Genesis 31

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Lesefassung (Genesis 31)

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Studienfassung (Genesis 31)

1 Und er (Jakob)a hörte die Reden (Worte) der Söhne Labans{, die besagten}: „Jakob hat alles genommen, was unserem Vaterb [gehört (gehörte)]; aus [dem], was unserem Vater [gehört (gehörte)], machte er all diesen Besitz (all diese Pracht)!“c 2 Und Jakob sah das Gesicht Labans{und siehe}: Es (Er?)d war nicht [mehr] mit ihm wie (gestern vorgestern=) früher.e


3 {Und} JHWH sprach zu Jakob: „Kehr zurück ins Land deiner Väter (deines Vaters)f und zu deiner Verwandtschaft (und an deinen Geburtsort) – ich werde mit dir sein (dann werde ich mit dir sein)!“ 4 Da sandte Jakobg und rief Rahel und Lea aufs Feld zu seiner Herde 5 und sagte zu ihnen: „Ich sehe das Gesicht eures Vaters(, dass=): Es (Er?)d ist nicht [mehr] zu mir wie (gestern vorgestern=) früher. Aber der Gott meines Vaters[, der] ist mit mir (aber der Gott meines Vaters war mit mir).h 6 Ihr, ihr wisst [darum], dass ich eurem Vater gedient habe – mit all meiner Kraft. 7 Aber euer Vater hat mich betrogen und (immer wieder) meinen Lohn zehn Male (von zehn Anteilen? von zehn Lämmern?)i geändert.j Aber Gott hat nicht (ihm gegeben, böse/übel mit mir zu handeln=) zugelassen, dass er böse (übel) mit mir verfuhr. 8 Wenn er jeweils so sprach: ‚Gesprenkelte sollen dein Lohn sein!‘ – dann gebar alles Kleinvieh jeweils Gesprenkelte. Und wenn er jeweils so sprach: ‚Gestreifte sollen dein Lohn sein!‘ – dann gebar alles Kleinvieh jeweils Gestreifte.k 9 {Und} Gott hat das Vieh eures Vaters [diesem] entzogen (das Vieh eures Vaters gerettet)l und mir gegeben: 10 {Es geschah} Zur Zeit, als das Kleinvieh brünstig war, hob ich (meine Augen=) meinen Blick und sah im Traum{, siehe}: Die das Kleinvieh besteigendenm (sich dem Kleinvieh gegenüber aufbäumenden) Böcke [waren] gestreift, gesprenkelt und gescheckt. 11 Ein Bote Gottes sagte nämlich (Und ein Bote Gottes sagte) zu mir im Traum: ‚Jakob!‘, und ich (sagte=) antwortete: ‚Hier bin ich!‘,n 12 und er sagte: ‚Hebe {doch} (deine Augen=) deinen Blick und sieh: All die das Kleinvieh besteigenden Böcke [sind] gestreift, gesprenkelt und gescheckt, weil icho alles gesehen habe, was Laban dir getan hat. 13 Icho [bin] der Gott [von] Bet-El,p wo du eine Mazzebe (gesalbt=) geweiht hast und wo (hast, wo)q du mir ein Gelübde gelobt hast. Jetzt mach dich auf! Zieh fort aus diesem Land und kehr zurück in das Land deiner Verwandtschaft (deines Geburtsortes)!‘“

14 Da (antwortete[n]=) erwidertenr ihm Rahel und Lea {und sagten}: „Haben wir etwa noch Anteil und Erbe in unserem Vaterhaus?s 15 Gelten wir ihm nicht [nur so viel wie] Ausländerinnen, da er uns [ja] verkauft hat!? (Und er hat fressend gefressen=) Und dann hat er sogar unser Geld gefressen (da er uns ja verkauft hat und wirklich unser Geld gefressen hat?)!t 16 Ja!, (denn) all der Reichtum, den Gott unserem Vater entzogen (gerettet)l hat – uns [gehört] der, und unseren Söhnen! (Und nun=) Darum: Alles, was dir Gott gesagt hat, das tue!“u


17 Da machte sich Jakob auf und hob seine Söhne und seine Frauen (seine Frauen und seine Söhne)v auf die Kamele 18 und trieb all sein Vieh und all seinen Erwerb, den er gewonnen hatte; das Vieh[, das sein] Erwerb [war], ({den er gewonnen hatte; das Vieh[, das sein] Erwerb [war],})w den er gewonnen hatte in Paddan-Aram,x ([und alles, was ihm gehörte])w um zu seinem Vater Isaak ins Land Kanaan zu kommen.

