K |
K |
||
Zeile 40: | Zeile 40: | ||
der Sinn ist also eher: „Für diesen Zuspruch danke ich Ihnen, mein Herr - möge ich mich ihm als würdig erweisen (=Gefallen finden in Ihren Augen).“ Als Dankesformel deuten auch HfA, MEN, R-S.</ref>, mein Herr<ref name="höflich">''mein Herr'' + ''Sklavin(nen)'' - geläufige Höflichkeitsstrategie: Man spricht von sich und dem Gegenüber nicht als „ich“ und „du“, sondern in der 3. Pers. als „Sklavin“ und „Herr“ (vgl. z.B. Warren-Rothlin 2007, S. 62f.; z.St. auch de Waard/Nida 1992, S. 34; Gray 1967, S. 415). Der Kontrast ist hier besonders stark, da Boas Rut direkt zuvor als „meine Tochter“ angesprochen hat: Rut ist ganz außerordentlich höflich und demütig. Übersetze besser: „Möge ich Gefallen in ''Ihren'' Augen finden (dazu s. vorige FN), mein Herr, da ''Sie'' mich getröstet und zu ''meinem'' Herzen (dazu s. nächste FN) gesprochen haben.“</ref>, weil du mich getröstet und weil du zum Herzen deiner Sklavin<ref name="höflich" /> gesprochen hast<ref>''zum Herzen deiner Sklavin gesprochen hast'' - Idiom sowohl für „trösten“ (s. noch [[Genesis 50#s21 |Gen 50,21]]; [[Jesaja 40#s2 |Jes 40,2]]) als auch für „Mut zusprechen“ (s. noch [[2Samuel 19#s8 |2 Sam 19,8]]; [[2Chroniken 30#s22 |2 Chr 30,22]]; [[2Chroniken 32#s6 |32,6]]). Wahrscheinlich ist hier beides im Blick (so auch Campbell 1975, S. 100).</ref>. Bin ich nicht [nur] wie eine deiner Sklavinnen!?<ref>''Bin ich nicht [nur] wie eine deiner Sklavinnen!?'' - d.h. „dabei bin ich ja nur wie eine deiner Sklavinnen!“; ein weiteres Mal wird eine rhetorische Frage als Ausrufesatz verwendet (=> Yiqtol; in Fragesätzen wird Yiqtol des Öfteren wie Qatal verwendet; vgl. ähnlich Driver 1973, S. 108). LXX und VUL haben das wohl richtig gesehen und als positiven Aussagesatz übersetzt, LXX aber das Yiqtolverb zu wörtlich mit Futur wiedergegeben. Eine Umpunktierung von ''lo´'' („nicht“) nach ''lu´'' („wahrlich“, so Houbigant 1777, S. 259; Haller 1940, S. 10) ist unnötig; die Deutung als selbstsichere Einschränkung („Ich danke dir, dass du zum Herzen deiner Sklavin gesprochen hast - aber ich werde nicht wie eine deiner Sklavinnen sein!“, so Köhlmoos 2010, S. 30.44; Niccacci 1995, S. 86) macht wenig Sinn.<br />Theoretisch auch möglich: Interpretation des ''k'' („wie“) in „wie eine deiner Mägde“ als sog. „asseveratives Kaf“ (für eine ganz ähnliche Stelle s. [http://www.offene-bibel.de/wiki/index.php5?title=Obadja#note_ay FN ay] zu [[Obadja #s11 |Ob 11]]), dann: „und vor allem, weil ich eine deiner Mägde sein darf.“</ref>“ | der Sinn ist also eher: „Für diesen Zuspruch danke ich Ihnen, mein Herr - möge ich mich ihm als würdig erweisen (=Gefallen finden in Ihren Augen).“ Als Dankesformel deuten auch HfA, MEN, R-S.</ref>, mein Herr<ref name="höflich">''mein Herr'' + ''Sklavin(nen)'' - geläufige Höflichkeitsstrategie: Man spricht von sich und dem Gegenüber nicht als „ich“ und „du“, sondern in der 3. Pers. als „Sklavin“ und „Herr“ (vgl. z.B. Warren-Rothlin 2007, S. 62f.; z.St. auch de Waard/Nida 1992, S. 34; Gray 1967, S. 415). Der Kontrast ist hier besonders stark, da Boas Rut direkt zuvor als „meine Tochter“ angesprochen hat: Rut ist ganz außerordentlich höflich und demütig. Übersetze besser: „Möge ich Gefallen in ''Ihren'' Augen finden (dazu s. vorige FN), mein Herr, da ''Sie'' mich getröstet und zu ''meinem'' Herzen (dazu s. nächste FN) gesprochen haben.“</ref>, weil du mich getröstet und weil du zum Herzen deiner Sklavin<ref name="höflich" /> gesprochen hast<ref>''zum Herzen deiner Sklavin gesprochen hast'' - Idiom sowohl für „trösten“ (s. noch [[Genesis 50#s21 |Gen 50,21]]; [[Jesaja 40#s2 |Jes 40,2]]) als auch für „Mut zusprechen“ (s. noch [[2Samuel 19#s8 |2 Sam 19,8]]; [[2Chroniken 30#s22 |2 Chr 30,22]]; [[2Chroniken 32#s6 |32,6]]). Wahrscheinlich ist hier beides im Blick (so auch Campbell 1975, S. 100).</ref>. Bin ich nicht [nur] wie eine deiner Sklavinnen!?<ref>''Bin ich nicht [nur] wie eine deiner Sklavinnen!?'' - d.h. „dabei bin ich ja nur wie eine deiner Sklavinnen!“; ein weiteres Mal wird eine rhetorische Frage als Ausrufesatz verwendet (=> Yiqtol; in Fragesätzen wird Yiqtol des Öfteren wie Qatal verwendet; vgl. ähnlich Driver 1973, S. 108). LXX und VUL haben das wohl richtig gesehen und als positiven Aussagesatz übersetzt, LXX aber das Yiqtolverb zu wörtlich mit Futur wiedergegeben. Eine Umpunktierung von ''lo´'' („nicht“) nach ''lu´'' („wahrlich“, so Houbigant 1777, S. 259; Haller 1940, S. 10) ist unnötig; die Deutung als selbstsichere Einschränkung („Ich danke dir, dass du zum Herzen deiner Sklavin gesprochen hast - aber ich werde nicht wie eine deiner Sklavinnen sein!“, so Köhlmoos 2010, S. 30.44; Niccacci 1995, S. 86) macht wenig Sinn.<br />Theoretisch auch möglich: Interpretation des ''k'' („wie“) in „wie eine deiner Mägde“ als sog. „asseveratives Kaf“ (für eine ganz ähnliche Stelle s. [http://www.offene-bibel.de/wiki/index.php5?title=Obadja#note_ay FN ay] zu [[Obadja #s11 |Ob 11]]), dann: „und vor allem, weil ich eine deiner Mägde sein darf.“</ref>“ | ||
