Obadja: Unterschied zwischen den Versionen

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{{S|10}}<ref>Hier muss man wohl einen neuen Abschnitt ansetzen: Gerichtsworte haben in der Bibel häufig die Stuktur [(A) Gerichtsankündigung] - [(B) Begründung (= (B1) Anklage + (B2) Entfaltung)] (vgl. z.B. Westermann 1960, S. 127). Die Funktion von (A) erfüllen hier Vv. 8f (und folgerichtig steht wie oft die Formel „Spruch JHWHs“ am Anfang dieses Abschnitts), die von (B1) Vv. 10f und die von (B2) Vv. 12-14. V. 15 bietet dann als Zusatz noch einmal das Fazit: Bei der Strafe an Edom handelt es sich um ausgleichende Gerechtigkeit. So lässt sich wohl auch die redundante Formulierung der Begründung in 10a erklären („Wegen des Mordens, wegen der Gewalttat“; s. vorige FN): Der doppelte Grund soll markieren, dass nun der Begründungsabschnitt beginnt.</ref> [Wegen des Mordens,]<ref name="Mord" /> wegen der Gewalttat (Unrechtstat, Freveltat) an deinem Bruder Jakob<ref>''Bruder Jakob'' - gemeint ist Juda, s. [http://www.offene-bibel.de/wiki/index.php5?title=Obadja#note_ab FN ab].</ref><br />
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{{S|10}}<ref>Hier muss man wohl einen neuen Abschnitt ansetzen: Gerichtsworte haben in der Bibel häufig die Stuktur [(A) Gerichtsankündigung] - [(B) Begründung (= (B1) Anklage + (B2) Entfaltung)] (vgl. z.B. Westermann 1960, S. 127). Die Funktion von (A) erfüllen hier Vv. 8f (und folgerichtig steht wie oft die Formel „Spruch JHWHs“ am Anfang dieses Abschnitts), die von (B1) Vv. 10f und die von (B2) Vv. 12-14. So lässt sich wohl auch die redundante Formulierung der Begründung in 10a erklären („Wegen des Mordens, wegen der Gewalttat“; s. vorige FN): Der doppelte Grund soll markieren, dass nun der Begründungsabschnitt beginnt.</ref> [Wegen des Mordens,]<ref name="Mord" /> wegen der Gewalttat (Unrechtstat, Freveltat) an deinem Bruder Jakob<ref>''Bruder Jakob'' - gemeint ist Juda, s. [http://www.offene-bibel.de/wiki/index.php5?title=Obadja#note_ab FN ab].</ref><br />
 
: wird Scham dich bedecken<ref>''Scham dich bedecken'' - laut ThWAT IV, S. 276 bildlich für „Scham wird dich völlig beherrschen/überwältigen“. Unter Umständen ist aber etwas anderes gemeint: In Israel und im ganzen Alten Orient war der Brauch verbreitet, seine Feinde nach deren Niederlage zu erniedrigen - z.B. durch Verunstaltung der Körper der Feinde (vgl. Lemos 2006). Auch dieses Erniedrigen wurde bezeichnet als „beschämen“. Als Folge einer Niederlage nennt das „von-Scham-bedeckt-sein“ auch [[Jeremia 51#s51 |Jer 51,51]]; [[Ezechiel 7#s18 |Ez 7,18]]; [[Habakkuk 2#s17 |Hab 2,17]]; [[Psalm 44#s16 |Ps 44,16]]. Vielleicht ist also hiervon die Rede; so gelesen passte der Sticho besser in den Zusammenhang der Niederlage und Vernichtung Edoms. So aber bisher niemand.</ref><br />
 
: wird Scham dich bedecken<ref>''Scham dich bedecken'' - laut ThWAT IV, S. 276 bildlich für „Scham wird dich völlig beherrschen/überwältigen“. Unter Umständen ist aber etwas anderes gemeint: In Israel und im ganzen Alten Orient war der Brauch verbreitet, seine Feinde nach deren Niederlage zu erniedrigen - z.B. durch Verunstaltung der Körper der Feinde (vgl. Lemos 2006). Auch dieses Erniedrigen wurde bezeichnet als „beschämen“. Als Folge einer Niederlage nennt das „von-Scham-bedeckt-sein“ auch [[Jeremia 51#s51 |Jer 51,51]]; [[Ezechiel 7#s18 |Ez 7,18]]; [[Habakkuk 2#s17 |Hab 2,17]]; [[Psalm 44#s16 |Ps 44,16]]. Vielleicht ist also hiervon die Rede; so gelesen passte der Sticho besser in den Zusammenhang der Niederlage und Vernichtung Edoms. So aber bisher niemand.</ref><br />
 
: und du wirst ausgerottet werden auf ewig.
 
: und du wirst ausgerottet werden auf ewig.

Version vom 13. November 2014, 21:14 Uhr

Syntax ungeprüft

SF ungeprüft.png
Status: Studienfassung zu prüfen – Eine erste Übersetzung aus dem Urtext ist komplett, aber noch nicht mit den Übersetzungskriterien abgeglichen und nach den Standards der Qualitätssicherung abgesichert worden und sollte weiter verbessert und geprüft werden. Auf der Diskussionsseite ist Platz für Verbesserungsvorschläge, konstruktive Anmerkungen und zum Dokumentieren der Arbeit am Urtext.
Folgt-später.png
Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Lesefassung (Obadja)

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

Anmerkungen

Studienfassung (Obadja)

1 Die Prophezeiunga Obadjas (Knecht JHWHs, JHWH-Verehrer)


So hat der Herr JHWH über (zu) Edom gesprochen, b

Eine Nachrichtc haben wir von JHWH gehört
und ein Boted wurde zu den Nationen gesandt:

„Erhebt euch (Auf!), lasst uns erhebene gegen esf zur Schlacht!“


2g{Siehe,}h Klein (unbedeutend) habe ich dich gemachti unter den Nationen (durch die Nationen)j.

Du [bist] sehr verachtet.

3 Die Vermessenheit deines Herzens (dein vermessenes Herz, deine Vermessenheit) hat dich getäuschtk,

[Der] in Felsenklüftenl (in den Klüften von Sela)m wohntn (der du wohnst)o
[Der] seinen Wohnsitz [in]p der Höhe [hat] (der du hast)o,

[Der] in seinem Herzen sprichtqo:

‚Wer kann mich zur Erde herabstürzen?‘ -

4 [Selbst], wenn du hoch machtestr wie der Adler (ein Adler)s -

ja, [selbst], wenn zwischen die Sterne gesetzt wäre (wenn du gesetzt hättest)t dein Nest -

[selbst] von dort würde ich dich herabstürzen!“

Spruch JHWHs.


5u Wenn Diebe über dich gekommen wären,

Wenn Räuber des Nachts [über dich gekommen wären]v -
[Ach!,] wie bist bist zu zerstört (zum Schweigen gebracht)w!x (Inwiefern wärest du [dann] zerstört?) -
Hätten sie nicht [nur]y genug für sich selbst gestohlen?

