Psalm 19: Unterschied zwischen den Versionen

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{{Bemerkungen}}Das Anliegen von Ps 19 wird in der Exegese heftig diskutiert, weil der Psalm aus vier Teilen besteht, deren Zusammenhang auf den ersten Blick nicht leicht erkennbar ist: In Vv. 2-5b heißt es, der Himmel tue Gottes „Herrlichkeit“ kund. In Vv. 5c-7 ist von Gott und seiner Herrlichkeit dann nicht mehr die Rede, sondern es folgt ein Abschnitt über die Sonne, an den sich - scheinbar ohne Zusammenhang - in Vv. 8-11 ein Hymnus an die ''torah'' - das „Gesetz JHWHs“ - anschließt, um dann wieder scheinbar ohne Zusammenhang in Vv. 12-15 mit einer Bitte um Bewahrung vor Sünden zu schließen. Die Hauptschwierigkeit bei der Deutung des Anliegens von Ps 19 ist es also, den diese vier Teile zusammenhaltenden roten Faden auszumachen. Im Folgenden wird nur die Deutung vorgestellt, die dem Übersetzer am wahrscheinlichsten scheint; für eine Übersicht über verschiedene weitere Deutungen sei verwiesen auf Wyatt 1995, S. 560-566.
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'''I'''.<br />
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Das Anliegen von Ps 19 wird in der Exegese heftig diskutiert, weil der Psalm aus vier Teilen besteht, deren Zusammenhang auf den ersten Blick nicht leicht erkennbar ist: In Vv. 2-5b heißt es, der Himmel tue Gottes „Herrlichkeit“ kund. In Vv. 5c-7 ist von Gott und seiner Herrlichkeit dann nicht mehr die Rede, sondern es folgt ein Abschnitt über die Sonne, an den sich - scheinbar ohne Zusammenhang - in Vv. 8-11 ein Hymnus an die ''torah'' - das „Gesetz JHWHs“ - anschließt, um dann wieder scheinbar ohne Zusammenhang in Vv. 12-15 mit einer Bitte um Bewahrung vor Sünden zu schließen. Die Hauptschwierigkeit bei der Deutung des Anliegens von Ps 19 ist es also, den diese vier Teile zusammenhaltenden roten Faden auszumachen. Im Folgenden wird nur die Deutung vorgestellt, die dem Übersetzer am wahrscheinlichsten scheint; für eine Übersicht über verschiedene weitere Deutungen sei verwiesen auf Wyatt 1995, S. 560-566.
  