{{S|14}} Boas sagte zu ihr zur Essenszeit: „Komm hierher (Boas sagte zur ihr: „Komm zur Essenszeit hierher“<ref>''Boas sagte zu ihr: „Komm zur Essenszeit hierher“'' - so löst nur Holmstedt 2010 (gegen die Akzentuation der Masoreten) auf - „weil die masoretischen Akzente Prosodie und nicht Syntax markieren“ (S. 132). Aber Prosodie geht ja mit Syntax Hand in Hand; nach der masoretischen Akzentuation hat man doch nach der Primärübersetzung zu deuten.</ref>)! Iss von dem Brot und tunke deinen Brocken in den Essig<ref>''Essig'' - Weinessig; aus dem rabbinischen Schrifttum geht das deutlich hervor (vgl. Löw 1928, S. 102ff; auch Dalman 1933, S. 18; Dalman 1935, S. 388). Davon, dass Erntearbeiter bei Hitze ihr Brot in Essig tunken, sprechen auch LevR 34,8, da dieser „bei Hitze geeignet“ sei (Shabbat 113b; zitiert nach Zakovitch 1999, S. 120f).</ref>!“ - Also setzte sich sich an die Seite der Schnitter, er reichte<ref>''reichte'' - Bed. unsicher (-> Hapax legomenon). Offenbar verwandt sind das mischnahebräische Wort für „Henkel“, das akkadische Wort für „festhalten, greifen“ und das ugaritische Wort für „Zange“; vermutlich bezieht sich das Wort also auf den Akt des Greifens und Weiterreichens (vgl. z.B. Zakovitch 1999, S. 121).</ref> ihr Röstkorn<ref>''Röstkorn'' - Über dem Feuer geröstete Getreidekörner; ein im Alten Orient (und noch heute) verbreiteter Snack.</ref>, sie aß, wurde satt und lies übrig. | {{S|14}} Boas sagte zu ihr zur Essenszeit: „Komm hierher (Boas sagte zur ihr: „Komm zur Essenszeit hierher“<ref>''Boas sagte zu ihr: „Komm zur Essenszeit hierher“'' - so löst nur Holmstedt 2010 (gegen die Akzentuation der Masoreten) auf - „weil die masoretischen Akzente Prosodie und nicht Syntax markieren“ (S. 132). Aber Prosodie geht ja mit Syntax Hand in Hand; nach der masoretischen Akzentuation hat man doch nach der Primärübersetzung zu deuten.</ref>)! Iss von dem Brot und tunke deinen Brocken in den Essig<ref>''Essig'' - Weinessig; aus dem rabbinischen Schrifttum geht das deutlich hervor (vgl. Löw 1928, S. 102ff; auch Dalman 1933, S. 18; Dalman 1935, S. 388). Davon, dass Erntearbeiter bei Hitze ihr Brot in Essig tunken, sprechen auch LevR 34,8, da dieser „bei Hitze geeignet“ sei (Shabbat 113b; zitiert nach Zakovitch 1999, S. 120f).</ref>!“ - Also setzte sich sich an die Seite der Schnitter, er reichte<ref>''reichte'' - Bed. unsicher (-> Hapax legomenon). Offenbar verwandt sind das mischnahebräische Wort für „Henkel“, das akkadische Wort für „festhalten, greifen“ und das ugaritische Wort für „Zange“; vermutlich bezieht sich das Wort also auf den Akt des Greifens und Weiterreichens (vgl. z.B. Zakovitch 1999, S. 121).</ref> ihr Röstkorn<ref>''Röstkorn'' - Über dem Feuer geröstete Getreidekörner; ein im Alten Orient (und noch heute) verbreiteter Snack.</ref>, sie aß, wurde satt und lies übrig. | ||
− | {{S|15}} Dann stand sie auf, um zu sammeln (begann sie, zu sammeln)<ref name="V. 15">''stand sie auf, um zu sammeln (begann sie, zu sammeln)'' + ''Auch zwischen den Ährenbündeln darf sie sammeln, und ihr dürft (auch, [wenn] sie zwischen den Ährenbündeln sammelt, dürft ihr)'' - Die meisten Ausleger sehen in diesem Satz eine besondere Bevorzugung Ruts durch Boas: Normalerweise sei es Nachlesern nicht erlaubt, zwischen den Ährenbündeln zu sammeln; Boas aber erlaubt es ihr nicht nur, sondern verbietet sogar seinen Erntehelfern, sie dafür zu tadeln, deshalb macht Boas Rut auch dieses besondere Zugeständnis, als sie gerade aufsteht und noch in Hörweite ist. Wahrscheinlich ist es aber überhaupt keine besondere Bevorzugung, zwischen den Ähren Nachlese halten zu dürfen (s. Anmerkungen) und die besondere Bevorzugung besteht nur im Verbot des Tadelns. In diesem Falle sollte man nach den beiden alternativen Auflösungen deuten (zur Auflösung von „stand auf, um“ als „begann, zu“ vgl. bes. Dobbs-Allsopp 1995). Zumindest syntaktisch deutet so auch VUL: „Auch, wenn sie zusammen mit euch ernten will, dürft ihr es ihr nicht verbieten“ (auch EÜ; Niccacci 1995, S. 87f), und auch Midrasch Suta sieht im Verbot des Tadels die besondere Bevorzugung: „Schätzt sie nicht gering, da sie eine Königstochter ist, und scheltet nicht mit ihr, noch lasset sie verletzende Worte hören, sondern lasst sie, ohne sie zu beschämen, zwischen den Garben Ähren auflesen!“ (Üs. nach Hartmann 1901, S. 49).</ref>. Und Boas befahl seinen Jungen {indem er sagte}<ref name="Redeeinleitung" />: „Auch zwischen den Ährenbündeln darf sie sammeln, und ihr dürft (auch, [wenn] sie zwischen den Ährenbündeln sammelt, dürft ihr)<ref name="V. 15" /> sie nicht beschimpfen (beschämen, verletzen)! | + | {{S|15}} Dann stand sie auf, um zu sammeln (begann sie, zu sammeln)<ref name="V. 15">''stand sie auf, um zu sammeln (begann sie, zu sammeln)'' + ''Auch zwischen den Ährenbündeln darf sie sammeln, und ihr dürft (wenn/auch, [wenn] sie zwischen den Ährenbündeln sammelt, dürft ihr)'' - Die meisten Ausleger sehen in diesem Satz eine besondere Bevorzugung Ruts durch Boas: Normalerweise sei es Nachlesern nicht erlaubt, zwischen den Ährenbündeln zu sammeln; Boas aber erlaubt es ihr nicht nur, sondern verbietet sogar seinen Erntehelfern, sie dafür zu tadeln, deshalb macht Boas Rut auch dieses besondere Zugeständnis, als sie gerade aufsteht und noch in Hörweite ist. Wahrscheinlich ist es aber überhaupt keine besondere Bevorzugung, zwischen den Ähren Nachlese halten zu dürfen (s. Anmerkungen) und die besondere Bevorzugung besteht nur im Verbot des Tadelns. In diesem Falle sollte man nach den beiden alternativen Auflösungen deuten (zur Auflösung von „stand auf, um“ als „begann, zu“ vgl. bes. Dobbs-Allsopp 1995). Zumindest syntaktisch deutet so auch VUL: „Auch, wenn sie zusammen mit euch ernten will, dürft ihr es ihr nicht verbieten“ (auch EÜ; Niccacci 1995, S. 87f), und auch Midrasch Suta sieht im Verbot des Tadels die besondere Bevorzugung: „Schätzt sie nicht gering, da sie eine Königstochter ist, und scheltet nicht mit ihr, noch lasset sie verletzende Worte hören, sondern lasst sie, ohne sie zu beschämen, zwischen den Garben Ähren auflesen!“ (Üs. nach Hartmann 1901, S. 49).</ref>. Und Boas befahl seinen Jungen {indem er sagte}<ref name="Redeeinleitung" />: „Auch zwischen den Ährenbündeln darf sie sammeln, und ihr dürft (wenn/auch, [wenn] sie zwischen den Ährenbündeln sammelt, dürft ihr)<ref name="V. 15" /> sie nicht beschimpfen (beschämen, verletzen)! |
{{S|16}} | {{S|16}} |
Version vom 23. Februar 2015, 11:40 Uhr
Syntax ungeprüft
Lesefassung (Rut 2)
(kommt später)Studienfassung (Rut 2)
1 Noomi hatte einen Verwandten (Bekannten)〈a〉 ihres Mannes; einen mächtigen, fähigen Mann〈b〉 aus der Sippe Elimelechs〈c〉. Sein Name war: Boas (in ihm ist Kraft, der Scharfsinnige)〈d〉.