Wenn Winzer über dich gekommen wären -

hätten sie nicht eine Nachlese übrig gelassen?z

6 [Ach!,] wie sind (ist)aa Esauab durchsucht worden!x (Inwiefern ist Esau durchsucht worden?)

[Ach!, wie] wurden [selbst] seine Verstecke (versteckten Schätze)ac geplündertad!x (Inwiefern sind seine Verstecke geplündert worden?)

7 Bis zur Grenze haben dich getriebenae

alle Männer deines Bundes (alle deine Bundesgenossen).

Es haben dich betrogen - [ja,] überwältigt haben dich

Männer deines Friedens (Verbündete von dir).

Die, die dein Brot aßenaf,

legten eine Falle unter dichag (stellten dir eine Falle).ah


Nicht mehr (nicht) [wird sein] Verstand (Einsicht) in ihmai: 8{Wahrlich,} An jenem Tag“ -

Spruch JHWHs -aj

„werde ich die Weisen aus Ẹdom vernichten

und den Verstand (die Einsicht) vom Berg Esauak,

9 Und deine Krieger werden erschrecken (in Panik geraten, vernichtet werden)al, o Temanam,

so dass (damit) jedermann ausgerottet werden wird vom Berg Esauak {durch Mord}an.


10ao [Wegen des Mordens,]an wegen der Gewalttat (Unrechtstat, Freveltat) an deinem Bruder Jakobap

wird Scham dich bedeckenaq
und du wirst ausgerottet werden auf ewig.

11 An dem Tag, an dem du gegenüber standest (abseits standest)ar,

An dem Tag, an dem Fremde sein Heer (seine Habe)as wegführten;

Als Ausländer in seine Tore tratenat,

Als sie über Jerusalem Lose warfenau,av -

Auch du warst [da] wie einer von ihnen (Auch du warst wahrhaft einer von ihnen.aw).


12 Du sollst nicht sehenax (Sieh nicht...!, hättest nicht sehen sollen)ay

am Tag (Unglückstag) deines Brudersaz, am Tag seines Unglücksba;

Du sollst nicht schadenfroh sein (sei nicht schadenfroh!, hättest dich schadenfroh sein sollen)ay über die Söhne Judasbb

Am Tag ihres Untergangs;

Du sollst deinen Mund nicht groß machenbc (mach deinen Mund nicht groß!, hättst deinen Mund nicht groß machen dürfen)ay

Am Tag der Bedrängnis.

13 Du sollst nicht kommen (Komme nicht!, hättest nicht kommen dürfen)ay in das Torbd meines Volkes

Am Tag ihres (seines)be Unheils.

Du sollst nicht sehenax (Sehe nicht!, hättest nicht sehen sollen)ay - gerade du! - auf sein Unglück

Am Tag seines Unheils;

Du sollst nicht [die Hand] ausstrecken (strecke nicht [die Hand] aus!, du hättest nicht [die Hand] ausstrecken dürfen)ay nach seinem Heer (seiner Habe)as

Am Tag seines Unheils.

14 Du sollst nicht stehen (Stehe nicht!, hättest nicht stehen dürfen)ay am Ausschlupf (an der Weggabelung)bf,

Um seine Entronnenen auszurotten;

Du sollst nicht ausliefernbg (Liefere nicht aus!, hättest nicht ausliefern dürfen)ay seine Überlebenden

Am Tag der Bedrängnis.


15Denn der Tag JHWHs gegen alle Nationen ist nahe. So, wie du getan hast, wird dir getan werden. Die Art deiner Behandlung wird auf dein eigenes Haupt zurückkommen. 16Denn so, wie ihr auf meinem heiligen Berg getrunken habt, werden alle Nationen fortan beständig trinken. Und sie werden gewiss trinken und hinunterschlucken und so werden, als ob sie nie gewesen wären. 17Und auf dem Berg Zion, da werden bestimmt die Entronnenen sein, und er soll etwas Heiliges werden; und das Haus Jakob soll die Dinge in Besitz nehmen, die sie besitzen sollen. 18Und das Haus Jakob soll ein Feuer werden und das Haus Josef eine Flamme und das Haus Esau zu Stoppeln; und sie sollen sie in Brand setzen und sie verzehren. Und es wird für das Haus Esau kein Überlebender da sein; denn JHWH selbst hat es gesagt. 19Und sie sollen den Nẹgeb in Besitz nehmen, auch die Berggegend von Esau und die Schefela, ja von den Philistern. Und sie sollen das Feld von Efram und das Feld von Samaria in Besitz nehmen; und Benjamin soll Besitz ergreifen von Gilead. 20Und was die von dieser Vormauer ins Exil Weggeführten betrifft, den Söhnen Israels wird gehören, was die Kanaaniter bis nach Sarepta hin [besaßen]. Und die ins Exil Weggeführten Jerusalems, die in Sefarad waren, werden die Städte des Negeb in Besitz nehmen. 21Und gewiss werden Retter auf den Berg Zion hinaufziehen, um die Berggegend von Esau zu richten; und das Königtum soll JHWHs werden.


Anmerkungen

aDie Prophezeiung Obadjas - W.: „Vision Obadjas“; wie in 2 Chr 32,32; Jes 1,1 und Nah 1,1 ist „Vision von X“ hier die Überschrift eines ganzen Prophetenbuchs. (Zurück zu v.1)
bSchwieriger Vers. Schwierigkeit (1) ist, dass das Hebräische keine Anführungszeichen kennt. Diese und die nächsten beiden Zeilen können daher jeweils als Redeeinleitung gedeutet werden, auf die dann die Wiedergabe der wörtlichen Rede folgt - oder auch nicht. Mit dem Maximum an Redeebenen ergäbe dies also: [Prophetie Obadjas:] „So hat der Herr JHWH über Edom gesprochen: [Wiedergabe des Gesprochenen JHWHs:] ‚Eine Botschaft haben wir von JHWH gehört: [Wiedergabe des von JHWH Gehörten:] ‚Ein Bote wurde zu den Nationen gesandt (mit der Botschaft:) [Wiedergabe der Botschaft des Boten:] ‚Erhebt euch...‘‘‘“ Welche der Sätze als wörtliche Rede analysiert werden und welche nicht, ist völlig uneinheitlich in der Exegese.

