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Der Tempuswechsel in V. 10b wäre dann ein bedeutungsloser T-Shift (so z.B. de Hoop 2009, S. 458f.; NET) und man müsste davon ausgehen, dass zwischen Vv. 2-8 und Vv. 9-11 eine gewisse Zeitspanne vergangen ist, in der JHWH die Bitte des Psalmisten gewähren konnte (so z.B. Schmidt 1934, S. 11). Aber wesentlich glatter ist es doch, die beiden „Gehört hat“ als Vergangenheit zu fassen und das „Annehmen wird“ als Futur: Der Psalmist hat sein Gebet gesprochen und kann sich nun voll Zuversicht gegen seine Feinde wenden, da er sich sicher sein kann, bald von Gott erhört zu werden (so z.B. Alter 2007; Olshausen 1853; Perowne 1880). Aus diesem Grund ist in Vv. 9b.10a ''schama´'' auch als „gehört“ statt „erhört“ zu fassen (so gut z.B. schon Duhm 1899, S. 22).</ref>:{{par|Psalm|66|19}}{{par|Psalm|118|5}}{{par|Psalm|120|1}}{{par|Psalm|138|3}}{{par|Jesaja|30|19}}{{par|Jesaja|38|15}}{{par|Jona|2|3}}{{par|Jona|2|8}} | Der Tempuswechsel in V. 10b wäre dann ein bedeutungsloser T-Shift (so z.B. de Hoop 2009, S. 458f.; NET) und man müsste davon ausgehen, dass zwischen Vv. 2-8 und Vv. 9-11 eine gewisse Zeitspanne vergangen ist, in der JHWH die Bitte des Psalmisten gewähren konnte (so z.B. Schmidt 1934, S. 11). Aber wesentlich glatter ist es doch, die beiden „Gehört hat“ als Vergangenheit zu fassen und das „Annehmen wird“ als Futur: Der Psalmist hat sein Gebet gesprochen und kann sich nun voll Zuversicht gegen seine Feinde wenden, da er sich sicher sein kann, bald von Gott erhört zu werden (so z.B. Alter 2007; Olshausen 1853; Perowne 1880). Aus diesem Grund ist in Vv. 9b.10a ''schama´'' auch als „gehört“ statt „erhört“ zu fassen (so gut z.B. schon Duhm 1899, S. 22).</ref>:{{par|Psalm|66|19}}{{par|Psalm|118|5}}{{par|Psalm|120|1}}{{par|Psalm|138|3}}{{par|Jesaja|30|19}}{{par|Jesaja|38|15}}{{par|Jona|2|3}}{{par|Jona|2|8}} | ||
− | {{S|11}} All meine Feinde werden sich schämen (zunichte werden)<ref name="V 11">''sich schämen (zunichte werden)'' + ''erschrecken (vergehen)'' + ''umkehren (von mir ablassen, wieder?, sterben?)'' - Wortspiel im Hebräischen: Die Wörter für „schämen“, „erschrecken“ und evt. auch „zurückweichen“ (dazu vgl. Dahood 1965, S. 39; s. noch [[Ijob 1#s21 |Ijob 1,21]]; [[Ijob 30#s23 |30,23]]; [[Ijob 34#s15 |34,15]]; [[Psalm 9#s18 |Ps 9,18]]; [[Prediger 3#s20 |Pred 3,20]]; [[Pred 12#s7 |12,7]] - doch nie (wie hier) ohne Ortsangabe) treffen sich in der sekundären Bedeutung „sterben“; es scheint also, als habe die Erhörung des Psalmisten durch Gott die Vernichtung der Feinde zur Folge (vgl. z.B. die Üs. von Achenbach 2004, S. 584: „Zuschanden und zerstieben gar sehr werden all meine Feinde“). S. dazu noch die Anmerkungen.