2 Rut, die Moabiterin, sagte zu Noomi: „Ich würde [gerne] aufs Feld〈e〉 gehen〈f〉 und an den Ähren mitlesen〈g〉 hinter dem [her], in dessen Augen ich Gefallen finde〈h〉.“ Sie sagte zu ihr: „Geh, meine Tochter!“〈i〉
3 [Also] ging und kam〈j〉 und sammelte sie hinter den Schnittern an den Ähren mit.([Und das kam so: ])〈k〉
Zufällig geriet sie〈l〉 auf das Feldstück〈e〉 des Boas, der aus der Sippe des Elimelech [war].
4 Und, siehe da: Da kam [auch schon]〈m〉 Boas von Betlehem [her]. Er sagte zu den Schnittern: „JHWH [sei] mit euch!“ Und sie sagten zu ihm: „Es segne dich JHWH!“〈n〉 5 Und Boas sagte zu seinem Jungen (Angestellten)〈o〉, der über die Schnitter gestellt war: „[Zu] wem [gehört]〈p〉 dieses Mädchen?“ 6 Der Junge, der über die Schnitter gestellt war, antwortete: „Ein moabitisches Mädchen [ist] diese, welches mit Noomi zurückgekehrt ist aus {dem Gebiet} (von den Feldern von) Moab〈q〉.〈r〉 7 Sie hat gesagt: ‚Ich würde [gerne] lesen〈f〉 und bei den Ährenbündeln (in Ährenbündeln, zu Ährenbündeln, {bei den Ährenbündeln}?, Halme?)〈s〉 hinter den Schnittern [her] sammeln.‘ Und (Also) sie kam und blieb (stand, las Ähren?, kam {und blieb}?)〈t〉 vom Morgen bis gerade eben; (bis jetzt, dieses/diese/jetzt/hier/hierher)〈t〉 ihr Sitzen (sie macht Pause?, sie kehrt zurück?, ihr Besitz?)〈t〉 im Haus (das Haus, nach Hause?, das/auf dem Feld?)〈t〉 [ist (währt)] [erst] seit Kurzem.“
8 Und Boas sagte zu Rut: „Höre, meine Tochter:〈u〉 Gehe nicht (du musst nicht gehen) zum Sammeln auf ein anderes Feld und ziehe auch nicht fort (du musst nicht fortziehen) von hier, sondern hänge dich hier (so:) an meine Mädchen (bleibe hier bei meinen Mädchen, du darfst bleiben).〈v〉 9 Deine Augen [seien] auf das Feld [gerichtet], das sie abernten〈w〉. Gehe hinter ihnen (zusammen mit ihnen)〈x〉. [Hiermit] befehle ich meinen Jungen〈u〉, dich nicht anzurühren (anzugreifen, mit dir keinen Geschlechtsverkehr zu haben)? Und wenn du Durst hast, gehe zu den Gefäßen und trinke von dem, was [auch] die Jungen schöpfen!“ 10 Da warf sie sich auf ihr Gesicht und neigte sich erdenwärts〈y〉 und sagte zu ihm: „Warum [nur] habe ich Gefallen in deinen Augen gefunden,〈z〉 so dass du mich [wohlgefällig] ansiehst, obwohl ich Ausländerin [bin]?“ 11 Boas anwortete {und sagte zu}〈aa〉 ihr: „Berichtet {berichtet}〈ab〉 wurde mir alles, was du für deine Schwiegermutter nach dem Tod deines Mannes getan hast〈ac〉: [dass] du deinen Vater und deine Mutter und das Land deiner Geburt verlassen hast und zu einem Volk gegangen bist, das du vorher (gestern vorgestern)〈ad〉 nicht kanntest. 12 JHWH vergelte dein Tun und dein Lohn sei voll von JHWH, dem Gott Israels, zu dem (weil) du gekommen bist, um unter seinen Flügeln Schutz zu suchen (um dich unter seinen Gewandzipfeln zu bergen)〈ae〉!“ 13 Sie antwortete: „Möge ich in deinen Augen Gefallen finden〈af〉, mein Herr〈ag〉, weil du mich getröstet und weil du zum Herzen deiner Sklavin〈ag〉 gesprochen hast〈ah〉. Bin ich nicht [nur] wie eine deiner Sklavinnen!?〈ai〉“ 14 Boas sagte zu ihr zur Essenszeit: „Komm hierher (Boas sagte zur ihr: „Komm zur Essenszeit hierher“〈aj〉)! Iss von dem Brot und tunke deinen Brocken in den Essig〈ak〉!“ - Also setzte sich sich an die Seite der Schnitter, er reichte〈al〉 ihr Röstkorn〈am〉, sie aß, wurde satt und lies übrig. 15 Dann stand sie auf, um zu sammeln (begann sie, zu sammeln)〈an〉. Und Boas befahl seinen Jungen {indem er sagte}〈aa〉: „Auch zwischen den Ährenbündeln darf sie sammeln, und ihr dürft (wenn/auch, [wenn] sie zwischen den Ährenbündeln sammelt, dürft ihr)〈an〉 sie nicht beschimpfen (beschämen, verletzen)!