Am auffälligsten sind - und auch in der Exegese mit Abstand am ausführlichsten kommentiert wurden - die Vv. 5c-7 über die Sonne, die dort mit Begriffen und Vorstellungen geschildert wird, die man im Alten Orient sonst eigentlich aus Mythen über und Hymnen auf Sonnengötter kennt (z.B.: die Sonne als „Held“ und als „schneller Läufer“; vgl. bes. Sarna 1965, S. 172). Das legt nahe, dass an folgende kulturgeschichtliche Zusammenhänge zu denken ist: Die Verehrung von Sonnengöttern war im Alten Orient weit verbreitet und auch in Israel wurde die Sonne lange als Gott angebetet (vgl. z.B. NIDOTTE 9087,5; s. z.B. [[2Könige 23#s5 |2Kön 23,5]]). Solche Sonnengötter warem im Alten Orient häufig assoziiert mit und verantwortlich für „Wahrheit“ und „Weisheit“ (vgl. z.B. Sarna 2010, S. 82), „Recht“ und „Gesetz“ (vgl. z.B. Löning/Zenger 2000, S. 138f; Sarna 1965, S. 173; Taylor 1993, S. 224; auch in der Bibel finden sich bisweilen noch Spuren davon, s. z.B. [[Psalm 37#s6 |Ps 37,6]]; [[Sprichwörter 6#s23 |Spr 6,23]]; [[Hosea 6#s4 |Hos 6,4f]]; [[Zefanja 3#s5 |Zef 3,5]]; [[Maleachi 3#s20 |Mal 3,20]]) und fungierten als Lebensspender und Freudenbringer (vgl. wieder Sarna 1965, S 173f); kennzeichnend für sie war außerdem ihre „Herrlichkeit“, die man sich im AO meist als ein Lichtphänomen vorstellte - als Lichtglanz, Glorie der „herrlichen“ Gottheit (vgl. z.B. [https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/ehre-herrlichkeit-3/ch/6492e846b62e0703f9ee229f254b767b/#h2 Wilke 2010, Abs. 3]; ''ad loc.'' Wagner 1999, S. 249).
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Am auffälligsten ist - und auch in der Exegese mit Abstand am ausführlichsten kommentiert wurde - der Abschnitt Vv. 5c-7 über die Sonne. Fast stets heißt es, dass der Psalmist sich intensiv an der Bilderwelt der altorientalischen Mythologie bedient und die Sonne entsprechend der altorientalischen Sonnengötter dargestellt habe (z.B.: die Sonne, die das Himmelszelt bewohnt, die Sonne als „Held“ und als „schneller Läufer“ etc.; vgl. bes. Sarna 1965, S. 172). Das legt nahe, dass an folgende kulturgeschichtliche Zusammenhänge zu denken ist: Die Verehrung von Sonnengöttern war im Alten Orient weit verbreitet und auch in Israel wurde die Sonne lange als Gott angebetet (vgl. z.B. NIDOTTE 9087,5; s. z.B. [[2Könige 23#s5 |2Kön 23,5]]). Solche Sonnengötter warem im Alten Orient häufig assoziiert mit und verantwortlich für „Wahrheit“ und „Weisheit“ (vgl. z.B. Sarna 2010, S. 82), „Recht“ und „Gesetz“ (vgl. z.B. Löning/Zenger 2000, S. 138f; Sarna 1965, S. 173; Taylor 1993, S. 224; auch in der Bibel finden sich bisweilen noch Spuren davon, s. z.B. [[Psalm 37#s6 |Ps 37,6]]; [[Sprichwörter 6#s23 |Spr 6,23]]; [[Hosea 6#s4 |Hos 6,4f]]; [[Zefanja 3#s5 |Zef 3,5]]; [[Maleachi 3#s20 |Mal 3,20]]) und fungierten als Lebensspender und Freudenbringer (vgl. wieder Sarna 1965, S 173f); kennzeichnend für sie war außerdem ihre „Herrlichkeit“, die man sich als ein Lichtphänomen vorstellte - als Lichtglanz, Glorie der „herrlichen“ Gottheit (vgl. z.B. [https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/ehre-herrlichkeit-3/ch/6492e846b62e0703f9ee229f254b767b/#h2 Wilke 2010, Abs. 3]; ''ad loc.'' Wagner 1999, S. 249).<br />
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Besagter Verehrung der Sonne als Gott wollten die die biblischen Dichter entgegenwirken (s. z.B. [[Deuteronomium 4#s19 |Dtn 4,19]]; [[Deuteronomium 17#s3 |17,3]]) und verwandten daher einige Mühen darauf, die Sonne nach und nach zu „depotenzieren“: Sie sollte durchaus nicht als ein weiterer Gott, sondern als eines der ''Geschöpfe'' JHWHs verstanden werden - JHWH untergeordnet und von ihm an ihren Ort - den Taghimmel - verwiesen (vgl. [http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/sonne/ch/71ab713db20063bd9f7f5a1859aa890c/#h10 Lauber 2012, Abs. 3.2]).<br />
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Indes zwingt nichts den Leser, die Aussagen und Bilder aus dem Kontext der altorientalischen Mythologie zu verstehen; jeder Vers lässt sich auch problemlos im Kontext des „gewöhnlichen“ israelitischen Glaubens - der JHWH-Religion - deuten (s. FNn). Diese Mehrdeutigkeit könnte durchaus auf den bewussten Gestaltungswillen des Psalmisten zurückgeführt werden, denn es macht aus dem Psalm den ''idealen missionarisch-synkretistischen Text'': (1) Anhängern des Sonnenkultes ermöglicht er es, Züge seiner Religion auch im JHWH-Kult zu entdecken und erleichtert ihm so den Zugang zu demselben; (2) von bereits Bekehrten oder von vornherein treuen JHWH-Gläubigen dagegen lässt er sich als ein „gewöhnlicher“ jahwistischer Psalm verwenden.<br />
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'''Vv. 2-5b''' sprechen von den himmlischen Sphären, die die „Herrlichkeit“ Gottes - hier nicht als ''JHWH'' bezeichnet, sondern allgemein als ''el'', „Gott“ - verkünden / erstrahlen lassen (s. [http://www.offene-bibel.de/wiki/index.php5?title=Psalm_19&action=submit#note_h FN h]), und wie die Sonne die ganze Erde erhellt und auf der ganzen Erde sichtbar ist (V. 7), ist auch die Kunde von der Herrlichkeit „Gottes“ auf der ganzen Erde vernehmbar (Vv. 4f). Meint „Gott“ hier JHWH oder die Sonne? - Man weiß es nicht.<br />
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'''Vv. 5c-7''' sprechen von der Sonne selbst. V. 5c besagt entweder, dass ''Gott'' der Sonne am Himmel ein Zelt ''gegeben'' hat, oder dass die Sonne am Himmel ein Zelt ''besitzt'' (s. [http://www.offene-bibel.de/wiki/index.php5?title=Psalm_19#note_o FN o]) und spricht dann entweder mit Bildern aus der altorientalischen Mythologie vom Lauf der Sonne oder nur metaphorisch vom fröhlichen Strahlen der Sonne (s. [http://www.offene-bibel.de/wiki/index.php5?title=Psalm_19#note_q FN q]). Der Abschnitt schließt entweder mit der Aussage, dass nichts vor der ''Gott gehörenden Sonne'' verborgen bleibt, oder dass nichts vor den ''Strahlen'' der Sonne verborgen bleibt. Der Abschnitt lässt sich also entweder so lesen, dass die Sonne Gott untergeordnet wird, indem betont wird, dass sie Gottes ''Geschöpf'' ist (vgl. dazu wieder Lauber 2013) und nur als ''Symbol'' für die Herrlichkeit ''Gottes'' eigens genannt wird, wie sie noch häufiger in der Bibel fungiert (vgl. DDD, S. 766; s. z.B. noch [[Ezechiel 43#s2 |Ez 43,2.4]]; [[Habakkuk 3#s3 |Hab 3,3f]]; Sir 42,16 LXX). Der Psalmist signalisiert das sehr geschickt: Vv. 5-7 wiederholen drei Mal das Verb „ausgehen“: V. 5: Die Verkündigung des Himmels „geht aus“; Vv. 6.7: Die Sonne „geht aus“ - die Sonne ''ist'' die besagte Verkündigung Gottes, die der Himmel verkündigt (vgl. gut Dohmen 1983, S. 505). Oder aber: Die Sonne ''selbst ist'' jener Gott, dessen herrlicher Umlauf am Himmel in den Vv. 5c-7 gepriesen wird.
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<code>Das untige wird noch bearbeitet. Die FNn im Abs. zu Vv. 5c-7 auch.</code>
  