<br />''umkehren'': Gemeint ist wohl: Von mir ablassen und gleich einem geschlagenen Heer abziehen. Theoretisch ließe es sich außerdem mit „wieder“ übersetzen: „Sie werden sich plötzlich wieder schämen“ (so z.B. Duhm 1899), doch das ist unwahrscheinlich. Nicht: „beschämt umkehren“; im verbalen Hendiadyoin spezifiziert das erste das zweite Verb, nicht aber umgekehrt.</ref> und sehr erschrecken (vergehen)<ref name="V 11" />,{{par|Psalm|2|5}}{{par|Psalm|35|26}}{{par|Psalm|40|15|16}}{{par|Psalm|83|17|18}}<br /> | + | {{S|11}} All meine Feinde werden (sollen) sich schämen (zunichte werden)<ref name="V 11">''sich schämen (zunichte werden)'' + ''erschrecken (vergehen)'' + ''umkehren (von mir ablassen, wieder?, sterben?)'' - Wortspiel im Hebräischen: Die Wörter für „schämen“, „erschrecken“ und evt. auch „zurückweichen“ (dazu vgl. Dahood 1965, S. 39; s. noch [[Ijob 1#s21 |Ijob 1,21]]; [[Ijob 30#s23 |30,23]]; [[Ijob 34#s15 |34,15]]; [[Psalm 9#s18 |Ps 9,18]]; [[Prediger 3#s20 |Pred 3,20]]; [[Pred 12#s7 |12,7]] - doch nie (wie hier) ohne Ortsangabe) treffen sich in der sekundären Bedeutung „sterben“; es scheint also, als habe die Erhörung des Psalmisten durch Gott die Vernichtung der Feinde zur Folge (vgl. z.B. die Üs. von Achenbach 2004, S. 584: „Zuschanden und zerstieben gar sehr werden all meine Feinde“). S. dazu noch die Anmerkungen.<br />''umkehren'': Gemeint ist wohl: Von mir ablassen und gleich einem geschlagenen Heer abziehen. Theoretisch ließe es sich außerdem mit „wieder“ übersetzen: „Sie werden sich plötzlich wieder schämen“ (so z.B. Duhm 1899), doch das ist unwahrscheinlich. Nicht: „beschämt umkehren“; im verbalen Hendiadyoin spezifiziert das erste das zweite Verb, nicht aber umgekehrt.</ref> und sehr erschrecken (vergehen)<ref name="V 11" />,{{par|Psalm|2|5}}{{par|Psalm|35|26}}{{par|Psalm|40|15|16}}{{par|Psalm|83|17|18}}<br /> |
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Version vom 15. Dezember 2014, 03:27 Uhr
Syntax ungeprüft
Anmerkungen
Studienfassung (Psalm 6)
1 Für den Chorleiter (Dirigenten, Singenden, Musizierenden)〈a〉.
Zum Saitenspiel (auf Saiteninstrumenten) auf der Achten〈b〉.
Ein Psalm (begleitetes Lied) von (für, über, nach Art von) David.℘
2 JHWH, nicht in deinem Zorn〈c〉 strafe (züchtige) mich
3 Sei mir gnädig (erbarme dich meiner), JHWH, denn (fürwahr!,) ich [bin] schwach (ermattet)〈d〉.℘℘
- Rette mich (heile mich), JHWH, denn (fürwahr!,) erschrocken sind (es zittern, es vergehen)〈e〉 meine Knochen (mein Gebein, ich)〈e〉℘℘℘℘℘℘℘℘℘℘
- 4 Und meine Seele (mein Leben) ist sehr erschrocken (vergeht sehr)〈e〉.