Anmerkungen
a | Textkritik: Verwandten (Bekannten) - beide Varianten finden sich in der Überlieferung des heb. Textes; u.a. haben Ketiv und LXX „Bekannter“ und Qere und VUL „Verwandter“. Die Bedeutung ist also entweder „Noomi war über ihren Ehemann mit einem Mann verwandt“ oder „Noomi war über ihren Ehemann mit einem Mann bekannt“. Fast alle - und deshalb auch wir - folgen der Variante „Verwandter“, aber man sollte doch fragen, was denn dann der Mehrwert des folgenden „er war aus der Sippe Elimelechs“ wäre. Auch lässt sich gerade wegen dieses Nachsatzes ein sekundäres Entstehen der Variante „Verwandter“ sehr viel besser erklären als der Variante „Bekannter“, und schließlich würde „Bekannter“ auch strukturell gut Sinn machen, da Boas im Verlauf des Kapitels verwandtschaftlich immer näher an Rut und Noomi heranzurücken scheint (1a: Bekannter => 1b: aus der Sippe Elimelechs => 20a: Verwandter => 20b: Goel (d.h. maximal um eine Ecke verwandt)), bis er in Rut 4,3 dann sogar als „unser Bruder“ bezeichnet wird und ihm Goel- und Schwagerehenpflichten und -rechte zugesprochen werden (s. dort), was dann der Knackpunkt des ganzen Kapitels sein wird. (Zurück zu v.1) |
b | mächtiger, fähiger Mann - W. isch („Mann“) gibbor („heldenhaft, stark, mächtig“) chajil („stark/fähig/wohlhabend“). Häufiger stehender Ausdruck, der fast stets für „mächtige Krieger“ steht. Weil das an unserer Stelle nicht gut in den Kontext passt, geht man meist entweder nicht von diesem stehenden Ausdruck aus, sondern von seinen einzelnen Bestandteilen, ignoriert dann auch noch häufig das gibbor und macht Boas so zu einem „(sehr) wohlhabenden/angesehenen(? - vielleicht eine Umdeutung von „heldenhaft“?) Mann“ (so z.B. ELB, FREE, H-R, LUT, MEN, NeÜ, SLT, TAF, van Ess, ZÜR), oder man leitet aus 1 Sam 9,1 und 2 Kön 15,20 ab, dass die Wendung isch gibbor chajil auch für reiche Grundbesitzer stehen könne (so viele Kommentare, auch EÜ) - dabei ist an keiner der beiden Stellen von Grundbesitz die Rede, und auch wenn es sich dort auf Grundbesitzer beziehen würde, darf man daraus ja nicht ableiten, dass die Wendung deshalb auch „vermögender Grundbesitzer“ bedeutet. Beide Lösungen sind also recht problematisch; vielleicht besser so: Ein isch gibbor chajil zu sein ist im Alten Israel ein stereotyper Bestandteil eines männlichen Tugendkatalogs: König David ist ein solcher, außerdem ist er schön und zudem redegewandt und musikalisch (s. 1 Sam 16,18). Ähnlich ist Kisch ein solcher und sein Sohn Saul ist schön (s. 1 Sam 9,1f). Ähnlich auch Jerobeam, der außerdem ein guter Handwerker ist (1 Kön 11,28) und Naaman, der außerdem von seinem Herrn geschätzt und voll der Ehre ist (s. 2 Kön 5,1); und wohl aus diesem Grund kann es dann in Jes 5,22 sogar metaphorisch-sarkastisch für Trunkenbolde verwendet werden („heldenhafte Weintrinker und mächtige Alkoholmischer“). Vielleicht heißt es an unserer Stelle also nur: „Boas ist ein mächtig starker Typ“, und ein „mächtig starker Typ“ ist nach der verbreiteten Ansicht (/dem literarischen Stereotyp?) zu biblischer Zeit stets ein „mächtiger Krieger“. Sehr wichtig ist in unserem Kontext aber außerdem, dass Boas in Rut 3,11 Rut als eine eschet chajil bezeichnet und sie so mit sich auf eine Stufe stellt; es ist daher sehr zu empfehlen, das Wort an beiden Stellen gleich zu übersetzen. Beides zusammennehmend scheint mir hier „mächtiger, fähiger Mann“ die sinnvollste Übersetzung zu sein. (Zurück zu v.1) |
c | aus der Sippe Elimelechs - „Sippe“ = soziale Größe. Die Keimzelle der altisraelitischen Gesellschaft ist die „Familie“ (wörtl.: das „Haus“). Eine Stufe darüber steht die „Sippe“ - die „Großfamilie“ -, von denen es im Alten Israel etwa 60 Stück gab und von denen jede zu bevölkerungsreichen Zeiten wohl durchschnittlich etwa 10.000 Mitglieder hatte (vgl. Andersen 1969, S. 35). Noch eine Stufe darüber stehen die „zwölf Stämme“ (vgl. näher Verwandschaft (AT) (Wibilex)). Dass Boas aus der „Sippe“ Elimelechs stammt, heißt also, dass sie irgendwie verwandt sind; über den Grad der Verwandtschaft sagt es erst mal nichts. Erwähnenswert ist noch, dass Boas in diesem ersten Vers zweimal über Elimelech ausschließlich der Noomi zugeordnet wird; am Ende des Kapitels (V. 20) dagegen wiederum doppelt ohne die Zwischenschaltung Elimelechs sowohl Noomi als auch Rut - was gut zum in FN a erwähnten verwandschaftlich-näher-Heranrücken des Boas an die beiden Frauen passt. (Zurück zu v.1) |
d | Boas (der Kraftvolle, der Scharfsinnige) - ein weiterer Name mit umstrittener Bedeutung. Die meisten deuten als bo az/oz („in ihm [ist] Kraft“), was sehr gut zu seiner Charakterisierung als isch gibbor chajil passt (s. FN b); vorgeschlagen wurde aber auch eine Ableitung vom arabischen barzun („Geistesstärke“), so z.B. Noth 1928, S. 228. Interessant in unserem Kontext ist vielleicht noch, dass vergleichbare Namen in Moab sehr verbreitet waren (vgl. z.B. die Namensliste in Snyder 2010, S. 669). (Zurück zu v.1) |
e | Feld (V. 2), Feldstück (V. 3) - „Feld“: Das gesamte Ackerland um Betlehem herum, im Unterschied zum „Feldstück“, das nur den Anteil des Boas an diesem gesamten Ackerland bezeichnet (vgl. z.B. Köhlmoos 2010, S. 31). (Zurück zu v.2 / zu v.3) |