Besagter Verehrung der Sonne als Gott wollten die die biblischen Dichter entgegenwirken (s. z.B. [[Deuteronomium 4#s19 |Dtn 4,19]]; [[Deuteronomium 17#s3 |17,3]]) und verwandten daher einige Mühen darauf, die Sonne nach und nach zu „depotenzieren“: Sie sollte durchaus nicht als ein weiterer Gott, sondern als eines der ''Geschöpfe'' JHWHs verstanden werden - JHWH untergeordnet und von ihm an ihren Ort - den Taghimmel - verwiesen (vgl. [http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/sonne/ch/71ab713db20063bd9f7f5a1859aa890c/#h10 Lauber 2012, Abs. 3.2]).<br />
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In '''Vv. 8-10''' wird in sechs parallelen Versen der Bereich des Rechts auf JHWH übertragen, der - wie gesagt - außerhalb Israels meist mit Sonnengöttern assoziiert war. Die Verse arbeiten dabei nicht nur mit der sechsmaligen Wiederholung der Wendung „die Torah / die Gebote  / das Gesetz /... JHWHs“, sondern auch auf Wortspielebene: Durch Wortspiele wird nach und nach die Torah „solarisiert“ (s. FNn; vgl. bes. Eaton 1968, S. 604f.; Klouda 2000, S. 188; Sarna 1965, S. 173f) und auch so die Sonne weiter depotenziert. In '''Vv. 11-15''' schließlich kommt der Beter auf sein „eigentliches Anliegen“ zu sprechen: Auch er - als ein „Diener“ Gottes; d.h. einer, der seine Gebote befolgt - richtet sich zwar an seinen Vorschriften aus und bemüht sich so um Sündenfreiheit, doch bewahrt ja auch dies nicht vor versehentlich oder umbewusst begangene Sünden - und also bittet er um Bewahrung vor zukünftigen und Vergebung von begangenen Sünden.<br />
Solche "Depotenzierungs-strategien" finden sich durch den ganzen Ps 19 hindurch: In '''Vv. 2-5b''' werden die himmlischen Sphären nicht der Sonne, sondern Gott zugeordnet: Sie verkünden die ''Herrlichkeit Gottes'' - nicht der Sonne. Es folgt in Vv. '''Vv. 5c-7''' der Abschnitt über die Sonne selbst, die dort deutlich Gott untergeordnet wird: Laut dem Strophenbeginn war ''Gott'' es, der der Sonne ihr "Zelt" gab (vgl. dazu wieder Lauber 2013), und auch am Ende der Strophe wird sie noch einmal als ''Geschöpf'' Gottes kenntlich gemacht: Als „''seine'' Sonne“. Durch diese Kombination von Zu- und Unterordnung wird die Sonne vom Gegengott zum bloßen ''Symbol'' für die Herrlichkeit ''JHWHs'', was zu den „Kniffen“ gehört, mit denen die biblischen Autoren auch sonst die Sonne depotenzierten (vgl. DDD, S. 766; s. z.B. noch [[Ezechiel 43#s2 |Ez 43,2.4]]; [[Habakkuk 3#s3 |Hab 3,3f]]; Sir 42,16 LXX). Der Text selbst signalisiert dies auch durch die Wiederaufnahme des Stichworts „ausgehen“: Wie in V. 5 die ''Botschaft'' des Himmels „ausgeht“, geht in Vv.6.7 zweimal die ''Sonne'' aus (vgl. gut Dohmen 1983, S. 505): Die Sonne ''ist'' jene Botschaft von Gott - ist das Symbol für die „Herrlichkeit Gottes“ -, die Himmel und Erde verkünden. In '''Vv. 8-10''' wird in sechs parallelen Versen der Bereich des Rechts auf JHWH übertragen, der - wie gesagt - außerhalb Israels meist mit Sonnengöttern assoziiert war. Die Verse arbeiten dabei nicht nur mit der sechsmaligen Wiederholung der Wendung „die Torah / die Gebote  / das Gesetz /... JHWHs“, sondern auch auf Wortspielebene: Durch Wortspiele wird nach und nach die Torah „solarisiert“ (s. FNn; vgl. bes. Eaton 1968, S. 604f.; Klouda 2000, S. 188; Sarna 1965, S. 173f) und auch so die Sonne weiter depotenziert. In '''Vv. 11-15''' schließlich kommt der Beter auf sein „eigentliches Anliegen“ zu sprechen: Auch er - als ein „Diener“ Gottes; d.h. einer, der seine Gebote befolgt - richtet sich zwar an seinen Vorschriften aus und bemüht sich so um Sündenfreiheit, doch bewahrt ja auch dies nicht vor versehentlich oder umbewusst begangene Sünden - und also bittet er um Bewahrung vor zukünftigen und Vergebung von begangenen Sünden.
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(2) Gleichzeitig ließe er sich aber auch deuten als ein '''missionarisch-synkretistischer Text''': Nichts im Psalm zwingt einen Leser,  Diese Offenheit des Textes könnte durchaus auf den bewussten Gestaltungswillen des Psalmisten zurückgeführt werden: Für Anhänger der JHWH-Religion lässt er sich „gewöhnlicher“ Psalm verwenden; für Anhänger des Sonnenkultes dagegen weckt er mindestens Assoziationen, die ihm ermöglichen, seinen Sonnengott-Glauben in die JHWH-Religion zu integrieren.
  
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'''IV'''.<br />
 
Bonkamp 1949 hat vorgeschlagen, dass wir bei der Abfassungszeit konkret an das 18. Regierungsjahr des Joschija denken können - das Jahr, in dem gleichzeitig der Hohepriester Hilkija das Gesetzesbuch wieder auffand ([[2Könige 22#s8 |2Kön 22,8]]) und Joschija daraufhin im Zuge der großen Tempelreinigung auch gegen den Sonnenkult vorging ([[2Könige 23#s11 |2Kön 23,11]]); vgl. ähnlich auch Dürr 1927, S. 48; Sarna 1965, S. 175. Solche genauen Datierungen sind in der neueren Exegese zwar ein wenig unbeliebt geworden, aber wenn unsere Deutung des roten Fadens im Ps 19 richtig ist, können wir vielleicht wirklich an diese Zeit denken; das „große Vergehen“, von dem der Psalmst in V. 14 spricht, wäre dann vielleicht gerade seine einstige Verehrung der Sonne, derer er in seinem Unwissen um die Torah JHWHs schuldig gemacht hat.
 