{Und du,} JHWH, wie lange [noch] (bis wann)...?〈f〉℘℘℘
5 Kehre um, JHWH!〈g〉 Rette〈h〉 meine Seele (mich)〈i〉!℘℘℘℘℘℘
6 Denn (Fürwahr!,) nicht [ist (findet statt)] im Totenreich (Tod)〈k〉 ein dich-Loben (Gedenken an dich)
7 Ich bin ermüdet durch mein Schluchzen (Seufzen)〈m〉,℘
- ich überflute (lasse schwimmen)〈n〉 jede Nacht〈o〉 [mit meinen Tränen]〈p〉 mein Bett,
- mit meinen Tränen weiche ich [jede Nacht]〈q〉 mein Lager auf〈n〉.℘℘
8 Schwach geworden (dunkel geworden, geeitert, angeschwollen, hochmütig?)〈r〉 vor Kummer (Gram) sind meine Augen〈s〉,℘℘℘℘
- sie sind gealtert wegen (ich bin gealtert wegen, sie sind geheftet auf?, sie [blicken] stolz/frech auf?)〈t〉 all meiner Feinde (wegen all meinem Leid/meiner Not〈u〉).℘℘℘℘℘
9 Weicht von mir, all [ihr] Frevler〈v〉!℘℘℘℘℘
{Ja!,} (denn)〈w〉 gehört (erhört) hat JHWH den Klang meines Weinens〈x〉,℘℘
- 10 Gehört (erhört) hat JHWH mein Bitten〈x〉;
- JHWH wird mein Gebet (Bittgebet)〈x〉 annehmen〈y〉:℘℘℘℘℘℘℘℘
11 All meine Feinde werden (sollen) sich schämen (zunichte werden)〈z〉 und sehr erschrecken (vergehen)〈z〉,℘℘℘℘
Anmerkungen
Psalm 6 gehört zur Gattung der sogenannten „Klagelieder eines Einzelnen“; genauer zu der der „Feindklagen eines Einzelnen“. Die meisten der typischen Bestandteile dieser Psalmgattung sind deutlich erkennbar:
V. 1 ist die „Überschrift“. Diese wurden nachträglich von Redaktoren hinzugefügt; über ihren Sinn weiß man immer noch nichts Genaueres und auch die Bedeutung der einzelnen Vokabeln ist hier wie meist unklar. Doch da es sich um nachträgliche Hinzufügungen handelt, wirkt sich das glücklicherweise nicht allzu nachteilig auf das Verständnis des Psalms im Ganzen aus.
V. 2 beginnt mit der sog. „Anrufung“ / „Invokation“, die einzig aus dem Gottesnamen besteht: „JHWH!“ - was typisch für die alttestamentliche, aber ungewöhnlich in der altorientalischen Literatur ist (vgl. z.B. Stummer 1922, S. 13).
Darauf folgt in Vv. 2-4 zunächst vierfach die „Bitte“ - JHWH möge den Psalmisten „nicht strafen“, „nicht züchtigen“, ihm „gnädig sein“ und ihn „retten“; daran schließen sich drei Gründe an, mit denen an JHWH appelliert wird: Der Beter „ist schwach“ und (zweimal:) „ihm ist Angst“.
So sehr ist ihm Angst, dass V. 4b beinahe schon die „Klage“ aus ihm hervorbrechen will, die er jedoch noch zurückhalten kann, um in Vv. 5f einen weiteren „Bitt-“abschnitt anfügen zu können: JHWH möge sich „umwenden“ - d.h., sich dem Beter gnädig zuwenden -, ihn „retten“ und „erretten“. Und wieder fügt er gleich Argumente für dieses Rettungshandeln an: Er appelliert an JHWHs Barmherzigkeit und weist darauf hin: Wenn JHWH dem Beter nicht hülfe und er gar stürbe, würde JHWH ja einen Anbeter verlieren, denn: „Im Totenreich lobt man dich nicht“.
Diese beiden ersten Strophen sind durch Wortspiele kunstvoll gestaltet: Das „schwach“ in V. 3a meint genauer „so traurig, dass ich dem Tode nahe bin“; die doppelt verwendete Vokabel „erschrecken“ in Vv. 3b.4a kann auch „vergehen“ bedeuten und das „rette mich“ in V. 3b ist wörtlich „Heile mich“. Ähnlich bedeutet das „Retten“ und „Erretten“ in V. 5 gleichzeitig „Herausziehen“ - beide Vokabeln wecken so die Assoziation, dass der Psalmist sich bereits in der Unterwelt befinde (s. FN h) - und V. 6 schließlich macht den Bezug zur Unterwelt explizit. Durch diese Wortspiele wird zwischen den Zeilen eine Entwicklung dargestellt: In Strophe 1 stellt sich der Psalmist dar als eben verschmachtend, dem Tod in Riesenschritten entgegeneilend; in Strophe 2 dann als bereits gestorben und der Auferweckung durch Gott bedürftig. Ähnliches findet sich noch häufiger in den Psalmen und darf nicht wörtlich verstanden werden; das Sterben und Gestorben-Sein ist eine beliebte Metapher für ein sonst nicht näher bestimmtes Leid im Allgemeinen (s. z.B. Ps 9,14; 18,5-7; 30,4; 116,3-6 u.ö.). Bis hier lässt sich also noch nicht einmal erkennen, worunter der Psalmist eigentlich leidet.