f | Ich würde [gerne] gehen (V. 2) + Ich würde [gerne] lesen (V. 7) - W. „Ich will gehen/lesen-na´“ / „Lass mich gehen/lesen-na´“. na´ ist ein sog. „Höflichkeitsmarker“ (vgl. bes. Wilt 1996; z.St. auch Holmstedt 2010, S. 106); die vorgeschlagene Übersetzung trifft den Tonfall von Ruts Äußerung daher wesentlich besser. (Zurück zu v.2 / zu v.7) |
g | tFN: an den Ähren mitlesen: Nicht „in den Ähren lesen“; die Präposition b- hat hier die Funktion eines „Beth comitatus“: an den Ähren mit-lesen (so z.B. Gerleman 1965, S. 23; Zenger 1986, S. 55). Zum Ährenlesen s. näher die Anmerkungen. (Zurück zu v.2) |
h | hinter dem her, in dessen Augen ich Gefallen finde - häufige geprägte Wendung im Heb., die noch zwei weitere Male in diesem Kapitel kommen wird und jedes Mal anders zu übersetzen ist (s.u.). Hier drückt es aus, dass Rut für ihr Nachlesen des Wohlgefallens eines Mannes bedarf (s. die Anmerkungen). Sehr gut daher EÜ: „Ähren lesen, wo es mir jemand erlaubt“; ähnlich de Waard/Nida 1992, S. 22; H-R, HER05, HfA, MEN, NeÜ, NL, OEB. Noch treffender GN: „Ich finde schon jemand, der freundlich zu mir ist und es mir erlaubt.“, PAT: „bei jemand, der es mir freundlich erlaubt“ (Zurück zu v.2) |
i | Geh, meine Tochter! muss frei übersetzt werden. Das Hebräische hat kein Wort für „Ja“; Zustimmung wird daher ausgedrückt, indem eine vorige Äußerung teilweise wieder aufgegriffen wird (hier also: „Ich würde gerne gehen“ - „Geh!“; vgl. bes. Greenstein 1989, S. 53). Noomis Antwort klingt daher wörtlich übersetzt wesentlich knapper und harrscher, als sie eigentlich ist (vgl. z.B. etwas unglücklich EÜ: „Geh, Tochter!“). Besser de Waard/Nida 1992, S. 22; T4T: „Go ahead!“ (=„Mach das“); GN, NeÜ, MEN, NL: „Geh nur, meine Tochter“. Am besten HfA: „‚Ja‘, antwortete Noomi, ‚geh nur!‘“ (Zurück zu v.2) |
j | ging und kam - Zu „ging und kam und...“ s. bes. noch 2 Sam 11,22: „Der Bote ging und kam und sagte David alles“. Es gibt noch viele ähnliche Stellen in der Bibel: Wenn im Hebräischen von einer Reise berichtet wird, kann der „Reisebericht“ häufig in die beiden „Reise-Episoden“ „(Fort)gehen“ und „Ankommen“ aufgesplittet werden. Oft dient diese Stileigentümlichkeit des Heb. zusätzlich dazu, einen Aspekt der Reise näher zu spezifizieren; z.B. die Reisegruppenkonstellation (Ri 13,11; 1 Sam 28,8; 30,9), den Reiseanlass (1 Sam 17,20; 1 Kön 19,3), den Reisemodus (1 Sam 19,18; 2 Sam 17,18; 1 Kön 20,43) oder nähere Angaben zu Ort (1 Sam 19,22; 1 Kön 17,10) und Zeit (2 Sam 4,5). Aber ebenso häufig - und wichtiger für unsere Stelle - ist, dass diese Stileigentümlichkeit ohne eine derartige Spezifizierung dann angewandt wird, wenn ausgedrückt werden soll, dass die Reise etwas länger dauert (Num 13,26; Jos 2,1; Ri 19,10; 1 Kön 14,17; 2Kön 4,25; 8,14; vgl. außerdem noch die Botenauftragsformel „Geh, komm!“ in 2 Kön 5,5; Jes 22,15; Ez 3,4.11). So ist wohl auch unsere Stelle zu verstehen: Rut sammelt nicht auf dem erstbesten Feldstück bei der Stadt, sondern „sie ging und kam“ soll ausdrücken, dass das das Feld etwas abseits liegt und sie eine längere Strecke dorthin zurücklegen musste - und umso größer ist der Zufall, dass es dann gerade das Feldstück des Boas ist, auf das sie gerät. So haben es wohl außerdem schon LXX, Syr und VUL verstanden, die einfach nur mit „sie ging“ übersetzen. (Zurück zu v.3) |
k | ([Und das kam so: ]) - Hier müssen wir zu einer unwahrscheinlicheren der möglichen Deutungen greifen, weil wir nach den SF-Kriterien in V. 7 zu einer etablierten Verlegenheitsübersetzung greifen müssen (s. dort): Der Satz ist als einfache Aussage zu lesen, der den Beginn von Ruts Nachlesetätigkeit angibt. Eigentlich wahrscheinlicher: Gar nicht selten finden sich in der Bibel sogenannte „proleptische Summarien“, d.h. Sätze, die nicht eigentlich zur „story“ gehören, sondern zusammenfassend eine folgende Handlung vorwegnehmen (vgl. bes. Ska 1995). Ein solches proleptisches Summarium ist auch „Also ging und kam und sammelte sie hinter den Schnittern an den Ähren mit“: V. 8 legt sehr nahe, dass Rut ihre Nachleseerlaubnis erst von Boas bekommt, sonst wäre sowohl ihre euphorische Reaktion in V. 10 als auch Boas Rede davon, dass Rut auf ein anderes Feld weiterziehen würde, ganz unverständlich; und folgerichtig identifiziert sie in Vv. 10.13 als „den, in dessen Augen sie Gefallen findet“, ja nicht den Aufseher, sondern gleich zwei Mal Boas (so z.St. auch wieder Ska 1995, S. 324; auch Campbell 1975, S. 93; Hubbard 1988, S. 149, Ska 2003, S. 55). Aber da wir nach den SF-Kriterien V. 7 so auffassen müssen, dass Rut schon vor Boas´ Nachleseerlaubnis in V. 8 gesammelt hat, ist diese Deutung hier für unsere Übersetzung nicht gangbar. (Zurück zu v.3) |
l | Zufällig geriet sie - unübersetzbare Figura etymologica: „Es fügte sich ihre Fügung“, „es zufällte ihr Zufall“. Wie schon das „sie ging und kam“ unterstreicht diese F.E. den großen Zufall, der zum Zusammentreffen Ruts und Boas führt. Das folgende Wort „Stück“ in „Feldstück“ hat auch die Bedeutung „Los, Schicksal“, was dies noch zusätzlich unterstreicht - man müsste beinahe übersetzen: „Ihr Zufall zufällte das dem Boas zugefallene Feld“. (Zurück zu v.3) |