19 Laban indes war losgegangen ([Als] Laban losgegangen war), um sein Kleinvieh zu scheren. Da hatte Rahel die Terafimy gestohlen, die ihrem Vater [gehörten]. 20 Und Jakob hatte das Herz von Laban dem Aramäer gestohlen,z indem er ihm nicht erzählt hatte, dass er fliehen würde. 21 So floh er – er und alles, was ihm [gehörte]. Er machte sich auf, überquerte den (Fluss=) Euphrat und (setzte=) wandte sein Gesicht nach dem Gebirge von Gilead.


22 Laban wurde am dritten Tagaa erzählt, dass Jakob geflohen war. 23 Da nahm er seine Brüder mit sich, verfolgte ihn (einen Weg von sieben Tagen=) sieben Tage lang und heftete sich an ihn im Gilead-Gebirge (auf dem Berg von Gilead).ab 24 Da kam im nächtlichen Traum Gott zu Laban dem Aramäer und sagte zu ihm: „Hüte dich, mit Jakob zu sprechen von Gut bis Böse (Übel)!“ac


25 Dann erreichte Laban den Jakob. Jakob hatte sein Zelt im Gebirge (auf dem Berg) aufgeschlagen und Laban hatte [seines] bei seinen Brüdern im Gilead-Gebirge (auf dem Berg von Gilead)ab aufgeschlagen.ad 26 Laban sagte zu Jakob: „Was hast du getanae – hast mein Herz gestohlenz und meine Töchter [fort]getrieben wie (Schwert-Gefangene=) Kriegsgefangene!? 27 Warumae hast du (dich versteckt, um zu fliehen=) verborgen, dass du fliehen willst, und mich bestohlen, und mir['s] nicht erzählt, so dass ich dich mit Gesang und Liedern und Tamburin und Leier (fortsenden=) auf die Reise schicken können hätte, 28 und mir nicht ermöglicht (mich nicht [so] verlassen, dass...?),af meine (Söhne=) Enkel und meine Töchter zu küssen!? (Nun hast=) Also, da hast du dich töricht verhalten, [so] zu handeln! 29 Es (wäre=) läge in der Macht meiner Hand (?),ag mit euch böse (übel) zu handeln. Aber der Gott eurer Väter hat gestern zu mir gesprochen {wie folgt}: ‚Hüte dich, zu sprechen mit Jakob von Gut bis Böse (Übel)!‘ac 30 Nun also: (Du bist gehend gegangen weil du verlangend verlangtest nach deinem Vaterhaus=) Ich versteh' schon, du musstest gehen! Du hattest Verlangen nach deinem Vaterhaus, na klar! [Aber] warumae hast du meine Götter gestohlen!?“

31 Jakob antwortete: „Weil ich mich fürchtete.ah Weil ich [mir] sagte: Dass du mir [nur] nicht deine Töchter bei mir raubst ([und alles, was mir gehört])!ai 32 Bei wem du [allerdings] deine Götter findest, der soll nicht (leben=) am Leben bleiben! (Gegenüber=) Angesichts unserer Brüder identifiziere {dir}, was [von dir] bei mir [ist], und nimm['s] dir!“ Jakob wusste [nämlich] nicht, dass Rahel sie gestohlen hatte.

33 Da ging Laban ins Zelt von Jakob und ins Zelt von Lea und ins Zelt der beiden Mägde,aj aber fand nichts. Er ging hinausak aus dem Zelt von Lea und kam ins Zelt von Rahel. 34 Rahel indes hatte die Terafim genommen, sie in den Kamel-Sattelal gelegt und sich auf sie gesetzt. Laban betastete das ganze Zelt,am aber er fand nichts: 35 Rahel sagte zu ihrem Vater: „Es (erzürne=) gereiche nicht zum Zorn in den Augen meines Herrn,an dass ich nicht aufstehen kann vor (deinem Gesicht=) deinen Augen, weil mir[s gerade nach] der Weise der Frauen (ist=) ergeht.“ao
So suchte er, fand aber die Terafim nicht.