In Vv. 7f folgt der Abschnitt der „Klage“: Die dreimalige Rede vom Weinen und die zweimalige von den schwach gewordenen Augen haben sämtlich in etwa die selbe Bedeutung: Ihm geht es schlecht; furchtbar schlecht. Und dann, mit dem letzten Wort der dritten Strophe, wird endlich genannt, worunter der Beter eigentlich leidet: Ihm geht es schlecht bäkol-tsoräraj, „wegen all meiner Feinde“.
Vv. 9-11: Doch kaum hat er diese Feinde genannt, sind sie schon kein Problem mehr: Selbstbewusst kann er ihnen entgegenrufen: „Weicht von mir, alle Frevler!“; sicher, dass nun, da er sein Gebet gesprochen hat, all seine Feinde „sich schämen“, „sehr erschrecken“, „umkehren“ und „sich plötzlich schämen“ werden (V. 11). Auch dieser Stimmungsumschwung ist typisch für die Klagelieder des Einzelnen; man nennt ihn das „Motiv der Erhörungsgewissheit“: Wie alle Klagelieder ist auch Psalm 6 aus einem „zielgerichteten Vertrauensparadigma“ (Markschies 1991, S. 397) gesprochen; der Beter kann sich sicher sein, dass JHWH, sobald er sein Gebet „gehört“ (Vv. 9b.10a) hat, ihn auch erhören (V. 10b) wird. Und damit ist das Ziel des Psalmengebets erreicht: Betend hat er Gott auf sein Unglück hingewiesen und kann nun darauf vertrauen, dass dieser handeln wird.
Dieser letzte Vers ist stilistisch eng an die erste Strophe angelehnt: Ebenso, wie nach V. 4a der Psalmist „sehr erschrocken“ ist, werden nach V. 11a die Frevler „sehr erschrecken“; ebenso, wie Vv. 3b.4a ungewöhnlicherweise die selbe Vokabel wiederholt wird („erschrecken“), wird auch in Vv. 11ab die selbe Vokabel wiederholt („sich schämen“), und selbst das Wortspiel wird wieder aufgegriffen: Mindestens „sich schämen“ und „erschrecken“ und eventuell sogar auch „umkehren“ (s. FN z) kann ebenso für den Tod der Frevler stehen, wie in der ersten Strophe „schwach sein“ und „erschrecken“ die Assoziation des Sterbens weckte. Es wird ganz deutlich: JHWHs Erhörung wird eine Umkehrung der Verhältnisse zur Folge haben; wie aktuell der Beter unter den Frevlern zu leiden hat, werden dereinst die Frevler leiden.