Bonkamp 1949 hat vorgeschlagen, dass wir bei der Abfassungszeit konkret an das 18. Regierungsjahr des Joschija denken können - das Jahr, in dem gleichzeitig der Hohepriester Hilkija das Gesetzesbuch wieder auffand ([[2Könige 22#s8 |2Kön 22,8]]) und Joschija daraufhin im Zuge der großen Tempelreinigung auch gegen den Sonnenkult vorging ([[2Könige 23#s11 |2Kön 23,11]]); vgl. ähnlich auch Dürr 1927, S. 48; Sarna 1965, S. 175. Solche genauen Datierungen sind in der neueren Exegese zwar ein wenig unbeliebt geworden, aber wenn unsere Deutung des roten Fadens im Ps 19 richtig ist, können wir vielleicht wirklich an diese Zeit denken; das „große Vergehen“, von dem der Psalmst in V. 14 spricht, wäre dann vielleicht gerade seine einstige Verehrung der Sonne, derer er in seinem Unwissen um die Torah JHWHs schuldig gemacht hat.
  
  
 
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Version vom 23. Oktober 2014, 08:56 Uhr

Syntax ungeprüft

SF ungeprüft.png
Status: Studienfassung zu prüfen – Eine erste Übersetzung aus dem Urtext ist komplett, aber noch nicht mit den Übersetzungskriterien abgeglichen und nach den Standards der Qualitätssicherung abgesichert worden und sollte weiter verbessert und geprüft werden. Auf der Diskussionsseite ist Platz für Verbesserungsvorschläge, konstruktive Anmerkungen und zum Dokumentieren der Arbeit am Urtext.
Folgt-später.png
Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Lesefassung (Psalm 19)

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Anmerkungen

Studienfassung (Psalm 19)

1 Für den Chorleiter (Dirigenten, Singenden, Musizierenden).a
Ein Psalm (begleitetes Lied) von (für, über, nach Art von) David.


2 Der Himmel verkündetb (Die Himmel verkünden)c die Herrlichkeit (Lichtglanz, Glorie)d Gottes

und das Walten (Werk)e seiner Hände (sein Walten)f macht kund das Firmament (Himmelsgewölbe)g:

3 Tag für Tag äußert es (strahlt es hervor, sprudelt es hervor?)h Rede (Ein Tag äußert gegenüber [dem nächsten] Tag Rede, Tag für Tag äußert man?)i,

Nacht für Nacht lehrt es Kenntnis (Wissen, Weisheit; eine Nacht lehrt [der nächsten] Nacht Kenntnis, Nacht für Nacht lehrt man Kenntnis?j).

4 Nicht [ist es eine] Rede [und] nicht [sind es] Worte,

[deren] Klang nicht gehört würde:k:

5 Ihr Klang (Ihre Schnur?, Ihr Ruf?)l geht aus über die ganze Erde

und bis ans Ende der Welt [geht aus]m ihr Reden.

Der Sonne (dem Sonnenball)n hat er ein Zelt aus (an) ihmo aufgebaut. 6 Und sie [ist] wie ein Bräutigam, [der] ausgehtp aus seinem Brautzeltq,

er freut sich wie ein Held die Bahn zu durchlaufen.

7 Am Ende des Himmels ist sein Ausgangspunkt und läuft um bis an sein Ende, nichts ist vor seiner Glut verborgen. 8 Die Weisung JHWHs ist vollkommen, stellt die Seele wieder her; das Zeugnis JHWHs ist zuverlässig und macht den Einfältigen weise. 9 Die Vorschriften (Befehle) JHWHs sind richtig und erfreuen das Herz, das Gebot JHWHs ist lauter und macht die Augen hell. 10 Die JHWH-Furcht ist rein und besteht in Ewigkeit. Die Rechtsbestimmungen JHWHs sind Treue, sie sind gerecht allesamt. 11 Sie, die begehrenswerter (köstlicher) sind als Gold, ja viel gediegenes Gold, und süßer als Honig und Honigseim. 12 Auch wird dein Knecht durch sie gewarnt, in ihrer Befolgung liegt großer Lohn. 13 Verirrungen, wer bemerkt sie? Von den Verborgenen sprich mich frei, 14 auch von Übermütigen halte deinen Knecht zurück, lass sie mich nicht beherrschen, denn ich bin tadellos und bin rein von schweren Vergehen. 15 Lass die Reden meines Mundes und das Sinnen meines Herzens wohlgefällig vor dir sein, JHWH, mein Fels und mein Erlöser.


Anmerkungen

I.
Das Anliegen von Ps 19 wird in der Exegese heftig diskutiert, weil der Psalm aus vier Teilen besteht, deren Zusammenhang auf den ersten Blick nicht leicht erkennbar ist: In Vv. 2-5b heißt es, der Himmel tue Gottes „Herrlichkeit“ kund. In Vv. 5c-7 ist von Gott und seiner Herrlichkeit dann nicht mehr die Rede, sondern es folgt ein Abschnitt über die Sonne, an den sich - scheinbar ohne Zusammenhang - in Vv. 8-11 ein Hymnus an die torah - das „Gesetz JHWHs“ - anschließt, um dann wieder scheinbar ohne Zusammenhang in Vv. 12-15 mit einer Bitte um Bewahrung vor Sünden zu schließen. Die Hauptschwierigkeit bei der Deutung des Anliegens von Ps 19 ist es also, den diese vier Teile zusammenhaltenden roten Faden auszumachen. Im Folgenden wird nur die Deutung vorgestellt, die dem Übersetzer am wahrscheinlichsten scheint; für eine Übersicht über verschiedene weitere Deutungen sei verwiesen auf Wyatt 1995, S. 560-566.

