. 201; Zenger 1986, S. 66f) oder ob sie wie in Jdt 10,3 v.a. die Verführung eines Mannes erleichtern sollen (so z.B. Gunkel 1913, S. 75f; Wénin 1998, S. 188). V. 1 legt eher ersteres nahe, V. 4 eher letzteres und vermutlich kann man hier an beides denken, da der Weg zum Ja-Wort ja über die Verführung des Boas läuft (s. die Anmerkungen). Vielleicht kann man hier ohnehin nicht zwischen diesen beiden Optionen entscheiden, da nach Mischna Qidduschin 1,1 die Ehe schon durch den Geschlechtsakt als vollzogen galt - wenn dies schon zu biblischer Zeit der Fall war, wäre mit der erfolgreichen Verführung auch gleich die Ehe geschlossen. (Zurück zu v.3)
igeh hinab (V. 3) + (V. 4) - Ketiv bietet hier eine Schreibweise, die auf den ersten Blick „ich gehe hinab“ statt „gehe hinab“ zu bedeuten scheint. Diese Form für die 2. Person findet sich noch häufiger in der Bibel; entweder handelt es sich dabei um eine veraltete Form (vgl. z.B. HKL I §20.6; Rendsburg 2013, S. 635) oder einen Aramäismus (vgl. z.B. Zakovitch 1999, S. 136). Besonders häufig findet sich diese Form übrigens in Ez 16, das auch über die Abfolge „waschen, salben und ankleiden“ (Ez 16,9f + Rut 3,3; s. vorige FN) und über die Rede vom „den Gewandsaum über jemanden breiten“ für die Heirat (Ez 16,8 + Rut 3,9) mit unserem Kapitel zusammenhängt. Dass diese Form jeweils nur beim vierten Wort der Vierer-Weqatal-Ketten verwendet wird, macht es sehr wahrscheinlich, dass sie hier nur aus stilistischen Gründen verwendet wird und in der Übersetzung ohne Bedeutungsverlust ignoriert werden kann. (Zurück zu v.3)
jtFN: Und es soll sein, wenn er sich hinlegt: (Wenn er sich hinlegt,) - Schwierige Stelle. Das Verb wihi („und es wird/soll sein“) scheint hier ähnlich wie sonst wajähi („und es war“, s. z.B. Rut 1,1 (dazu FN c): „Und es war in den Tagen des Richtens der Richter...“) und wähaja („und es wird sein“, s. z.B. Rut 3,13: „Und es wird sein am Morgen...“) nicht zur story zu gehören, sondern nur zur Markierung einer Zeitangabe zu dienen. Eine solche Verwendung von wihi findet sich sonst nur in 1 Sam 10,5; 2 Sam 5,24 = 1 Chr 14,15 (und in 1 Kön 14,5, wo aber sicher mit LXX wajähi zu lesen ist).
Joüon 1986, S. 69 will daher emendieren nach wähaja und erklärt sich unsere Stelle so, dass ein Schreiber fälschlicherweise statt den Konsonanten whjh (=wähaja, „und es wird sein“) wjhj (=wajähi, „und es war“) geschrieben habe, was die Masoreten dann zum „weniger falschen“ wihi vokalisiert hätten. Niccacci 1995, S. 92 denkt, wihi habe hier seine „normale Funktion, Finalsätze auszudrücken“ (s. z.B. Ex 10,21; Mal 3,10, wo aber wihi in diesen Finalsätzen jeweils als Vollverb für 3. Person verwendet wird) und übersetzt mit „damit du, wenn er sich hinlegt, dir den Ort merken [kannst]“. Und Holmstedt 2010, S. 154 glaubt, dies wihi sei hier „zu erwarten“, da nach dem negativen Yiqtol im vorigen Satz wieder der positive Aufforderungs-modus eingeführt werden müsse - was vor dem Hintergrund von 2 Sam 5,24 = 1 Chr 14,15, wo wihi zwischen einem Weqatal und einem Yiqtol steht, aber recht sicher falsch ist. Entweder gehen wir also (nur auf der Basis von unserem Vers; 1 Sam 10,5 und 2 Sam 5,24 = 1 Chr 14,15!) davon aus, dass wihi sich in der Tat wie wajähi und wähaja zur Markierung einer Zeitangabe verwenden lässt, oder wir folgen wirklich Joüons Emendationsvorschlag. Auf jeden Fall ist am sinnvollsten nach der Alternativübersetzung zu übersetzen und findet sich so auch in fast allen dt. Üss. (Zurück zu v.4)