a | Genaue Bedeutung unklar. Die gewählte Übersetzung ist mehr oder weniger Konvention, obwohl es nicht an alternativen Übersetzungsvorschlägen mangelt. (Zurück zu v.1) |
b | auf der Achten - Bedeutung unklar; die folgenden Deutungen sind nicht mehr als Spekulationen:
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c | tFN: nicht in deinem Zorn/Grimm - die beiden Negationspartikeln nicht sind durch die Präpositionalphrasen in deinem Zorn bzw. in deinem Grimm von den Verben getrennt. Das ist sehr untypisch im Hebräischen. Vermutlich handelt es sich hier aber um eine bedeutungslose Wortstellungsvariante; die Funktion der PPs ist es dann, den Beweggrund JHWHs für die Bestrafung des Psalmisten anzugeben: „Strafe mich nicht aus Zorn“, und dann besser: „Strafe mich nicht trotz deines Zorns“, „Auch wenn du zornig bist, JHWH - strafe mich nicht!“ (Bratcher/Reyburn 1991, S. 59; ähnlich z.B. BFC, GN, PdV). (Einige (z.B. Broyles 1989, S. 180) gehen jedoch davon aus, dass durch diese Wortstellung der Nachdruck nicht auf die Verben, sd. auf die PPs gelegt werden soll („nicht im Zorn/Grimm strafe mich, [sondern nach dem Maßstab des Rechts (d.i. „fair“)]“; s. Jer 10,24). Nach V. 3 ist aber der Gegensatz zu V. 2 („nicht im Zorn“) nicht „nach Gerechtigkeit“, sondern „[strafe mich nicht, sondern] erbarme dich meiner!“; sicher liegt der Fokus also dennoch auf den Verben (vgl. z.B. König 1927, S. 619).) Anm. d. Üs. (S.W.): Wenn wir in V. 3 עֲצָמָֽי `atsamaj („meine Knochen“) als עצְמִי `atsmi („mein Gebein“) vokalisierten, ließe sich die Wortstellungsvariante damit erklären, dass so in Vv. 2f ein Endreim herbeigeführt werden soll: tokicheni („strafe mich“), täjasreni („züchtige mich“), ani („ich“), `atsmi („mein Gebein“). „Mein Gebein“ wäre dann ein kollektiver Singular mit der Bedeutung „meine Gebeine“, das deshalb mit Pluralverb konstruiert wurde und wegen diesem Pluralverb von den Masoreten fälschlicherweise als Plural vokalisiert wurde. (zu v.2) |
d | schwach - Viele Üss. und Lexika: „welk“. Überwörtlich (wenn denn „welken“ überhaupt wirklich die Primärbedeutung des zugehörigen Verbs ist); sinngemäß wohl ein wörtlich verstandenes „todtraurig“, „so traurig, dass ich dem Tode nahe bin“; s. z.B. Jes 24,4.7: „Es trauert und verdorrt die Erde; es amal und verdorrt die Welt; es amal die Höhen der Erde. ... Es trauert die Rebe, es amal der Wein; es seufzen alle, die fröhlichen Herzens [waren].“; Hos 4,3: „Deshalb wird trauern das Land und es amal alle, die darin wohnen. Die Tiere des Feldes, die Vögel des Himmels und die Fische des Meeres werden dahingerafft.“ u.ö. (Zurück zu v.3) |
e | erschrocken sind (es zittern, es vergehen) meine Knochen (mein Gebein, ich) (V. 3) + ist sehr erschrocken (vergeht sehr) (V. 4) - Bed. wohl: „Ich habe Angst; / ja: große Angst!“ (s. Deutung 2):
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f | {Und du,} JHWH, wie lange [noch]...? - Stilistisch am treffendsten: „Ach, JHWH, wie lange denn noch...!?“ - Beinahe bricht aus dem Psalmist hier ein verzweifelter Vorwurf hervor, den er gerade noch zurückhalten kann (Aposiopese). Das ist daran erkennbar, dass solche Vorwürfe anderswo im AT mit „Wie lange (denn noch)...?“ eingeleitet sind (Beispiele: Ps 13,2f; Ps 74,10; Ps 80,5; Ps 94,3; Hab 1,2; ebenso abgebrochen in Ps 90,13). Daher ist auch das einleitende und du nicht zu übersetzen: Im Hebräischen dient diese Wendung oft nur dazu den folgenden Abschnitt zu betonen, in dem dann wie hier eine Bitte oder ein Befehl zu finden wäre (vgl. ähnlich z.B. Lyavdansky 2012, S. 19f; s. z.B. Ps 22,20; 42,11; 55,24; 59,6; 109,21 u.ö.). Hier gibt es also der begonnenen Klage zusätzliche Betonung und verstärkt so die Wirkung des Satzabbruchs. (Zurück zu v.4) |