Schwierigkeit (2) ist, dass hier untypischerweise nach der einleitenden Botenformel „So spricht JHWH über/zu Edom“ offenbar keine wörtliche Rede folgt, da sonst ja JHWH selbst berichten würde, eine Botschaft von JHWH übermittelt bekommen zu haben. In der Regel wird daher diese Botenformel entweder als eine zweite Überschrift verstanden (so die meisten) - was aber genau so untypisch wäre und ja nichts daran ändern würde, dass man nach einer solchen Überschrift eine wörtliche Rede JHWHs erwarten sollte, die eben nicht direkt folgt - oder textkritisch (-> Textkritik) ans Ende von V. 1 verschoben (so z.B. Nötscher 1958; Theis 1937; Wolff 1977; ).
Beide Schwierigkeiten lassen sich am leichtesten lösen, wenn man der Deutung von Schegg 1862 folgt, die offenbar in Vergessenheit geraten ist: Zeilen 3-4 stehen auf der selben Ebene wie Zeile 2, formen so einen Parallelismus und keine dieser Zeilen ist wörtliche Rede (s. S. 379). In drei aufeinanderfolgenden Zeilen wird derart die „Reichweite“ der Botschaft JHWHs nach und nach ausgeweitet: (1) Ohne Nennung der Reichweite: „So hat der Herr JHWH über Edom gesprochen“; (2)Wir“ - d.h. wohl: Ich (=Obadja) und die Judäer - „haben eine Botschaft von JHWH gehört“; (3)An [alle] Nationen wurde ein Bote gesendet“.