II.
Am auffälligsten ist - und auch in der Exegese mit Abstand am ausführlichsten kommentiert wurde - der Abschnitt Vv. 5c-7 über die Sonne. Fast stets heißt es, dass der Psalmist sich intensiv an der Bilderwelt der altorientalischen Mythologie bedient und die Sonne entsprechend der altorientalischen Sonnengötter dargestellt habe (z.B.: die Sonne, die das Himmelszelt bewohnt, die Sonne als „Held“ und als „schneller Läufer“ etc.; vgl. bes. Sarna 1965, S. 172). Das legt nahe, dass an folgende kulturgeschichtliche Zusammenhänge zu denken ist: Die Verehrung von Sonnengöttern war im Alten Orient weit verbreitet und auch in Israel wurde die Sonne lange als Gott angebetet (vgl. z.B. NIDOTTE 9087,5; s. z.B. 2Kön 23,5). Solche Sonnengötter warem im Alten Orient häufig assoziiert mit und verantwortlich für „Wahrheit“ und „Weisheit“ (vgl. z.B. Sarna 2010, S. 82), „Recht“ und „Gesetz“ (vgl. z.B. Löning/Zenger 2000, S. 138f; Sarna 1965, S. 173; Taylor 1993, S. 224; auch in der Bibel finden sich bisweilen noch Spuren davon, s. z.B. Ps 37,6; Spr 6,23; Hos 6,4f; Zef 3,5; Mal 3,20) und fungierten als Lebensspender und Freudenbringer (vgl. wieder Sarna 1965, S 173f); kennzeichnend für sie war außerdem ihre „Herrlichkeit“, die man sich als ein Lichtphänomen vorstellte - als Lichtglanz, Glorie der „herrlichen“ Gottheit (vgl. z.B. Wilke 2010, Abs. 3; ad loc. Wagner 1999, S. 249).
Besagter Verehrung der Sonne als Gott wollten die die biblischen Dichter entgegenwirken (s. z.B. Dtn 4,19; 17,3) und verwandten daher einige Mühen darauf, die Sonne nach und nach zu „depotenzieren“: Sie sollte durchaus nicht als ein weiterer Gott, sondern als eines der Geschöpfe JHWHs verstanden werden - JHWH untergeordnet und von ihm an ihren Ort - den Taghimmel - verwiesen (vgl. Lauber 2012, Abs. 3.2).

III.
Indes zwingt nichts den Leser, die Aussagen und Bilder aus dem Kontext der altorientalischen Mythologie zu verstehen; jeder Vers lässt sich auch problemlos im Kontext des „gewöhnlichen“ israelitischen Glaubens - der JHWH-Religion - deuten (s. FNn). Diese Mehrdeutigkeit könnte durchaus auf den bewussten Gestaltungswillen des Psalmisten zurückgeführt werden, denn es macht aus dem Psalm den idealen missionarisch-synkretistischen Text: (1) Anhängern des Sonnenkultes ermöglicht er es, Züge seiner Religion auch im JHWH-Kult zu entdecken und erleichtert ihm so den Zugang zu demselben; (2) von bereits Bekehrten oder von vornherein treuen JHWH-Gläubigen dagegen lässt er sich als ein „gewöhnlicher“ jahwistischer Psalm verwenden.
Vv. 2-5b sprechen von den himmlischen Sphären, die die „Herrlichkeit“ Gottes - hier nicht als JHWH bezeichnet, sondern allgemein als el, „Gott“ - verkünden / erstrahlen lassen (s. FN h), und wie die Sonne die ganze Erde erhellt und auf der ganzen Erde sichtbar ist (V. 7), ist auch die Kunde von der Herrlichkeit „Gottes“ auf der ganzen Erde vernehmbar (Vv. 4f). Meint „Gott“ hier JHWH oder die Sonne? - Man weiß es nicht.
Vv. 5c-7 sprechen von der Sonne selbst. V. 5c besagt entweder, dass Gott der Sonne am Himmel ein Zelt gegeben hat, oder dass die Sonne am Himmel ein Zelt besitzt (s. FN o) und spricht dann entweder mit Bildern aus der altorientalischen Mythologie vom Lauf der Sonne oder nur metaphorisch vom fröhlichen Strahlen der Sonne (s. FN q). Der Abschnitt schließt entweder mit der Aussage, dass nichts vor der Gott gehörenden Sonne verborgen bleibt, oder dass nichts vor den Strahlen der Sonne verborgen bleibt. Der Abschnitt lässt sich also entweder so lesen, dass die Sonne Gott untergeordnet wird, indem betont wird, dass sie Gottes Geschöpf ist (vgl. dazu wieder Lauber 2013) und nur als Symbol für die Herrlichkeit Gottes eigens genannt wird, wie sie noch häufiger in der Bibel fungiert (vgl. DDD, S. 766; s. z.B. noch Ez 43,2.4; Hab 3,3f; Sir 42,16 LXX). Der Psalmist signalisiert das sehr geschickt: Vv. 5-7 wiederholen drei Mal das Verb „ausgehen“: V. 5: Die Verkündigung des Himmels „geht aus“; Vv. 6.7: Die Sonne „geht aus“ - die Sonne ist die besagte Verkündigung Gottes, die der Himmel verkündigt (vgl. gut Dohmen 1983, S. 505). Oder aber: Die Sonne selbst ist jener Gott, dessen herrlicher Umlauf am Himmel in den Vv. 5c-7 gepriesen wird.

Das untige wird noch bearbeitet. Die FNn im Abs. zu Vv. 5c-7 auch.