m | Und, siehe da: Da kam [auch schon] - W. „Und siehe, es [war] kommend Boas...“. „Und siehe“ markiert das im Folgenden Geschilderte als überraschend; „und siehe“ + Partizip drückt oft aus, dass überraschenderweise „genau das richtige passiert“ (Campbell 1975, S. 93; ebenso z.B. Berlin 1994, S. 92f). Ein weiterer Zufall also, der zum Zusammentreffen von Rut und Boas führt. (Zurück zu v.4) |
n | JHWH [sei] mit euch! + Es segne dich JHWH - Keine auffallend frommen Grüße, sondern stereotypisierte Grußformeln, die noch heute in manchen semitischen Sprachen gebräuchlich sind; vergleichbar etwa dem Dt. „Gott zum Gruß“ - „Grüß Gott!“ (urspr. Bedeutung: „Gott segne dich“). Dass es sich hier „nur“ um stereotype Formeln handelt, sieht man z.B. auch daran, dass Syr frei mit einer weiteren, anderen gängigen Grußformel übersetzt („Friede sei mit euch“); auch Mischna Berakhot 9,5 leitet aus dieser Stelle ab, dass man „seinem Gefährten Frieden im Namen des Herrn wünschen sollte“, was sich ebenfalls auf eine andere heb. Grußformel bezieht: Schalom („Friede!“). VUL übrigens übersetzt: Dominus vobiscum, und auf diese Übersetzung geht der deutsche Gruß „Der Herr sei mit euch“ zurück, wie er noch heute z.B. in der katholischen Liturgie gebräuchlich ist - etwas unglücklich vielleicht, da, wie gesagt, in hebräischen Ohren dies „JHWH mit euch“ nicht viel frommer oder fremder klang als in deutschen Ohren ein „Grüß Gott“. Man sollte hier aber dennoch nicht zu frei übersetzen: Das Rutbuch ist ein „Segensbuch“, in dem fortwährend gesegnet wird - s. eben hier; Rut 2,19.20; Rut 3,10; ähnlich auch die Segenswünsche in Rut 1,8f; Rut 2,12; Rut 4,11f - und auffallend in diesem Kontext ist, dass Boas gerade nicht sagt: „JHWH segne euch“, sondern „JHWH sei mit euch“: Das Wort „segnen“ ist im Rutbuch ausschließlich Rut (3,10) und Boas (2,4; 2,19f) vorbehalten; ähnlich, wie z.B. auch nur diese beiden als chajil bezeichnet werden - zumindest die Vokabel „segnen“ sollte in der Übersetzung also schon erkennbar sein. Zudem ist es „nicht müssig“ (Bertholet 1898, S. 60), dass von allen zur Verfügung stehenden Grußformeln gerade diese beiden verwendet werden: Auf diese Weise ist das erste und das letzte Wort dieses nur vier Wörter langen Dialogs „JHWH“, was die Erntegemeinschaft ganz deutlich als Gemeinschaft von JHWH-Verehrern charakterisiert. Auf ganz bescheidene Weise erfährt Rut mit ihrer Aufnahme in diese Erntegemeinschaft also schon hier eine Aufnahme in die „Gemeinde des Herrn“ (s. die Anmerkungen zu Rut 1). Gut daher die Übersetzungsempfehlung von de Waard/Nida 1992, S. 27, beide Formeln zu belassen und mit einem „begrüßen“ einzuleiten: „Boas grüßte seine Arbeiter, indem er sagte: ‚JHWH sei mit euch!‘ - und die Arbeiter grüßten zurück: ‚JHWH segne dich!‘“ (ähnlich z.B. GN, H-R, HfA, NeÜ, NL, T4T). (Zurück zu v.4) |
o | Junge (Angestelltem) - W. „Junge“, doch bezeichnet das Wort hier wie oft recht sicher das Dienstverhältnis (für angestellte Feldarbeiter auch in Ijob 1,5). Ob es sich dabei um Knechte oder Lohnarbeiter handelt, ist zunächst nicht zu erschließen; aber da Boas zunächst auch Rut mit diesen „Jungen“ und „Mädchen“ in einen Topf zu werfen scheint, können wir mutmaßen, dass es sich bei dem „Jungen, der über die Schnitter gestellt war“, wohl um jemanden wie den „Verwalter“ in Mt 20,8; Lk 12,42 handelt und dass dieser in Abwesenheit seines Herrn weitere „Jungen“ und „Mädchen“ - nämlich Lohnarbeiter - einstellen konnte, die Boas daher auch nicht kennen musste. (Zurück zu v.5) |
p | [Zu] wem [gehört] - W. „Wem [ist] dieses Mädchen?“. Dass Rut sich hier über Ruts Verhältnis zu ihren Familienangehörigen nach ihrer Identität erkundigt (also nicht einfach fragt: „Wer ist das?“), ist ganz gewöhnlich (vgl. z.B. Lande 1949, S. 79: „Nicht in der Frage nach dem eigennamen dürfen wir daher die allgemeine Erkundigungsformel erblicken, sondern in der viel häufigeren nach der Familienzugehörigkeit.“); das kommunikativere Äquivalent dafür ist doch einfach „Wer ist das Mädchen da?“ (gegen de Waard/Nida 1992, S. 28; so auch BFC, GNB, GW, MSG, NIRV, NLT, Wycliffe). (Zurück zu v.5) |
q | Zu aus { |
r | Die Antwort des Verwalters wird gerahmt von der Betonung des Moabitertums Ruts; in „Ein moabitisches Mädchen [ist] diese“ ist „moabitisches Mädchen“ zudem emphatisch vorangestellt. Es ist wohl auch wirklich relevant, denn Ruts Mobitertum beißt sich mit ihrer Bitte, Nachlese halten zu dürfen (s. Anmerkungen); weshalb der Verwalter es dann eben auch doppelt hervorhebt. (Zurück zu v.6) |
s | bei den Ährenbündeln (in Ährenbündeln, zu Ährenbündeln, { |
t | Das Ende von V. 7 ist der schwierigste Satz im Rutbuch. Im Folgenden werden einige der besseren Lösungsvorschläge erklärt, doch keiner dieser Vorschläge ist ganz unproblematisch. In der LF wird daher nach SF-Kriterium 1a eine unauffällige, gut etablierte Übersetzung verwendet werden müssen; die Mischung aus am besten vertretbar und am etabliertesten ist: „Sie kam und ist dageblieben; von heute morgen bis gerade eben hat sie [nur] kurz Pause gemacht“ (so oder ähnlich EÜ, GN, H-R, HfA, LUT, MEN, NeÜ, NL, R-S, TAF, ZÜR).