V. 1 bietet dann den Hintergrund, vor dem das Drohorakel in den folgenden Versen ausgesprochen werden kann: Es ist keine leere Drohung, sondern Gott hat die Bestrafung sogar bereits in die Wege geleitet. (Zurück zu v.1)
cFigura etymologica: Das Wort für Nachricht (meist: „Gerücht“) kommt vom selben Wortstamm wie „haben wir gehört“; es wirkt also wie: „Ein Gehörtes haben wir gehört“ (vgl. B-R: „ein Vernehmen vernahmen wir von IHM her“). (Zurück zu v.1)
dDer Bote ist wohl ein Engel, dessen Botschaft das göttliche Gericht einleitet; s. Mal 3,1; Dan 4,10.14.20; vgl. z.B. Rudolph 1971, S. 302; Sellin 1922, S. 231. (Zurück zu v.1)
eErhebt euch, lasst uns erheben - Oder: (1) Das einleitende „erhebt euch“ wird im Hebräischen auch häufig verwendet als bloßer „Vorbereitungsimperativ“; in etwa vergleichbar einem deutschen „Los!“, „Auf gehts!“; also „Los, lasst uns erheben!“; eine Selbstermunterungsformel. (2) Außerdem gibt es im Hebräischen einen sogenannten „Pseudo-imperativ“: In einer Imperativkette dient der erste als Bedingung, der zweite als Folge, also „Wenn ihr euch erhebt, werden auch wir uns erheben“. Die meisten Üss. übersetzen nach Deutung (1), aber wahrscheinlicher ist hier Deutung (2) zu wählen: Das Buch Obadja zerfällt recht deutlich in zwei Teile, deren erster einen bereits erfolgten Sieg fremder Nationen über Edom berichtet und deren zweiter einen noch ausstehenden Sieg Judas/Israels über Edom und schließlich sämtliche Völker prophezeit; diese Doppelstruktur wäre in diesem ersten Vers dann bereits vorweggenommen. Vgl. auch die Üs. von Dick 2005: „Arise so we can rise against her in battle!“
Dass nach unserer Deutung JHWH sich selbst in ein größeres Heer inkludiert, ist nicht problematisch; das Bild vom an der Seite von Menschen streitenden JHWH findet sich häufig in der Bibel; ein schönes Bsp. ist etwa Ps 144; s. auch Ps 5,13; Ps 149,7-9 u.ö. (Zurück zu v.1)
fEs meint Edom (so fast alle Exegeten): Edom ist zwar sonst im Obadjabuch maskulin, „es“ dagegen feminin, doch außerhalb des Obadjabuches findet sich Edom noch häufiger als Femininum und ein variabler Genus bei Nationenbezeichnungen findet sich auch häufiger in der Bibel. (Zurück zu v.1)
gAb V. 2 gibt Obadja JHWHs Rede wider Edom wieder; in der LF muss man das wahrscheinlich durch eine neue Redeeinführung verdeutlichen. (Zurück zu v.2)
hSiehe ist eine sogenannter „Diskurspartikel“, deren wörtliche Übersetzung sich seltenst empfiehlt. Ihre Funktion ist es, das folgende Vergangene als besonders relevant für die aktuelle Rede zu kennzeichnen (vgl. z.B. Nic §67); hier also wohl genauer: JHWH hat Edom schon jetzt unwahrscheinlich klein und unbedeutend gemacht (Vv. 2-7), doch selbst dies ist kein Vergleich zu dem, was am „Tag JHWHs“ (dazu s.u.) mit Edom geschehen wird (Vv. 8f.15). (Zurück zu v.2)
ihabe ich dich gemacht - viele deuten als „prophetisches Perfekt“ (d.h.: Die Verbform Qatal, die sonst für Vergangenheit und Gegenwart verwendet wird, stünde hier für Futur): „werde ich dich machen“. Das ist nicht sehr wahrscheinlich; erstens wegen der Partikel hinneh („Siehe“; s.o.), zweitens, weil ab V. 8 die Verbformen Yiqtol und Weqatal verwendet werden, wo man noch eher ein prophetisches Perfekt erwarten würde. Möglich ist aber auch dies. (Zurück zu v.2)
junter den Nationen (durch die Nationen) - Wortspiel im Hebräischen: Die Präposition b („unter“) dient meist der Verortung, „unter den Nationen“ ist dann eine Art Superlativ: „Ich habe dich gering unter den Völkern gemacht“ = „Ich habe dich zum geringsten aller Völker gemacht“; vgl. Jenson 2008, S. 13; so auch CJB: „I am making you the least of all nations“; GN: „Ich mache dich zum letzten der Völker“; GW: „Edom, I will make you the smallest of nations“. Als sogenanntes Beth instrumenti kann die Präposition aber auch das „Mittel“ angeben, mithife dessen man etwas macht, also „durch die Nationen habe ich dich gering gemacht“; und von diesem - dass fremde Nationen Edom „gering gemacht“ haben - berichten dann ja Vv. 5-7. (Zurück zu v.2)
kDie Vermessenheit deines Herzens (dein vermessenes Herz, deine Vermessenheit) hat dich getäuscht - Nicht wörtlich zu übersetzen: Das „Herz“ ist in der hebräischen Anthropologie wesentlich häufiger Sitz des Verstandes als der Emotionen (vgl. z.B. Krüger 2009, S. 104); die dt. Entsprechung ist daher meist eher „Geist, Verstand“ als „Herz“. Und das mit „täuschen“ übersetzte Wort nascha´ „steht meist für die Täuschung durch scheinbar vernünftige, überzeugendes Rede oder Argumentation (z.B. Jes 36,14 [|| 2 Kön 18,29]; Jer 4,10; 2 Chr 32,15) und wird daher oft assoziiert mit fehlerhafter Weisheit (Gen 3,13; Jes 19,13 (vgl. Vv. 11-14)).“ (Ben Zvi 1996, S. 55). Treffender als die wörtliche Übersetzung „Die Vermessenheit deines Herzens hat dich getäuscht“ wäre daher etwas wie „Ob der Vermessenheit deines Geistes hat du dich verrechnet“ - was besonders an Edom gerichtet ein harter Vorwurf war, denn die Weisheit Edoms war sprichwörtlich; s. Ijob 2,11; Jer 49,7. (Zurück zu v.3)
lMit den Felsenklüften sind sicher (oft: künstlich erweiterte und ausgehauene) Gebirgshöhlen gemeint, in denen man damals gerade im bergigen Gegenden häufig lebte. (Zurück zu v.3)
mFelsenklüften (Klüften von Sela) - das hebräische sela kann als Klassennomen ein „Gebirge“ bezeichnen, ist aber gleichzeitig ein edomitischer Ortsname: „Sela“. Früher wurde dieses Sela oft mit der Stadt Petra gleichgesetzt; heute geht man eher davon aus, dass es sich um die edomitische Festung es-Sela nahe Bosora gehandelt haben muss (vgl. z.B. Dick 2005, S. 8; für einige Bilder s. hier). Welches von beidem gemeint ist, ist nicht zu entscheiden; als Ortsname würde es aber auch deshalb Sinn machen, weil Sela eine wichtige Rolle bei der Eroberung Edoms durch Nabonidus spielte, auf die wohl auch das Obadjabuch anspielt (s. Anmerkungen). (Zurück zu v.3)
nDie Edomiter lebten am und im Gebirge Seir. Die Sicherheit eines Aufenthaltsorts im Gebirge ist ein häufiges Bild in der Bibel; hier täuscht es aber: Edom mag noch so „gebirgig“ wohnen; sicher vor JHWHs Vergeltung ist es deshalb noch lange nicht. (Zurück zu v.3)
oW. Die Vermessenheit deines Herzens hat dich betrogen, [er ist] wohnend in Felsenklüften, [in] der Höhe [ist] sein Wohnsitz, [er ist] sprechend:.... Drei asyndetische inkongruente Relativsätze: Im Hebräischen muss die Relativpartikel ascher („der“) nicht gesetzt werden, daher „[der] wohnend ist“ statt „er ist wohnend“ etc.; und solche asyndetische Relativsätze sind im Hebräischen häufiger inkongruent (vgl. Joosten 1993; ad loc. Ehrlich 1912b, S. 258), daher „der du wohnend bist“ statt „der wohnend ist“ etc. (zu v.3)
p[in] - Brachylogie aus Sticho b oder accusativus loci. (Zurück zu v.3)
qin seinem Herzen spricht - vom Sinn her wieder eher: „der du dir ausgerechnet hast:...“; vgl. FN k (Zurück zu v.3)