In Vv. 8-10 wird in sechs parallelen Versen der Bereich des Rechts auf JHWH übertragen, der - wie gesagt - außerhalb Israels meist mit Sonnengöttern assoziiert war. Die Verse arbeiten dabei nicht nur mit der sechsmaligen Wiederholung der Wendung „die Torah / die Gebote  / das Gesetz /... JHWHs“, sondern auch auf Wortspielebene: Durch Wortspiele wird nach und nach die Torah „solarisiert“ (s. FNn; vgl. bes. Eaton 1968, S. 604f.; Klouda 2000, S. 188; Sarna 1965, S. 173f) und auch so die Sonne weiter depotenziert. In Vv. 11-15 schließlich kommt der Beter auf sein „eigentliches Anliegen“ zu sprechen: Auch er - als ein „Diener“ Gottes; d.h. einer, der seine Gebote befolgt - richtet sich zwar an seinen Vorschriften aus und bemüht sich so um Sündenfreiheit, doch bewahrt ja auch dies nicht vor versehentlich oder umbewusst begangene Sünden - und also bittet er um Bewahrung vor zukünftigen und Vergebung von begangenen Sünden.
(2) Gleichzeitig ließe er sich aber auch deuten als ein missionarisch-synkretistischer Text: Nichts im Psalm zwingt einen Leser, Diese Offenheit des Textes könnte durchaus auf den bewussten Gestaltungswillen des Psalmisten zurückgeführt werden: Für Anhänger der JHWH-Religion lässt er sich „gewöhnlicher“ Psalm verwenden; für Anhänger des Sonnenkultes dagegen weckt er mindestens Assoziationen, die ihm ermöglichen, seinen Sonnengott-Glauben in die JHWH-Religion zu integrieren.

IV.
Bonkamp 1949 hat vorgeschlagen, dass wir bei der Abfassungszeit konkret an das 18. Regierungsjahr des Joschija denken können - das Jahr, in dem gleichzeitig der Hohepriester Hilkija das Gesetzesbuch wieder auffand (2Kön 22,8) und Joschija daraufhin im Zuge der großen Tempelreinigung auch gegen den Sonnenkult vorging (2Kön 23,11); vgl. ähnlich auch Dürr 1927, S. 48; Sarna 1965, S. 175. Solche genauen Datierungen sind in der neueren Exegese zwar ein wenig unbeliebt geworden, aber wenn unsere Deutung des roten Fadens im Ps 19 richtig ist, können wir vielleicht wirklich an diese Zeit denken; das „große Vergehen“, von dem der Psalmst in V. 14 spricht, wäre dann vielleicht gerade seine einstige Verehrung der Sonne, derer er in seinem Unwissen um die Torah JHWHs schuldig gemacht hat.