g | Kehre um, JHWH - Begegnendes Unheil führte man im Alten Israel oft darauf zurück, dass der zornige Gott sich von Betroffenen „abgewandt“ habe; entsprechend ist „Wende dich [mir wieder zu]“ hier gleichbedeutend mit „Sei mir gnädig“ in V. 3. Sinnvoll daher Buttenwieser 1938: „Cease from thine anger!“; GN: „Lass ab von deinem Zorn!“ (Zurück zu v.5) |
h | Rette + Errette (hilf) - Wortspiel im Hebräischen: Der Psalmist verwendet in Vv. 3.5 drei unterschiedliche Verben, die sich alle in der Bedeutung „retten“ treffen. Den beiden Verben in V. 5 ist zusätzlich die Bedeutung „herausziehen /-reißen“ gemeinsam. Dahinter steht folgendes: Im Alten Israel stellte man sich die Unterwelt als den tiefsten Ort des Kosmos vor; daher sprach man von ihr z.B. als dem „Brunnen“, der „Grube“, dem „Schacht“ oder der „Zisterne“ (vgl. z.B. Oesterley 1911, S. 139f; Schorch 2000, S. 97f) und davon, dass man zu ihr „hinabstieg“ oder aus ihr wieder „emporgezogen“ wurde. Von diesem Totenreich spricht V. 6; liest man also Vv. 5 und 6 zusammen, entsteht - gelesen nach dieser zweiten Bedeutung - der Eindruck, der Psalmist habe sich sogar bereits in diesem Totenreich befunden und JHWH habe ihn nach seinem Tod wiederbelebt. (zu v.5) |
i | meine Seele (mich) - „Seele“ im Heb. fast stets Wechselbegriff für „Ich“; übersetze: „Rette mich!“ (Zurück zu v.5) |
j | um deiner Barmherzigkeit (Huld, Liebe, Güte) willen - mehrdeutig:
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k | Totenreich + Scheol: Nicht: „Hölle“ o.Ä., die alttestamentliche Vorstellung vom Leben nach dem Tod ist eine ganz andere als die christliche und eher mit der griechischen Vorstellung des Hades zu vergleichen: Ein Schattenreich, in das fast alle Gestorbenen als Schattengestalten hinabfahren, um dann nie wieder daraus zu entkommen. Einige übersetzen gelegentlich auch „Hades“; vielleicht ist das eine verständlichere Alternative? (zu v.6) |
l | Der Sinn von V. 6 ist umstritten.
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m | tFN: Schluchzen statt „Seufzen“ (so fast alle). Sowohl beim Verb als auch beim Nomen passt diese Bedeutung an sämtlichen Stellen wesentlich besser. So ad loc. gut auch Dahood 1965; Houston/Moore/Waltke 2014; BBE, EVD, NCV, NLT. (Zurück zu v.7) |
n | tFN: überflute (lasse schwimmen) + weiche auf - zur Deutung der Bedeutung des ersten Verbs als „überfluten“ statt „schwimmen lassen“ vgl. Bosworth 2013, S. 39; von Soden 1991, S. 165f; zur Deutung des zweiten Verbs als „aufweichen“ von Soden 1991, S. 166. (zu v.7) |
o | tFN: jede Nacht statt „die ganze Nacht“; diese iterative Deutung fordert die Verbform (Yiqtol). (Zurück zu v.7) |
p | tFN: [mit meinen Tränen] - Brachylogie aus Zeile 3; vgl. auch Goldingay 2006, S. 138. (Zurück zu v.7) |
q | tFN: [jede Nacht] - Brachylogie aus Zeile 2; vgl. auch Goldingay 2006, S. 138. (Zurück zu v.7) |
r | Schwach geworden (dunkel geworden, geeitert, angeschwollen, hochmütig?) - Bed. unsicher (-> Ter legomenon); sonst nur noch in Ps 31,10f. Für eine Übersicht über ältere Deutungen vgl. Zolli 1951.