36 Da (erzürnte=) packte der Zorn den Jakobap
Und er klagte an (stritt mit, focht an) Laban:
Es antwortete Jakob
{Und er sagte zu} Laban:
„Worin habe ich mich vergangen
und ({und})aq worin habe ich gefehlt,
dass du hergejagt bist hinter mir
37 und ({und})ar dass du betastet hast all meine Sachen!?
Wasas hast du gefunden von allen Sachen deines Hauses!?
Leg es dort vor meine Brüder und deine Brüder,at
und sie sollen urteilen (einen Rechtsentscheid fällen) zwischen uns beiden!

38 20 Jahre [sind's] jetzt, [dass] (20 Jahre jetzt, ganze 20 Jahre)au ich bei dir [bin];
Deine Zibbenav haben nie (nicht) fehlgeboren,
([und])aw die Böcke deines Kleinviehs habe ich nie (nicht) gegessen;ax 39 Gerissenesay brachte ich nicht zu dir:
Wenn ich es verlor (verletzte; ich musste es ersetzen, du...?; ich musste es bezahlen, du...?),azhast du es (jeweils von meiner Hand gefordert=) dir jeweils von mir ersetzen lassen,
[Ob es] Raub des Tages oder Raub der Nacht [war].ba 40 Ich war [einer, den] tagsüber {mich} die Hitze verzehrte und die Kälte nachtsbb
und {mein} Schlaf floh meine Augen.

41 20 Jahre [sind's] jetzt für michau in deinem Haus;
ich diente dir 14 Jahre für deine beiden Töchter
und sechs Jahre für dein Kleinvieh –
und meinen Lohn hast du verändert zehnmal!

42 Wäre nicht der Gott meines Vaters, der Gott Abrahams und der Schrecken (Hoden?) Isaaks,bc für mich gewesen (für mich), dannbd hättest du mich (leer=) mit leeren Händen (fortgesandt=) auf die Reise geschickt! Gott hat mein Elend und die Mühsal meiner Hände gesehenbe – und gestern einen Rechtsentscheid gefällt!“


43 Da antwortete Laban
{und sagte} dem Jakob:
„Die Töchter [sind] meine Töchter
und die Söhne [sind] meine Söhnebf
und das Kleinvieh [ist] mein Kleinvieh
Und [überhaupt] alles, was du [hier] siehst – mir gehört's (gehörte [es])!
Doch (und) meine(n) Töchter(n) – was kann (könnte, werde) ich heute für sie tun (ihnen antun),
oder für ihre Söhne (ihren Söhnen), die sie geboren haben?bg
44 (und nun=) Nun denn, komm!
Lass uns ein Bündnis (schneiden=) schließen – ich und du;
Dasbh [diene als] Zeuge zwischen mir und dir!“


45 Da nahm Jakob einen Stein und errichtete ihn [als] Mazzebe.bi 46 Und Jakob sagte zu seinen Brüdern:bj „Sammelt Steine!“
Da nahmen (sammelten)bk sie Steine und machten einen Haufen.bl Beim (auf dem)bm Haufen aßen sie auch.bn 47 Laban nannte ihn [auf Aramäisch] „Jegar-Sahaduta“ (=Steinhaufen/Altar des Zeugnisses) und Jakob nannte ihn [auf Hebräisch] „Gal-Ed“ (=Steinhaufen-Zeugnis), 48 (und=) denn Laban sagte: „Dieser Haufen [sei] (heute=) von heute an Zeuge zwischen mir und dir!“ Darum nennt man (nannte er)bo seinen Namen: „Gal-Ed“bp 49 und „Aussichtsplattform“ (Mizpa?)bq, weil er [außerdem] sagte: „JHWH halte Aussicht zwischen mir und dir, auch wenn (ein Mann von seinem Freund=) einer vom anderen verborgen ist! 50 Wenn du meine Töchter bedrückst (vergewaltigst) oder wenn du Frauen zusätzlich zu meinen Töchtern nimmst – [auch, wenn] niemand bei uns ist, siehe, Gott [sei (ist) dann] Zeuge zwischen mir und dir!“br 51 [Weiterhin] sagte Laban zu Jakob: „(Siehe diesen Haufen und siehe, diese Mazzebe=) Der Haufen hier und die Mazzebe hier, die ich aufgestellt habe zwischen mir und dir: 52 Zeuge [sei] dieser Haufen und Zeugin [sei] die Mazzebe: Wenn ich nicht ({nicht}?) überschreite zu dir (diesen Haufen=) die Grenze bei diesem Haufen und wenn du nicht ({nicht}?) überschreitest zu mir (diesen Haufen und diese Mazzebe=) die Grenze bei diesem Haufen und dieser Mazzebe als Freund (zum Bösen?)bs53 Der Gott Abrahams und der Gott (die Götter) Nahors sollen (soll) [dann] richten (Recht durchsetzen) zwischen uns, die Götter (der Gott) ihres Vaters ({die Götter ihres Vaters}).“bt Da schwur Jakob beim Schrecken (Hoden?)bc seines Vaters Isaak. 54 Dann opferte Jakob ein Opfer auf dem Berg und (rief seine Brüder=) lud seine Brüder ein, Brot zu essen. Dann übernachteten sie auf dem Berg.
[Am Morgen stand Laban auf, küsste seine (Söhne=) Enkel und seine Töchter und segnete sie. Dann ging er und kehrte zurück zu seinem [Wohn-]Ort.]bu