aChorleiter (Dirigenten, Singenden, Musizierenden) - Genaue Bedeutung unklar. Die gewählte Übersetzung ist mehr oder weniger Konvention, obwohl es nicht an alternativen Übersetzungsvorschlägen mangelt. Hier ist die Bezeichnung übrigens recht glücklich: Vermutlich leitet sich das Wort her vom hebräischen netsach („glänzen, strahlen“); menatseach ist dann der „Glänzende, Strahlende“ (vgl. z.B. Delitzsch 1894, S. 83f), was sich in unserem Psalm gut zu den sonstigen Vokabeln aus dem Wortfeld „Licht“ fügt. (Zurück zu v.1)
bverkünden - heb. safar; v.a in den Psalmen wird dieses Verb bes. dann verwendet, wenn jemand von großen Taten Gottes berichtet (vgl. TWAT II, S. 168): Der Himmel wird hier vorgestellt als ein Prediger. (Zurück zu v.2)
cHimmel ist im Hebräischen ein Pluralwort; damit erklärt sich der Plural „Die Himmel“, der in vielen Übersetzungen zu finden ist. Ins Deutsche muss mit Singular übertragen werden. (Zurück zu v.2)
dZur Vorstellung der „Herrlichkeit“ s. die Anmerkungen. (Zurück zu v.2)
eWalten (Werk) - meist übersetzt als: „seiner Hände Werk“ i.S.v. „das, was er geschaffen hat“. Weil Himmel und Firmament aber ja selbst zu diesem Werk von Gottes Händen zählen, würden sie nach dieser Übersetzung nicht Gott verkünden, sondern sich selbst. Gemeint ist hier recht sicher eher allgemein das „Walten“ Gottes (so auch Baethgen 1892, S. 56; Dohmen 1983, S. 508; Oesch 1985, S. 71f). Alternativ könnte man diese Übersetzungsschwierigkeit auch durch eine andere syntaktische Auflösung umgehen: „Der Himmel verkündet die Herrlichkeit Gottes / und das Werk seiner Hände (=der Himmelsbogen) macht [sie] kund: das Firmament.“. So allerdings noch kein Exeget und es ist auch recht unwahrscheinlich: V. 2 ist sicher bewusst chiastisch gebaut: SUBJEKT: Der Himmel - VERB: verkündet - OBJEKT: Die Herrlichkeit Gottes / OBJEKT: Sein Walten - VERB: macht kund - SUBJEKT: Das Firmament. (Zurück zu v.2)
fseiner Hände (sein Walten) - Semitismus: Viele semitische Sprachen - u.a. das Akkadische, das Ugaritische und eben auch das Hebräische - sprechen von den Taten der „Hand von Person X“, wenn sie ausdrücken wollen, dass Person X selbst etwas getan hat. Im Deutschen ist das unüblich; übersetze „sein Werk“. (Zurück zu v.2)
gFirmament (Himmelsgewölbe) - In der israelitischen Kosmologie hat Gott die Welt geschaffen, indem er die Fluten, die anfangs die Erde bedeckten, hinter einen festen Himmelsbogen - vorgestellt als eine Art „metallener Deckel in Form einer Halbkugel“ (Soggin 1997, S. 33) - gesperrt hat (s. Gen 1,6; dazu FN p; für eine schöne grafische Darstellung des hebräischen Weltbildes s. hier). Mit Hieronymus hat sich für dieses „Schalenförmige“ die Bezeichnung „Firmament“ eingebürgert (von lat. firmamentum, „Das Festgefügte“); dieses ist hier gemeint. In der Bibel wird es allerdings häufig auch nur als Wechselbegriff für „Himmel“ verwendet und kann daher meist auch ohne großen Bedeutungsverlust derart ins Deutsche übertragen werden (was viele Übersetzungen auch tun); in unserem Psalm ist das wg. Vv. 5c.6a aber unglücklich. (Zurück zu v.2)
häußert es (strahlt es hervor, sprudelt es hervor?, äußert man?) - Häufig heißt es, das Verb nava (hier: „äußern“) meine eigentlich „sprudeln“ und es solle so eine besonders ekstatische Redeweise bezeichnet werden (z.B. Kraus 1961, S. 154; Kruger 2002, S. 114; Vos 2004, S. 260). Das ist irreführend: Sprachgeschichtlich mag das Wort tatsächlich einmal primär „sprudeln“ gemeint haben; in der Bibel ist das aber ausschließlich in Spr 18,4 merklich (und auch hier nur im Rahmen eines Wortspiels). An den übrigen Stellen ist es stets abgeblasst zur Bedeutung „reden, äußern“. Unsere Stelle legt im Gegenteil sogar nahe, dass mit dem Wort speziell das Äußern weiser Lehren bezeichnet werden soll (nava von „weisen Reden“ noch in Ps 78,2; Spr 1,23), da im nächsten Satz das Verb chawah folgt, das oft speziell „unterweisen, lehren“ meint (s. noch Ijob 15,17; 32,6; 36,2) - erst recht, wenn es (wie hier) zusammen mit da`ath („Wissen“) verwendet wird.
Interessanter für unseren Psalm: nava meint in Sir 43,2 „hervorstrahlen lassen“ (vgl. Ges18, S. 776); der Dichter verwendet also schon in unserem Vers in einem Wortspiel eine Vokabel, die gleichzeitig zum Wortfeld „Licht“ und „Weisheit“ gehört - was in Vv. 8-10 dann noch häufiger der Fall sein wird. (Zurück zu v.3)
iTag für Tag äußert es (Ein Tag äußert gegenüber dem nächsten Tag) + Nacht für Nacht lehrt es (eine Nacht lehrt der nächsten Nacht - Grammatisch sind beide Auflösungen möglich; nach der als Primärübersetzung angeführten Deutung ist Subjekt der Verben das Firmament, nach der als Alternativübersetzung angeführten Deutung jeweils das erste „Tag“ und „Nacht“. Die zweite Deutung findet sich häufiger in Übersetzungen, hat aber das Problem, dass sie vielen Exegeten teils recht fantasievolle Erklärungen abgenötigt hat, wie denn ein Tag mit dem nächsten Tag in Kontakt treten will, wenn doch zwischen beiden die Nacht liegt, und umgekehrt. Auch findet sich das Bild von „sprechenden Tagen“ und „lehrenden Nächten“ sonst nirgends in der Bibel; dass das Firmament aber in der Tat verkündigen kann, steht ja direkt im vorhergehenden Vers.
Theoretisch außerdem möglich: Verben in der 3. Pers. sing. mask. können im Hebräischen auch als impersonale Verben verwendet werden: „Man äußert“ (vgl. GKC §144d); die Struktur von Vv. 2-3 würde dann der z.B. von Ps 8,2 entprechen: „Auf der ganzen Erde wirst du verehrt, / im Himmel, da wirst du besungen!“ <-> hier: V. 2: Die Himmel verkünden Gott, V. 3: Auch auf der ganzen Erde spricht man über ihn. So aber m.W. bisher kein Exeget. (Zurück zu v.3)
jeine Nacht lehrt [der nächsten] Nacht Kenntnis, Nacht für Nacht lehrt man Kenntnis? - s. FN i; diese beiden Alternativen sind unwahrscheinlich, aber möglich. (Zurück zu v.3)
k(1) Nicht [ist es eine] Rede [und] nicht [sind es] Worte, deren Klang nicht gehört würde-
(2) Oder: „Nicht [ist es] Rede [und] nicht [sind es] Worte; ihr Klang wird nicht gehört.“

(3) Oder: „Nicht [ist es] Rede [und] nicht [sind es] Worte. Ohne, dass ihr Klang gehört würde, ...“
(4) Oder: „Nicht [gibt es] eine Sprache [und] nicht [gibt es] eine Zunge, worin ihr Klang nicht gehört würde.“