rwenn du hoch machtest - Oder: „Wenn du so hoch/erhaben wärest wie ein Adler“ oder „dich so hoch/erhaben machtest wie ein Adler“, d.h. „Wenn du so hoch flögest wie ein Adler“ (so z.B. Bewer 1911; Brown 1996; Dicou 1994; Eiselen 1911; Lescow 1999; Stuart 1987). Doch sehr viel wahrscheinlicher ist „dein Nest“ das Objekt des Verbs „hoch machen“ (vgl. Num 24,21) und zwischen beide Satzglieder ist - den Vergleich noch übersteigernd - das „ja, selbst, wenn zwischen die Sterne gesetzt wäre“ als Ausdruck der Hybris Edoms eingeschoben. (Zurück zu v.4)
sder Adler (ein Adler) In Vergleichen sind im Hebräischen Substantive häufig auch dort determiniert, wo in einem entsprechenden deutschen Vergleich ein Substantiv indeterminiert wäre (d.h.: wo das Deutsche „ein Adler“ statt „der Adler“ setzen würde); übersetze daher: „ein Adler“.
Der Adler ist in der Bibel öfters eine Metapher für eine zerstörerische Macht (s. noch Ijob 9,26; Jer 4,13; 48,40; 49,22); der Vergleich meint also: „Und wenn du noch so mächtig und gesichert wärest: Ich würde dich dennoch überwältigen.“ (Zurück zu v.4)
tTextkritik: MT hat „wenn gesetzt wäre“; LXX und VUL legen aber stark nahe, dass im ursprünglichen Text stand: „wenn du gesetzt hättest“ (s. BHS; so z.B. auch Bewer 1911; Nötscher 1958; Stuart 1987 u.a.). Mur XII dagegen stützt MT und der Text bereitet auch keine Probleme, so dass man ihn beibehalten kann. (Zurück zu v.4)
uDass mit V. 5 ein neuer Abschnitt in der Strophe Vv. 2-7 beginnt, wird ganz deutlich durch den Stilwechsel: (1) sind Vv. 5-7 im Gegensatz zu Vv. 2-4 und Vv. 8-11 durch nichts als Rede JHWHs ausgezeichnet, (2) wechseln Vv. 5-7 vom Urteil JHWHs über Edom zu in den Stil einer sarkastischen Stadtklage (s. zu „Ach!, wie bist zu zerstört!“ (V. 5); „Ach!, wie ist Esau durchsucht worden!“ und „Ach!, wie wurden selbst seine Verstecke geplündert!“ (V. 6)); (3) weist in diese Richtung das „Spruch JHWHs“ am Ende von V. 4, das hier - wie oft - das Ende eines Abschnitts markiert (so z.B. auch Ben Zvi 1996, S. 46; Clark 1991, S. 328; Dick 2005, S. 9). (Zurück zu v.5)
v[Über dich gekommen wären] - Brachylogie aus Sticho 1. (Zurück zu v.5)
wzerstört (zum Schweigen gebracht) - Wortspiel im Hebräischen: Natürlich heißt hier damah primär „zerstören“, doch kann es auch „zum Schweigen bringen“ bedeuten, und vor dem Hintergrund des „sich verrechnenden Großredens“ in V. 3 nimmt es hier so einen Doppelsinn an: Nicht nur Edom selbst, sondern auch seiner Großmäuligkeit hat Gott ein Ende gemacht: Edom wurde „zerstört/zum Schweigen gebracht“ (vgl. gut Ben Zvi 1996, S. 80). (Zurück zu v.5)
xDie drei mit ´ek ([Ach!,] wie...“) eingeleiteten Stichos sind typische Bestandteile der Textsorte „Stadtklage“ (zur Gattung vgl. z.B. Koenen 2013, zum ´ek-Ruf in Stadtklagen z.B. Hardmeier 2007, Abs. 2.2.1), mit der der Untergang einer Stadt betrauert wird. Gerichtet an den alten Erzfeind Edom hat das natürlich etwas zutiefst sarkastisches: „Eine Runde Mitleid für Edom!“ (Zurück zu v.5 / zu v.6)
y[nur] - Fokuspartikel wie „nur“ werden im Hebräischen sehr oft nicht gesetzt; im Deutschen muss man sie sich jeweils hinzudenken; vgl. ad loc. gut Ehrlich 1912b, S. 257. (Zurück zu v.5)
zHätten sie nicht eine Nachlese übrig gelassen? - Anspielung auf den altorientalischen Brauch, bei der Ernte Reste für die Bedürftigen übrig zu lassen, die diese nach der Ernte einsammeln konnten (s. z.B. Lev 19,9; Dtn 24,19.21). Die Ernte ist in der Bibel noch öfter ein Bild für die völlige Zerstörung, s. noch Jes 17,4-6; 24,12f; Jer 6,9 und die Parallelstelle zu unserem Vers, Jer 49,9: Selbst bei einer Ernte bleiben wegen des besagten Brauchs Reste übrig - doch Edom war diese Gnade nicht gewährt; das macht V. 6 klar: Selbst die Schätze Edoms wurden aufgestörbert (vgl. gut Jenson 2008, S. 15f). (Zurück zu v.5)
aaTextkritik: W. „Wie sind Esau zerstört worden“; „Esau“ wird hier als Kollektivum mit einem Pluralverb konstruiert (vgl. Mey §94.5a; ad loc. Wolff 1977, S. 17), was ins Dt. mit Sg. übertragen werden muss. Eine Emendation ist unnötig und auch der Sg. der LXX muss nicht bedeuten, dass in einer früheren Textversion Sg. gestanden war. (Zurück zu v.6)
abEsau - Nach einer alten Überlieferung ist der Stammvater der Judäer Jakob, der Stammvater der Edomiter dessen Bruder Esau (s. bes. Gen 25,19-30); „Esau“ steht hier also für Edom. (Zurück zu v.6)
acVerstecke (versteckten Schätze) - Bedeutung unsicher (-> Hapax legomenon). Aber das hebräische mazpon kommt vom Verb zapan („verbergen, verstecken“) und auch LXX und VUL legen entweder die Bedeutung „Verstecke“ oder „versteckte [Dinge]“ - also Schätze - nahe.
Im Kriegsfall pflegte man im Alten Orient, wertvolle Dinge zu verstecken, damit sie bei einer Niederlage nicht dem Feind in die Hände fielen; von solchen Verstecken/„Schätzen“ ist hier die Rede. (Zurück zu v.6)
adgeplündert - meist: „durchstöbert“, „durchsucht“ o.Ä. Das seltene heb. Verb ba`ah ist aber wohl nicht einfach ein Synonym zum „durchsuchen“ im vorigen Sticho: In Ex 24,4 bezeichnet es das vollständige Abweiden eines Berges durch Vieh und meint also wohl hier die gewaltsame, vollständige Leerung Edoms. Gut daher GNB, GW: „looted“; NIV: „pillaged“ (beides: „geplündert“).
Im Hebräischen bildet der Sticho so einen entfernten Parallelismus mit der Rede von den Winzern in V. 5.: Edom ist „abgeerntet und abgegrast“. (Zurück zu v.6)
aeBis zur Grenze haben sie dich getrieben - Bedeutung unsicher. Am wahrscheinlichsten ist gemeint, (1) dass Edoms Verbündete sie aus ihrem eigenen Land vertrieben haben (so z.B. Bewer 1911) oder es ist (2) gemeint, dass Edom Unterhändler mit der Bitte um Hilfe zu seinen Verbündeten geschickt hat, die aber abgewiesen und zurück über die Grenze geschickt wurden (so z.B. Niehaus 2009; Sellin 1922). (1) ist wahrscheinlicher, da es historisch in der Tat so geschehen ist: Entweder sind mit den ehemaligen Bundesgenossen die Babylonier gemeint, die wenige Jahre nach der Eroberung Judas (587 v. Chr.) auch über Edom herfielen (553/2 v. Chr.; so z.B. Bartlett 1989, S. 159; Dick 2005, S. 11f), oder die (Vorfahren der) Nabatäer, die sich dem Einflussbereich Babylons entzogen, indem sie nach der Eroberung Edoms durch die Babylonier in Edom einwanderten/einfielen und so wiederum die Edomiter nach und nach in die Gegend der Wüste Negev abdrängten (so z.B. Jeremias 2007, S. 58.66). Gegen (2) vgl. außerdem noch gut Ben Zvi 1996, S. 88, FN 74. (Zurück zu v.7)
afDie, die dein Brot aßen ist ebenso wie das „Männer deines Bundes“ und das „Männer deines Friedens“ ein Ausdruck für Verbündete; s. Ps 41,10. Der Ausdruck geht wohl darauf zurück, dass im Alten Israel Bündnisse bei einem gemeinsamen Mahl (wofür in der Bibel sehr häufig synekdochisch nur „Brot“ steht) geschlossen wurden. (Zurück zu v.7)
agW. werden eine Falle unter dich legen; (bedeutungsloser) T-Shift (so z.B. auch Ben Zvi 1996, S. 92), der im Deutschen nicht beibehalten werden sollte, da es solche Shifts im Deutschen nicht gibt. Vgl. z.B. den parallelen Aufbau von Ps 93,3 (dazu z.B. Nic §172); vgl. außerdem den P-Shift in V. 13. (Zurück zu v.7)
ahSehr schwieriger Vers. Bis inklusive der vorletzten Zeile lautet er wörtlich etwa: „Es trieben dich bis zur Grenze alle Männer deines Bundes betrogen dich überwältigten dich Männer deines Friedens dein Brot legten eine Falle unter dich.“