Wörtlich übersetzt lautet der Text etwa: „Und-sie-ist-gekommen und-geblieben von dem-Morgen bis-jetzt/gerade eben, dieses/
Basierend auf diesen Optionen lassen sich aus dem Text folgene Situationen rekonstruieren:
|
u | Höre, meine Tochter: (V. 8) + Hiermit befehle ich meinen Jungen... (V. 9) - W. „Hörst du nicht, meine Tochter!?,...“ + „Habe ich nicht meinen Jungen befohlen...?“, doch rhetorische Fragen werden im Hebräischen auch häufig als Ausrufesätze verwendet (vgl. z.B. Driver 1973). So auch viele Üss, auch Campbell 1975, S. 85f.; Holmstedt 2010, S. 118; Hubbard 1988, S. 154; Köhlmoos 2010, S. 30; Loretz 1963, S. 50; Sasson 1979, S. 49. Eine Übersetzung mit „Lass mich dir einen Rat geben: ...“ (so z.B. de Waard/Nida 1992, S. 26; GN, HfA) ist nicht zu empfehlen: Erstens ist der Aufruf zum Zuhören im Hebräischen eine stereotype Formel, um ein Gespräch oder im Verlauf dieses Gesprächs eine Instruktion einzuleiten (s. z.B. Gen 23,6.8.11.15; schön auch 2 Sam 20,17); zweitens trifft dies hier eher nicht den Sinn von Boas Äußerung, die doch wohl kein Verbot ist, auf ein anderes Feld zu gehen, sondern eine Erlaubnis, hierbleiben zu dürfen (s. die Übersetzungsalternativen). Besser: „Hör mal, meine Tochter:...“ (Zurück zu v.8 / zu v.9) |
v | Auffallender Stilbruch: Boas sagt hier gleich drei Mal das selbe; ein starker Kontrast zu seinen beiden Zwei-Wort-Sätzen in Vv. 4.5. Erwähnenswert ist noch ein neuer Interpretationsvorschlag von Müller 2013: „weggehen“ steht mit der Negationspartikel ´al, „fortziehen“ dagegen mit der Negationspartikel lo´. Weil solche Verneinungen mit ´al häufig entweder für Verbote oder für zeitlose moralische Prinzipien verwendet werden (s. FN ba zu Ob 12-14), folgt Müller Syr und fasst den ersten Satz als ein Sprichwort auf: „Hast du nicht [das Sprichwort] gehört: ‚Man gehet nicht auf eines Andren Felde sammeln‘? - Demnach willst [wohl] auch nicht von hier fortziehen, [oder]? [Na gut,] dann hänge dich hier an meine Mädchen!“ Das ist eine schöne Interpretation, aber unnötig: ´al und lo´ werden noch häufiger derart austauschbar nebeneinander verwendet (s. z.B. Ex 23,1; Lev 10,6; 11,43; 1 Kön 20,8; Spr 22,24). (Zurück zu v.8) |
w | das sie abernten - „sie“: maskulin, also die männlichen Erntearbeiter. (Zurück zu v.9) |
x | ihnen: feminin. Entweder also die weiblichen Ährenbündel-binderinnen, dann „folge ihnen“, oder die anderen Frauen, die Nachlese halten; dann „gehe an ihrer Seite“ (zu ´achar als „(zusammen) mit“ s. FN aq zu Rut 1,15). Aber der letzte weibliche Referent sind „meine Mädchen“, daher ist die erste Option doch sehr viel wahrscheinlicher. (Zurück zu v.9) |
y | warf sie sich auf ihr Gesicht und neigte sich erdenwärts - eine weitere gebräuchliche Doppelverbformel (s. FNn j. t; zu dieser speziell vgl. Polak 1989, S. 451. Zur Wiedergabe mit „sie warf sich auf ihr Gesicht“ statt „sie fiel...“ vgl. Péter-Contesse 2013, S. 25); ebenso gedoppelt z.B. in Jos 5,14; 1 Sam 25,23; 2 Sam 9,6; 14,22; 2 Chr 20,18; ähnlich 1 Sam 20,41; 2 Sam 14,4. Die Bedeutung ist nur: „Sie verneigte sich“; eine Geste, aus der gleichzeitig Demut und überwältigte Dankbarkeit spricht. Den Verneigungsgestus hat man sich in etwa vorzustellen wie die im Islam übliche Gebetshaltung: Man kniete sich nieder und beugte seinen Kopf zur Erde hinab (vgl. de Waard/Nida 1992, S. 31). Richtig daher MSG: „Sie sank auf ihre Knie und beugte ihr Gesicht zur Erde“ (ähnlich EÜ, T4T), doch stiltreuer wäre einfach „Da warf Ruth sich vor ihm nieder“ (ähnlich z.B. GN, HfA, NeÜ, NL). Am besten NLT: „Da warf sich Ruth ihm zu Füßen nieder und dankte ihm herzlich [besser: rief überwältigt:]“. (Zurück zu v.10) |
z | Gefallen in deinen Augen gefunden ≠ „Wie habe ich das verdient“, sondern „Wie kann das sein, dass du wohlgefällig auf mich blickst - obwohl ich doch Ausländerin bin?“; der letzte Satz ist klar der Gegensatz zu den ersten beiden. Das wird noch zusätzlich betont durch ein unübersetzbares Wortspiel: „... dass du wohlgefällig auf mich blickst und mich beachtest (lähakireni, von nakar „beachten“), obwohl ich doch Ausländerin (nokrijah) bin?“ (Zurück zu v.10) |
aa | { |
ab | Berichtet { |
ac | was du für deine Schwiegermutter nach dem Tod deines Mannes getan hast - Ein „Segens-Update“: Noomi wünscht ihren Töchtern den Segen Gottes für alles, was sie ihr und ihren Ehemännern getan haben (Rut 1,8); Boas nun wünscht Rut Gottes Segen für alles, was sie in der Zwischenzeit, nämlich nach dem Tod ihres Mannes für ihre Schwiegermutter getan hat. (Zurück zu v.11) |
ad | vorher (gestern vorgestern) - W. „gestern vorgestern“; ein Idiom für „vorher, früher“. (Zurück zu v.11) |
ae | unter seinen Flügeln Schutz zu suchen (unter seinen Gewandzipfeln zu bergen) - zur Vorstellung des beflügelten JHWH s. noch Ps 17,8; 36,8; 57,2; 61,5; 63,8; 91,4 - eine geläufige Metapher für JHWH als schützende Gottheit; vergleichbar dem Bild der Schutzmantelmadonna. Allerdings ist nicht leicht verständlich, warum Boas diese Metapher verwenden sollte, denn Rut ist ja gar nicht nach Israel gekommen, um bei JHWH Schutz zu suchen. Vielleicht daher besser so: Ebenfalls geläufig in der Bibel ist die Metapher von JHWH als dem Ehemann des gläubigen Israels, s. Jes 62,4f; Jer 2,2; Jer 16,8; Hos 2, bes. Vv. 2.7.16.19f; so dann auch über Jesus, s. Mk 2,19f; 2 Kor 11,2. Noch häufiger wird der Glaubensabfall metaphorisch als Ehebruch geschildert. Bestandteil dieser Metapher ist die Bekleidung der Braut Israel mit einem Kleidungsstück seines Ehemanns JHWH (wie ja auch in Rut 3,9 der „Mantel, den Boas über Rut decken soll“, sehr sicher ein Symbol für die Heirat ist), s. bes. Ez 16,8 (dazu Kruger 1984); angedeutet wohl auch Jer 2,31f (das Vergessen des Gürtels durch die Braut als Symbol für den „Ehebruch“ Israels mit JHWH). Noch häufiger belegt ist das Gegenteil: Die Strafe für diesen „Ehebruch“ ist das Entkleiden des Ehebrechers Israel, s. Jes 47,2f (vgl. Vv. 8f); Ez 16,39; Hos 2,5.11; Nah 3,4f. Vielleicht ist also kanap hier besser wie in Rut 3,9 als „Gewandzipfel“ und das „Bergen unter diesen Gewandzipfeln“ wie dort als Symbol für die Ehe - nämlich zwischen JHWH und Rut - aufzufassen, die widerum Metapher für Ruts Bekehrung zum Judentum ist (wie die Stelle tatsächlich schon TgRut aufgefasst hat: „JHWH, der Gott Israels, unter dessen glorreicher Schechina Schatten du gekommen bist, um bekehrt und beschützt zu werden.“ (Üs. nach Levine 1973, S. 28)). Ähnlich aber nur Gray 1967, S. 414f. S. dazu außerdem noch die Anmerkungen. (Zurück zu v.12) |