Entgegen gegenteiliger Beteuerungen einiger Exegeten ist jede dieser Auflösungen grammatisch möglich (gegen Gegenargumente gegen (1) und (4) vgl. gut König 1927, S. 95f). (2) findet sich am häufigsten in deutschen Übersetzungen, diese Deutung hat aber das Problem, dass damit ohne Not ein Widerspruch zwischen V. 4 und Vv. 3.5 aufgebaut würde: (+) Tag für Tag äußert er Rede: <-> (-) Es ist keine Rede! Ihr Klang ist unhörbar. <-> (+) Ihr Klang dringt in die ganze Welt. Duhm 1899 denkt deshalb doch ernsthaft (ähnlich Gowen 1929 und Klein 2013 (!)), dass es sich bei dem Satz um die nachträgliche Einfügung eines Gelehrten handle, der „nicht allzu scharfsinnige Leser“ darüber aufklären wollte, dass es sich hier nur um bildliche Rede handle. Das selbe spricht gegen Deutung (3). Sinnvoller sollte man daher von Deutung (1) oder (4) ausgehen; nach der ersten Deutung sagte der Satz dann das selbe wie und unterstriche die Aussage von V. 5, nach Deutung (4) würde er V. 3 weiterführen: Immer („Tag für Tag und Nacht für Nacht“) und überall („in jeder Sprache und Zunge“) lehrt das Firmament Kenntnis. Wir geben (1) den Vorzug, da sich diese Deutung so auch in sämtlichen alten Üss. findet (LXX, Aq, Sym, Theod, VUL, Syr, Tg) und auch in einigen deutschen Üss. gebräuchlich ist (ALB, ELB, FREE, MÜN, R-S, SLT, TEXT, van Ess); letztendlich spricht aber nichts gegen die ebenfalls schöne Deutung (4). (Zurück zu v.4)
lTextkritik: Der hebräische Text hat qaw (geschrieben: qw), „Schnur“. Trotz einiger Versuche, dieses „Schnur“ hier sinnvoll zu erklären (am besten wohl Herkenne 1936, S. 97: „Schnur“ = Maßeinheit („Messschnur“) = „Reichweite“) emendiere besser mit BHS, Arneth 2007, Cheyne 1904, Craigie 1983, Donner 1967, Dohmen 1983, Duhm 1899, Ehrlich 1905, Kissane 1953, Kittel 1914, Meinhold 1983, Morgenstern 1946, Wyatt 1995 nach qol (geschrieben: qwl), „ihr Klang“ - das selbe Wort wie im vorigen Vers. Das scheinen auch LXX, Sym und VUL nahezulegen (LXX: ftogos, „Laut, Ton“; Sym: ächos „Schall, Getöse“; VUL: sonus, „Klang“). Dass LXX qol sonst nicht mit ftogos wiedergegeben habe, ist nun wirklich kein Gegenargument, weil sich ftogos insgesamt einzig hier (und Weish 19,18, dem kein heb. Urtext zugrunde liegt) in der LXX findet. Für weitere Emendationsvorschläge vgl. Grund 2004, S. 26f.
Einige Exegeten haben außerdem vorgeschlagen, dass es ein zweites qaw mit der Bedeutung „Ruf, Verkündigung, Nachricht“ geben könnte (Anderson 1972, S. 169; Barth 1893 S. 29f.; Barthélemy 2005, S. 17f; Dahood 1965, S. 121f.; Kissane 1953, S. 86; Kön 403 (anders König 1927, S 97); Wagner 1999, S. 251); allerdings ist unsere Stelle die einzige, die zu dieser Annahme nötigen würde. (Zurück zu v.5)
m[geht aus] - Brachylogie aus V. 5a. (Zurück zu v.5)
nDer Sonne (dem Sonnenball) - Einige Üss. und Exegeten übersetzen ab 5c mit „Sonnenball“ statt „Sonne“, weil dann das grammatische Geschlecht besser zum Vergleich mit dem Bräutigam und dem Helden in V. 6 passt. Ist das sinnvoll? - Eine Entscheidung für den LF-Übersetzer. (Zurück zu v.5)
oaus (an) ihm - Das „ihm“ bezieht sich auf den Himmel in V. 2. Es ist nicht ganz sicher, was man sich hier vorzustellen hat. Im Alten Orient war die Vorstellung verbreitet, der Sonnengott lebe im Himmel in einem Palast (für eine Abbildung s. hier, vorletzte Seite). Entweder stellt man sich also vor, der Dichter würde hier völlig in die mythisierende Sprechweise wechseln und nun vom Sonnengott und seinem Palast sprechen, der dann in unserem Text aber merkwürdigerweise nur ein „Zelt“ ist - oder man geht davon aus, dass der Himmel selbst besagtes „Zelt“ ist, wie wir das im Deutschen ja auch im Ausdruck „Himmelszelt“ kennen und wie er auch in Jes 40,22 bezeichnet wird; der Satz wäre dann einfach metaphorisch für „Gott hat der Sonne den Himmel als den ihr eigenen Ort zugewiesen“ zu lesen (s. EVD, NCV: „The sky is like a home for the sun“; GNB: „God made a home in the sky for the sun.“; NeÜ: „Und am Himmel hat er die Sonne hingestellt“; NGÜ: „Gott hat der Sonne ihren Ort am Himmel gegeben“; NL, NLT: „Die Sonne wohnt am Himmel, wo Gott sie hingestellt hat“; NLT: „The sun lives in the heavens where God placed it.“). Die Frage lässt sich letztendlich wohl nicht entscheiden; wir haben der zweiten Deutung den Vorzug gegeben, weil man wohl eher nicht erwarten würde, dass der Dichter derart massiv auf konkrete mythische Inhalte aus der Sonnengottmythologie zurückgreift, wenn sein Anliegen wirklich die Entmythologisierung und Depotenzierung der als Gott verehrten Sonne war. (Zurück zu v.5)
p(1) Und sie [ist] wie ein Bräutigam, [der] ausgeht -

(2) Oder: „Und sie - wie ein Bräutigam geht sie aus aus ihrem Zelt.“

Beide Auflösungen sind grammatisch möglich; die Entscheidung hängt wieder daran, ob man schon in V. 5 das Zelt wörtlich als Wohnort des Sonnengottes oder als Metapher für den Himmel deuten will. Es macht auch bedeutungsmäßig einen Unterschied: Nach der ersten Deutung wäre das tertium comparationis vermutlich die Freudigkeit des Bräutigams nach der vollzogenen Hochzeitsnacht, nach der zweiten Deutung das Bräutigam-sein. Entscheidet man sich - wie wir - in V. 5 für die Metaphern-deutung, sollte man sich auch hier für Deutung (1) entscheiden; vgl. außerdem die nächste FN. Zudem wäre nur bei Deutung (1) das Pronomen wirklich motiviert. (Zurück zu v.6)
qBrautzelt - Heb. chuppa; nicht: „Gemach“ o.Ä.: Im Alten Israel war es Brauch, dass Braut und Bräutigam ihre Hochzeitsnacht in einem Brautzelt - der „Chuppa“ - vollzogen (vgl. Dalman 1928, S. 36; Homann 2002, S. 80; s. noch 2Sam 16,22; Joel 2,16 und häufig im rabbinischen Schrifttum; noch heute existiert dieser Brauch in abgewandelter Form, s. Wikipedia/Chuppa). Von diesem ist hier die Rede; ein weiteres starkes Indiz für die Richtigkeit unserer Syntaxdeutung (s. vorige FN). (Zurück zu v.6)