Schwierigkeit (1) ist, dass die Phrasen „alle Männer deines Bundes“ und „Männer deines Friedens“ je sowohl zum vorangehenden als auch zum folgenden Verb gezogen werden könnten, also entweder „Es trieben dich bis zur Grenze alle Männer deines Bundes, / sie betrogen dich.“ oder „Sie trieben dich bis zur Grenze; / alle Männer deines Bundes betrogen dich.“ und entweder „Es überwältigten dich Männer deines Friedens, / sie legten eine Falle unter dich.“ oder „Sie überwältigten dich, / Männer deines Friedens legten eine Falle unter dich.“
Schwierigkeit (2) ist die Deutung des rätselhaften „dein Brot“. Geradezu witzig Lescow 1999: „Dein Brot! Sie legen Fußangeln unter dich!“; sinnvollere Vorschläge:

  1. „Dein Brot“ wird mit Halévy 1907, S. 458 nach LXXL, Sym, VUL, Tg umpunktiert zu „die, die mit dir Brot aßen“ (so die meisten); also „Es überwältigten dich Männer deines Friedens; / die, die mit dir Brot aßen, legten eine Falle unter dich.“ - doch müsste man das Wort, das dann von diesen als „die, die mit dir Brot aßen“ übersetzt wird, eigentlich übersetzen als „die, die dich aßen“ (vgl. Davies 1977, S. 485f; Jenson 2008, S. 16f).
  2. „Dein Brot“ wird mit Wellhausen 1893, S. 204 nach LXX und Mur XII gestrichen oder als Glosse ausgeschieden (so z.B. Nötscher 1958; Theis 1937; Wolff 1977) - doch wäre dann nicht erklärlich, wie und warum dieses Wort/diese Glosse dann in den MT hineingekommen sein sollte (vgl. Davies 1977, S. 485f).
  3. Vor „dein Brot“ wird textkritisch das Verb „die, die essen/aßen“ ergänzt (Davies 1977, S. 486; Jenson 2008, S. 16f.; ähnlich schon Ehrlich 1912b, S. 259; ähnlich auch Ben Zvi 1996, S. 86, FN 67): „Die, die dein Brot aßen“.