af | Möge ich in deinen Augen Gefallen finden - das dritte Vorkommen dieser Formel; wieder in anderer Bedeutung. Nicht: „[weiterhin] Gefallen finden“ (so viele Üss.); gut erklärt von Ehrlich 1908, S. 163f:
der Sinn ist also eher: „Für diesen Zuspruch danke ich Ihnen, mein Herr - möge ich mich ihm als würdig erweisen (=Gefallen finden in Ihren Augen).“ Als Dankesformel deuten auch HfA, MEN, R-S. (Zurück zu v.13) |
ag | mein Herr + Sklavin(nen) - geläufige Höflichkeitsstrategie: Man spricht von sich und dem Gegenüber nicht als „ich“ und „du“, sondern in der 3. Pers. als „Sklavin“ und „Herr“ (vgl. z.B. Warren-Rothlin 2007, S. 62f.; z.St. auch de Waard/Nida 1992, S. 34; Gray 1967, S. 415). Der Kontrast ist hier besonders stark, da Boas Rut direkt zuvor als „meine Tochter“ angesprochen hat: Rut ist ganz außerordentlich höflich und demütig. Übersetze besser: „Möge ich Gefallen in Ihren Augen finden (dazu s. vorige FN), mein Herr, da Sie mich getröstet und zu meinem Herzen (dazu s. nächste FN) gesprochen haben.“ (zu v.13) |
ah | zum Herzen deiner Sklavin gesprochen hast - Idiom sowohl für „trösten“ (s. noch Gen 50,21; Jes 40,2) als auch für „Mut zusprechen“ (s. noch 2 Sam 19,8; 2 Chr 30,22; 32,6). Wahrscheinlich ist hier beides im Blick (so auch Campbell 1975, S. 100). (Zurück zu v.13) |
ai | Bin ich nicht [nur] wie eine deiner Sklavinnen!? - d.h. „dabei bin ich ja nur wie eine deiner Sklavinnen!“; ein weiteres Mal wird eine rhetorische Frage als Ausrufesatz verwendet (=> Yiqtol; in Fragesätzen wird Yiqtol des Öfteren wie Qatal verwendet; vgl. ähnlich Driver 1973, S. 108). LXX und VUL haben das wohl richtig gesehen und als positiven Aussagesatz übersetzt, LXX aber das Yiqtolverb zu wörtlich mit Futur wiedergegeben. Eine Umpunktierung von lo´ („nicht“) nach lu´ („wahrlich“, so Houbigant 1777, S. 259; Haller 1940, S. 10) ist unnötig; die Deutung als selbstsichere Einschränkung („Ich danke dir, dass du zum Herzen deiner Sklavin gesprochen hast - aber ich werde nicht wie eine deiner Sklavinnen sein!“, so Köhlmoos 2010, S. 30.44; Niccacci 1995, S. 86) macht wenig Sinn. Theoretisch auch möglich: Interpretation des k („wie“) in „wie eine deiner Mägde“ als sog. „asseveratives Kaf“ (für eine ganz ähnliche Stelle s. FN ay zu Ob 11), dann: „und vor allem, weil ich eine deiner Mägde sein darf.“ (Zurück zu v.13) |
aj | Boas sagte zu ihr: „Komm zur Essenszeit hierher“ - so löst nur Holmstedt 2010 (gegen die Akzentuation der Masoreten) auf - „weil die masoretischen Akzente Prosodie und nicht Syntax markieren“ (S. 132). Aber Prosodie geht ja mit Syntax Hand in Hand; nach der masoretischen Akzentuation hat man doch nach der Primärübersetzung zu deuten. (Zurück zu v.14) |
ak | Essig - Weinessig; aus dem rabbinischen Schrifttum geht das deutlich hervor (vgl. Löw 1928, S. 102ff; auch Dalman 1933, S. 18; Dalman 1935, S. 388). Davon, dass Erntearbeiter bei Hitze ihr Brot in Essig tunken, sprechen auch LevR 34,8, da dieser „bei Hitze geeignet“ sei (Shabbat 113b; zitiert nach Zakovitch 1999, S. 120f). (Zurück zu v.14) |
al | reichte - Bed. unsicher (-> Hapax legomenon). Offenbar verwandt sind das mischnahebräische Wort für „Henkel“, das akkadische Wort für „festhalten, greifen“ und das ugaritische Wort für „Zange“; vermutlich bezieht sich das Wort also auf den Akt des Greifens und Weiterreichens (vgl. z.B. Zakovitch 1999, S. 121). (Zurück zu v.14) |
am | Röstkorn - Über dem Feuer geröstete Getreidekörner; ein im Alten Orient (und noch heute) verbreiteter Snack. (Zurück zu v.14) |
an | stand sie auf, um zu sammeln (begann sie, zu sammeln) + Auch zwischen den Ährenbündeln darf sie sammeln, und ihr dürft (wenn/auch, [wenn] sie zwischen den Ährenbündeln sammelt, dürft ihr) - Die meisten Ausleger sehen in diesem Satz eine besondere Bevorzugung Ruts durch Boas: Normalerweise sei es Nachlesern nicht erlaubt, zwischen den Ährenbündeln zu sammeln; Boas aber erlaubt es ihr nicht nur, sondern verbietet sogar seinen Erntehelfern, sie dafür zu tadeln, deshalb macht Boas Rut auch dieses besondere Zugeständnis, als sie gerade aufsteht und noch in Hörweite ist. Wahrscheinlich ist es aber überhaupt keine besondere Bevorzugung, zwischen den Ähren Nachlese halten zu dürfen (s. Anmerkungen) und die besondere Bevorzugung besteht nur im Verbot des Tadelns. In diesem Falle sollte man nach den beiden alternativen Auflösungen deuten (zur Auflösung von „stand auf, um“ als „begann, zu“ vgl. bes. Dobbs-Allsopp 1995). Zumindest syntaktisch deutet so auch VUL: „Auch, wenn sie zusammen mit euch ernten will, dürft ihr es ihr nicht verbieten“ (auch EÜ; Niccacci 1995, S. 87f), und auch Midrasch Suta sieht im Verbot des Tadels die besondere Bevorzugung: „Schätzt sie nicht gering, da sie eine Königstochter ist, und scheltet nicht mit ihr, noch lasset sie verletzende Worte hören, sondern lasst sie, ohne sie zu beschämen, zwischen den Garben Ähren auflesen!“ (Üs. nach Hartmann 1901, S. 49). (zu v.15) |