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s | tFN: meine Augen - W. „mein Auge“; kollektiver Singular, vgl. z.B. Houston/Moore/Waltke 2014, S. 51. (Zurück zu v.8) |
t | sie sind gealtert wegen (ich bin gealtert wegen, sie sind geheftet auf?, sie [blicken] stolz/frech auf?) - „altern“ ist recht schwierig - erstens als Deutung der Wortbedeutung, zweitens in diesem Kontext.
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u | meinem Leid/meiner Not - Bertholet, Gunkel, Schlögl, Schmidt und Kraus wollen - da ihnen das auf „Kummer“ folgende „Feinde“ merkwürdig scheint (so auch Bratcher/Reyburn 1991, S.63) - emendieren von tsoräraj („meine Feinde“) nach tsarati („mein Leid“). Das wäre wohl nicht einmal notwendig, da auch schon tsoräraj „mein Leid“ bedeuten könnte (so richtig Kissane 1953, S. 22f; vgl. schon Saadia: „viele meiner Leiden“); doch so und so ist „meine Feinde“ vorzuziehen - erstens, da in verwandten Psalmen (Ps 22; 38; 41; 102) die „Feinde“ die selbe Rolle spielen (so schon Podechard 1920, S. 47) und da der Parallelismus von Wirkung (d.h. hier: „Kummer“) und Ursache (d.h. hier: „all meine Feinde“) recht häufig ist. Vielleicht aber auch Amphibolie und so eine Art Janus-Parallelismus: Das Wort wäre dann sowohl in der Bedeutung „mein Leid“ und in der Bedeutung „meine Feinde“ zu lesen; nach der ersten Bedeutung wäre der Sticho parallel zur vorangehenden Zeile, nach der zweiten Bedeutung würde er den Übergang zur dritten Strophe bereiten. (Zurück zu v.8) |
v | Frevler - stehende Wendung im Hebräischen; W.: „alle Tuenden von Frevel“. Erst in diesem Vers wird offenbar, was eigentlich genau das Leid ist, das der Beter die vorigen acht Verse hindurch beklagt hat: Er wird von frevlerischen Feinden bedrängt. (Zurück zu v.9) |
w | tFN: { |
x | Klang meines Weinens + Bitten + Gebet (Bittgebet) - Die Aufeinanderfolge dieser drei Begriffe verdichtet ein Voranschreiten von unartikuliert nach artikuliert: qol („Klang“) bezeichnet primär das rein Akustische (das „Geräusch“ - der „Klang des Weinens“ sind also die unartikulierten Klagelaute); tähinna („Bitten“) meint den Akt der flehenden Hinwendung im Gebet und täfilla ist eine Psalm-gattung - das „Bitt-/Klagegebet“. (Zurück zu v.9 / zu v.10) |
y | Oder Vergangenheit: Gehört hat JHWH den Klang meines Weinens,
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z | sich schämen (zunichte werden) + erschrecken (vergehen) + umkehren (von mir ablassen, wieder?, sterben?) - Wortspiel im Hebräischen: Die Wörter für „schämen“, „erschrecken“ und evt. auch „zurückweichen“ (dazu vgl. Dahood 1965, S. 39; s. noch Ijob 1,21; 30,23; 34,15; Ps 9,18; Pred 3,20; 12,7 - doch nie (wie hier) ohne Ortsangabe) treffen sich in der sekundären Bedeutung „sterben“; es scheint also, als habe die Erhörung des Psalmisten durch Gott die Vernichtung der Feinde zur Folge (vgl. z.B. die Üs. von Achenbach 2004, S. 584: „Zuschanden und zerstieben gar sehr werden all meine Feinde“). S. dazu noch die Anmerkungen. umkehren: Gemeint ist wohl: Von mir ablassen und gleich einem geschlagenen Heer abziehen. Theoretisch ließe es sich außerdem mit „wieder“ übersetzen: „Sie werden sich plötzlich wieder schämen“ (so z.B. Duhm 1899), doch das ist unwahrscheinlich. Nicht: „beschämt umkehren“; im verbalen Hendiadyoin spezifiziert das erste das zweite Verb, nicht aber umgekehrt. (zu v.11) |