Von diesen drei Lösungen ist für die LF sicher die dritte zu wählen; dies löst dann auch zumindest ein stückweit Schwierigkeit (1), da dann wenigstens die Zuordnung der Phrase „die Männer deines Friedens“ klar ist. Wegen des Parallelismus und weil sonst im ersten Sticho das Subjekt offengelassen wäre, sollte man dann entsprechend auch das „alle Männer deines Bundes“ zum vorangehenden Verb ziehen. Dann ist wiederum unklar, wozu das Verb „sie überwältigten dich“ gehört, was sich aber über die Poetik des Verses lösen lässt: Im ganzen Vers stehen sehr viele Wörter, die auf das Suffix -ka enden; der Vers lässt sich daher so strukturieren, dass die Stichos sich reimen und das in jedem Sticho entweder das Subjekt oder das Verb eines Satzes steht (vgl. Dicou 1994, S. 21):
ad-hagäbul schilechuka („Bis zur Grenze haben dich getrieben“)

kol ´ansche bäriteka („alle Männer deines Bundes“).

hischi´uka jakalu läka („Es haben dich betrogen - überwältigt haben dich“)

´ansche schälomeka („Männer deines Friedens“).

[lochame] lachmäka („Die, die dein Brot aßen“)

jaschimu mazor tachteka („legten eine Falle unter dich“). (Zurück zu v.7)
aiin ihm - d.i. in Edom; der Sticho gehört bereits zu V. 8, wie (1) durch die parallele Formulierung in Dtn 32,28, (2) den Wechsel von der 2. zur 3. Person (3) das verknüpfende Stichwort „Verstand“ und (4) die Verbform Weqatal in V. 8 klar wird (so z.B. schon Schegg 1862, S. 384; ähnlich Wolff 1977, S. 33). Die Weisheit Edoms war sprichwörtlich; s. Ijob 2,11; Jer 49,7; dass „in Edom kein Verstand mehr sein wird“ meint also letztendlich: Edom wird völlig zernichtet. (Zurück zu v.7)
aj{Wahrlich,} An jenem Tag - Spruch JHWHs - „An jenem Tag - Spruch JHWHs“ ist eine geprägte Wendung in der Bibel; vgl. noch Jes 22,25; Jer 4,9; 30,8; 39,17; Jer 49,26; 50,30; Ez 38,18; Hos 2,18.23; Am 2,16; 8,3.9; Mic 4,6; 5,9; Zef 1,10; Hag 2,23; Sach 3,10; 12,4; 13,2 (Baumgärtel 1961 listet noch weitere Stellen mit verwandten Formeln). „An jenem Tag“ bezeichnet dabei stets einen Tag des Heils oder Unheils, für den Gott eine Verheißung oder ein Unheil prophezeien lässt; „Spruch JHWHs“ soll dann diese Heils- oder Unheilsprophetie jeweils noch zusätzlich stützen, indem sie die Prophetie explizit zurückbindet an JHWH, ihren „Auftraggeber“.
Sicher ist daher nicht zu übersetzen als rhetorische Frage („Werde ich nicht an jenem Tag - Spruch JHWHs - ...?“ - so fast alle); das hebräische halo ist hier nicht das häufige halo zur Einleitung rhetorischer Fragen („ist es nicht so, dass...?“), sondern ein sogenanntes „asseveratives halo(„Wahrlich!“, „Sicherlich!“; dazu vgl. z.B. Blau §103.3; Moshavi 2011; Sivan/Schniedewind 1993), das dem folgenden Drohorakel noch zusätzlich Gewicht verleihen soll (Im Deutschen gibt es kein vergleichbares Ausdrucksmittel; es sollte daher in der Üs. besser ausgespart werden). Es wird überdeutlich: Hier beginnt ein neuer Abschnitt in Obadjas Prophetie; ab hier „geht es zur Sache“: Obadja tut nun JHWHs „eigentliches“ Drohorakel kund. (Zurück zu v.8)
akBerg Esau: Das Gebirge Seir; s. FNn n.ab. (Zurück zu v.8 / zu v.9)
alerschrecken (in Panik geraten, vernichtet werden) - Worspiel (->Janus-Parallelismus) im Hebräischen: Das Wort chatat meint meist „erschrecken“, kann aber auch für das „zerbrechen, zusammenbrechen“ i.S.v. „vergehen“ - auch von Menschen - stehen (vgl. Wolff 1977, S. 34, der auch hier mit „zusammenbrechen“ übersetzt; ebenso Brown 1996: „they shall be shattered“). Vermutlich hat es sogar wesentlich häufiger diese Bedeutung, als es i.d.R. gedeutet wird (s. noch 2 Kön 19,26; Jes 20,5; 37,27; Jer 8,9; 17,18; Jer 49,37; 50,36; Hab 2,17; wohl auch Jes 31,9). Der Sticho kann also sowohl meinen, dass Edoms Krieger „erschrecken“, d.h., in Panik geraten (Dick 2005: „they will panic“; Hagedorn 2010: „sie werden verwirrt/in Panik geraten“; Raabe 1996: „will be panic-stricken“) - und ist so die Fortführung von V. 8 (-> Vernichtung des Verstandes in Edom) - oder, dass Edoms Krieger ausgerottet werden - und steht so im Parallelismus zu 9b (-> Ausrottung aller Bürger Edoms). (Zurück zu v.9)
amTeman war neben Bosora die bedeutendste Stadt Edoms und steht daher häufig metonymisch für den ganzen südlichen Teil Edoms oder gar ganz Edom; so wohl auch hier. (Zurück zu v.9)
anTextkritik: Nach dem masoretischen Text gehört „durch Mord“ ans Ende von V. 9; so auch Tg. LXX, VUL und Syr dagegen lasen es als erstes Wort von V. 10 („Wegen des Mordens“). Die Aufteilung der Bibel in Verse erfolgte erst um 1448 durch Rabbi Nathan, so dass der ursprüngliche Text beide Möglichkeiten bot. Der Lesart von LXX, VUL und Syr folgen z.B. auch BHS und viele Exegeten; dem folgen auch wir: Dafür spricht, dass dann sowohl V. 8d als auch 9b mit „Berg Esau“ enden würde und dass das Wort V. 9 inhaltsmäßig nichts hinzufügen würde; auch das am häufigsten vorgetragene Argument für die Lesart von MT und Tg - dass die doppelte Angabe des Grundes in V. 10 („wegen des Mordens, wegen der Gewalttat“) redundant war - greift nicht, denn derartige Redundanzen sind sogar typisch für den Stil des Obadjabuches und daher eher noch ein weiteres Argument für diese Lesart (vgl. „der du in Felsenklüften wohnst“ + „dessen Sitz hoch ist“ (V. 3); „hoch wie ein Adler“ + „zwischen die Sterne“ (V. 4); „Diebe“ + „Räuber bei Nacht“ (V. 5); „es haben dich betrogen“ + „es haben dich überwältigt“ (V. 7) und direkt im nächsten Vers „Am Tag, als du abseits standest“ + „Am Tag, als Fremde sein Heer fortführten“ (V. 11)). (Zurück zu v.9 / zu v.10)
aoHier muss man wohl einen neuen Abschnitt ansetzen: Gerichtsworte haben in der Bibel häufig die Stuktur [(A) Gerichtsankündigung] - [(B) Begründung (= (B1) Anklage + (B2) Entfaltung)] (vgl. z.B. Westermann 1960, S. 127). Die Funktion von (A) erfüllen hier Vv. 8f (und folgerichtig steht wie oft die Formel „Spruch JHWHs“ am Anfang dieses Abschnitts), die von (B1) Vv. 10f und die von (B2) Vv. 12-14. So lässt sich wohl auch die redundante Formulierung der Begründung in 10a erklären („Wegen des Mordens, wegen der Gewalttat“; s. vorige FN): Der doppelte Grund soll markieren, dass nun der Begründungsabschnitt beginnt. (Zurück zu v.10)
apBruder Jakob - gemeint ist Juda, s. FN ab. (Zurück zu v.10)
aqScham dich bedecken - laut ThWAT IV, S. 276 bildlich für „Scham wird dich völlig beherrschen/überwältigen“. Unter Umständen ist aber etwas anderes gemeint: In Israel und im ganzen Alten Orient war der Brauch verbreitet, seine Feinde nach deren Niederlage zu erniedrigen - z.B. durch Verunstaltung der Körper der Feinde (vgl. Lemos 2006). Auch dieses Erniedrigen wurde bezeichnet als „beschämen“. Als Folge einer Niederlage nennt das „von-Scham-bedeckt-sein“ auch Jer 51,51; Ez 7,18; Hab 2,17; Ps 44,16. Vielleicht ist also hiervon die Rede; so gelesen passte der Sticho besser in den Zusammenhang der Niederlage und Vernichtung Edoms. So aber bisher niemand. (Zurück zu v.10)
argegenüber standest (abseits standest) - das hebräische amad minneged kann sowohl das feindliche sich-Aufstellen-gegenüber-von-X meinen (s. 2 Sam 18,13) als auch das unbeteiligte daneben-Stehen (s. Ps 38,12). Edom werden hier also entweder wieder seine feindlichen Handlungen vorgeworfen - oder nur die Tatsache, dass es für seinen „Bruder“ nicht Partei ergriffen hat. Sticho 11e („Da warst auch du wie einer von ihnen“ - d.h. wie einer von denen, die Judas Heere gefangen nahmen, die ihre Städte okkupierten und über Jerusalem Lose warfen) macht die erste Bedeutung sehr viel wahrscheinlicher. (Zurück zu v.11)
assein Heer (seine Habe) - das hebräische chajil kann beides bedeuten; auch das in V. 11 folgende Verb („wegführten“) kann sowohl für Personen als auch für Güter stehen. Welches von beidem hier gemeint ist, ist nicht entscheidbar, denn nach den folgenden Zeilen hat sich Edom beider Dinge schuldig gemacht: Sie haben sowohl Judas Bürger in die Gefangenschaft entführt (V. 14) als auch sich seiner Habe bemächtigt (V. 13). Vielleicht ist also gerade deshalb dieses Wort gewählt, um beide Bedeutungen zuzulassen (so auch Raabe 1996); übersetze am Besten: „Heer und Habe“. (Zurück zu v.11 / zu v.13)
atin seine Tore traten - nicht: „durch seine Tore traten“. Das Wort für „Tor“ meint nicht einfach eine Schwelle, durch die eine Stadt betreten werden konnte, sondern einen größeren Bereich: Im Alten Orient war das Tor das administrative Zentrum einer Stadt; hier wurde Markt gehalten, Gericht gesprochen, Nachrichten wurden ausgetauscht und Heere gemustert (für eine schöne Darstellung s. z.B. hier, S. 69). Dass „Ausländer in seine Tore traten“ meint also, dass sie in „in seinen Torbereich“ - den Herrschaftsbereich einer Stadt - eindrangen. Bisweilen errichtete ein König bei der Eroberung einer Stadt sogar einen Thron im Tor, um damit seine nunmehr erlangte Herrschaft über diese Stadt zu symbolisieren (vgl. z.B. IDB I, S. 355; ad loc. Niehaus 2009, S. 529). Das ist hier gemeint. (Zurück zu v.11)
auLose warfen - Losmantik war im ganzen Alten Orient verbreitet. Das goral-Los, von dem hier die Rede ist, leitet sich vermutlich her vom arabischen garila („steinig sein“); gelost wurde damit so, dass mehrere Steine in ein Behältnis getan wurden, das dann reihum gereicht wurde. Auf denjenigen, bei dem ein besonders gekennzeichneter Stein aus dem Behältnis kam, „fiel das Los“; d.h., er war von den Göttern / von Gott ausgewählt worden für das, worüber gerade gelost wurde.
Hier losen die Ausländer über Jerusalem, die heilige Stadt - ein gewaltiges Sakrileg. (Zurück zu v.11)
avOder:

An dem Tag, an dem du gegenüber standest,

An dem Tag, an dem Fremde sein Heer wegführten,

Betraten Ausländer seine Tore

Und warfen Lose über Jerusalem.
Von den Verbformen liegt das eigentlich sogar etwas näher, aber in der Exegese wird ganz einheitlich die Primärübersetzung vertreten. (Zurück zu v.11)
awSo sinnvoll Dick 2005, S. 4; Gordis 1943, S. 177: k nicht als Vergleichspartikel (wie einer von ihnen“), sondern als „asseveratives Kaph“ zum Ausdruck von Emphase: Wie ein Paukenschlag wird am Ende der Anklage der zentrale Vorwurf vorgebracht: Edom hielt nicht zu seinem „Bruder“ Juda, sondern zu „Fremden“ und „Ausländern“.
Diese Auflösung ist zwar eine Minderheitenmeinung, aber wohl wirklich sinnvoller - vor allem in Kombination mit der Alternativauflösung in der vorigen FN. Das Deutsche hat kein direktes Äquivalent zu diesem asseverativen Kaph; in die LF besser etwas wie: „Und du - auch du warst einer von ihnen!“ (Zurück zu v.11)
axsehen ohne nähere Bestimmung kann alle möglichen Konnotationen haben - etwa traurig blicken (z.B. Gen 21,16); mitleidig blicken (z.B. Gen 29,32), verachtend blicken (z.B. Ps 22,18) und schadenfroh blicken (z.B. Ps 54,9; 59,11; 112,8; 118,7). Sicher ist hier Letzteres gemeint. (Zurück zu v.12 / zu v.13)
aysollst nicht sehen (Sieh nicht...!, hättest nicht sehen sollen) etc. - interessantes Übersetzungsproblem: In Vv. 12-14 steht 8x die Konstruktion al („nicht“) + Jussiv. Die Sätze beziehen sich zweifellos auf die vergangenen Handlungen Edoms und viele (z.B. Brown 1996, Duhm 1910, Eiselen 1911, Hagedorn 2010, Jeremias 2007, Lescow 1999, Orelli 1893, Theis 1937, Wolff 1977) übersetzen daher auch mit Vergangenheit: „Du hättest nicht X tun sollen“. Theoretisch ließe sich die Konstruktion auch so verwenden; faktisch findet sich diese Verwendung aber kein einziges Mal in der Bibel (außer u.U. in Ijob 3,4-7; doch auch hier deutet m.W. niemand so) - al + Jussiv für Vergangenheit ist nicht idiomatisch. Idiomatisch ist die Konstruktion stattdessen für „zeitlose moralische Prinzipien“ (Dick 2005, S. 16; s. z.B. Spr 1,10; Spr 3,7 u.ö.) und für Verbote (s. z.B. Ex 20,3-17).

Warum also greift der Dichter zu dieser Konstruktion und wie ist demzufolge in der LF zu übersetzen?

  1. Obadja lässt sich durch seine intensiven Empfindungen in die Vergangenheit zurückversetzen und spricht daher aus der Perspektive der Vergangenheit - so, als würden Edoms Sünden gerade eben geschehen (so z.B. Bewer 1911, S. 27; v.a. bei den älteren Exegeten beliebte Erklärung). Dann wäre jeweils als aufgeregter Ausruf zu übersetzen: „Sieh nicht...!; Freue dich nicht...!“ etc. So z.B. TEXT.
  2. Der Dichter verwendet ganz bewusst ein Idiom für Verbote, da wir uns ja im Kontext eines Gerichtswortes befinden. Dann wäre jeweils zu übersetzen: „Du sollst nicht sehen...; Du sollst dich nicht freuen...“ etc.; vielleicht gar etwas wie: „§1: Du sollst nicht sehen...; §2: Du sollst dich nicht freuen...“ etc. So z.B. LUT, SLT.
  3. Beide Übersetzungsmöglichkeiten sind aber in der LF wohl nicht ohne eine Fußnote o.Ä. möglich; vielleicht sollte man daher doch einfach jeweils übersetzen: „Du hättest nicht sehen dürfen...; Du hättest dich nicht freuen dürfen...“ etc. So z.B. GN, H-R, HER05, MEN, NL, R-S, van Ess. (zu v.12 / zu v.13 / zu v.14)
azOder: „Du sollst nicht sehen auf den Tag deines Bruders / am Tag seines Unglücks.“ So viele, doch erstens sehe ich nicht, wie man „schadenfroh auf einen Tag sehen“ sollte; zweitens ist das Hauptargument für diese Deutung das, dass sonst redundant zwei Zeitangaben aufeinander folgen würden - doch das greift nicht, s. FN an und siehe den vorigen Vers, in dem gleich vier Zeitangaben aufeinandergehäuft sind. (Zurück zu v.12)
baUnglücks - Bed. unsicher (-> Hapax legomenon). Auch das verwandte Wort in Ijob 31,3 steht - wie unser Wort in unserem Vers - im Parallelismus mit ed („Unglück, Unheil“), so dass recht wahrscheinlich auch dieses Wort eine ähnliche Bedeutung hat. (Zurück zu v.12)
bbSöhne Judas - Idiom für „Judäer“, „Bürger Judas“. (Zurück zu v.12)
bcMund groß machen - Idiom für feindliches Reden; s. noch Ijob 16,10; Ps 22,14; Jes 57,4; Klg 2,16; 3,46. (Zurück zu v.12)
bdZu Kommen in das Tor vgl. FN at. Das „Tor meines Volkes“ ist entweder speziell das Tor Jerusalems oder ein Kollektivum für die „Tore“ der judäischen Städte (s. Gen 22,17; vgl. Raabe 1996). (Zurück zu v.13)
beihres - Das Possessivpronomen steht hier einmal im Plural und zweimal im Singular. Gemeint ist jedes Mal Juda (-> bedeutungsloser P-Shift; vgl. Niehaus 2009, S. 532); übersetze: „seines Unheils“.
Der P-Shift hat hier ein Wortspiel als „Nebenwirkung“: ´edam („ihres Unheils“) erinnert an Edom. (Zurück zu v.13)
bfAusschlupf, Weggabelung - Bedeutung unsicher (-> Dis legomenon). Das Wort leitet sich her vom Verb paraq („wegreissen, abreissen, spalten“); in Nah 3,1 steht es für „das Entrissene“, d.h. „Beute“. Weil man in Ob amad al einheitlich nimmt als „stehen an/auf“, geht man davon aus, dass es dort für eine Ortsangabe stehen müsse; und ein Ort, den man als den „Gespaltenen“ bezeichnen kann, soll dann entweder ein „Spalt“ in der Mauer - ein „Ausschlupf“ (LXX: „Ausweg“, Sym: „Fluchtweg“, VUL: „Ausgang“) - oder eine „Weggabelung“ (so die meisten Üss) sein. Von diesen beiden ist allein schon wegen des Rückhalts der alten Übersetzungen sicher das erstere vorzuziehen.
Anm. d. Üs. (S.W.): Allerdings kann amad al auch „streben nach“ bedeuten (s. KBL3, S. 795), so dass „Beute“ eigentlich auch hier Sinn machen würde; denn das folgende muss nicht notwendig als finaler Nebensatz („um zu“) genommen werden, sondern kann auch konsekutiv oder gradierend gelesen werden („Du sollst nicht nach Beute streben / und so die Entronnenen ausrotten“ resp. „Du sollst nicht nach Beute streben / bis dahin, dass du [selbst] die Entronnenen ausrottest“). Das scheint mir eigentlich etwas wahrscheinlicher, ist aber m.W. noch nie vertreten worden. (Zurück zu v.14)
bgausliefern - gemeint ist sicher der Sklavenhandel mit den gefangenen Flüchtlingen (so z.B. Nötscher 1958, S. 744); vgl. z.B. Am 1,6.9. (Zurück zu v.14)