Anmerkungen

In Gen 31-32,1 stammen wahrscheinlich nicht viele Verse vom selben Autor wie Gen 30. Aus den meisten, offenkundig zutiefst ideologischen Versen spricht vor allem ein gänzlich anderes Verhältnis von Israeliten und Aramäern als aus dem vorigen, älteren Kapitel. Am wahrscheinlichsten müssen einige Inkohärenzen zwischen Kapitel 31 und Kapitel 30 so erklärt werden.
In Vv. 4-17.20f.36-43 wird daher neu interpretiert, wie Jakob seinen Besitz von „Laban dem Aramäer“ in „Paddan-Aram“ erworben hat: Jakob hat nicht etwa Laban durch genetische Trickserei übervorteilt, vielmehr ist es so, dass Laban Jakob gleich mehrfach getäuscht hat, und nur Gott ist es zu verdanken, dass Jakob dennoch als reicher Mann aus ihrem unfairen Arbeitsverhältnis herausgehen konnte, obgleich ihm Laban bis zum Ende (V. 43) weder Frauen noch Nachkommen noch Besitz gönnt und zugestehen will (vgl. dazu bes. Rom-Shiloni 2012). Nebenbei werden auch Labans Söhne und Töchter als geldgeil und sogar diebisch hingestellt, so dass dies geradezu zum Charakterzug von Aramäern zu werden scheint. In Vv. 19.22-35 werden außerdem noch die aramäischen Götter lächerlich gemacht: Sie sind nur verabscheuungswürdige Terafim („Kotzbrocken“, s. zu V. 19), die man einfach rauben kann, die in die Satteltasche des unreinen Kamels gepackt werden können und auf die die gerade unreine Rahel sich einfach setzen kann. In Gen 35 werden sie zu allem Überfluss auch noch schlicht entsorgt werden. In V. 53 dagegen spricht Laban wieder vom „Gott Abrahams und Gott Nahors, dem Gott ihres Vaters“.
Sehr wahrscheinlich ist es daher so, dass Vv. 44-53 dem Jakobzyklus aus einer anderen Quelle als der Rest des Kapitels zugewachsen sind, und die letzten beiden Zeilen von V. 43 sollen diese beiden Abschnitte miteinander verbinden.

Hier soll das Kapitel dennoch so erklärt werden, wie es uns heute überliefert wurde.
Vv. 1-2 schließen noch Kapitel 30 ab und schildern die Reaktion von Labans Familie auf Jakobs Erfolge (und Labans Misserfolg): Labans Söhne und auch Laban selbst missgönnen sie ihm. Als in V. 3 dann auch noch Gott ihn auffordert, es sei jetzt Zeit aufzubrechen und er werde dabei anders als Laban auch „mit ihm sein“, schreitet Jakob sofort zur Tat und bestellt in V. 4 seine Frauen zu sich.
V. 3 spielt dabei offensichtlich auf Gen 12,1 an – doch während Abram „aus seinem Land und von seiner Verwandtschaft“ nach Kanaan aufbrechen soll, ist zwei Generationen später für Jakob bereits Kanaan das „Land seiner Väter und seiner Verwandtschaft“. Hier wird ausgelotet, was „Heimat“ ist: Abrahams Geburtsort Ur ist es für Jakob, diesen Migranten der zweiten Generation, schon nicht mehr, und das Land Labans, wo er nun schon 20 Jahre gelebt hat, ist es immer noch nicht – „Heimat“, das ist in der Vorstellung des Autors erstens das Land, in dem bereits jemandes Eltern gelebt haben, und zweitens das Land, in dem entweder noch weitere Verwandte wohnen oder wo man selbst geboren wurde.
An beide Frauen richtet Jakob in Vv. 5-13 eine lange Rede. In dieser wird in Vv. 5-9 drei Mal Laban mit Gott kontrastiert:

  • „Laban ist nicht mehr ‚zu‘ Jakob“. Aber „Gott ist mit Jakob“ (Vv. 5a.5b). Dies wird nun konkretisiert:
  • Laban hat Jakob betrogen und mehrfach seinen Lohn geändert, obwohl Jakob ihm mit all seiner Kraft gedient hat. Aber Gott ließ nicht zu, dass er dabei Schaden nahm (Vv. 6-7a.7b). Dies wird nun noch einmal konkretisiert:
  • Laban hat unfairerweise mehrfach an ihren Vertragskonditionen geschraubt. Aber Gott hat Jakob zum Ausgleich Labans Tiere geschenkt (Vv. 8.9)

Kurz: Jakob hat seinen Besitz verdient. Laban dagegen ist ein Betrüger und hat daher seine Verluste verdient. Und wenn euch das noch nicht genügt, liebe Ehefrauen: Das hat sich zwar auch so entwickelt, weil ich mit aller Kraft gearbeitet habe (V. 6). Aber letztlich war es außerdem und ohnehin Gottes Wille, dass es sich so fügte (V. 9).
Dies kann Jakob dann in Vv. 10-13 auch noch mit einem Traum belegen. Für diesen Beleg zäumt Jakob das Pferd auffällig von hinten auf: Die Aussage in 9 wird zunächst allgemein mit einer Traumvision in V. 10 gestützt. Diese Traumvision wiederum wird in Vv. 11f. gleichzeitig erst mit dem Auftrag eines Engels ermöglicht und im selben Zug begründet: Dass das Kleinvieh je mit Jungen der benötigten Färbung trächtig wurde, geschah deshalb, weil Gott alles wahrgenommen hat, was Laban Jakob angetan hatte.
Gottes Hinweis in V. 13 auf Jakobs Gelübde in Bet-El (Gen 28,20f.) ist einesteils dann wiederum hierfür Begründung – dort nämlich hatte Jakob versprochen, JHWH werde „sein Gott sein“, wenn dieser ihn behütet und mit Brot und Kleidung versorgt; darum ist es überhaupt erst so, dass Gott es so wichtig nimmt, wie Laban mit Jakob verfährt –, andernteils begründet der Verweis auf dieses Gelübde gleichzeitig den Auftrag zum Aufbruch in V. 3, der nun noch einmal ausführlicher wiedergegeben wird. „Dieses Behüten und Versorgen“, sagt Gott mit seinem Hinweis, „ist nun geschehen. Kommen wir zum zweiten Teil deines Gelübdes: Ich soll dein Gott sein, ‚wenn ich mit dir bin und du in Frieden zurückkehrst ins Haus eines Vaters‘? Dann mach das mal!“bv

Nach dieser langen Rede erscheint Jakobs moralisch so fragwürdiges Handeln in Gen 30 in ganz neuem Licht: Dass er mit seinen Zuchtmethoden Laban geradezu enteignet hat, war nicht etwa unfair, sondern Laban hat es sich durch sein eigenes unfaires Verhalten selbst zuzuschreiben. Und dass Jakob sich im selben Zuge gewaltig bereicherte, war mitnichten eigennützig: Er hat nur „hart gearbeitet“; dass dies gefruchtet hat, ist Gott zuzuschreiben. Was in Gen 30 geschah, erscheint nun gut und rechtens.
Aber die lange Rede Jakobs wäre offenbar gar nicht nötig gewesen: Ohne zu zögern sagen sich Labans Töchter in V. 14 von Vater und Vaterhaus los und begründen diese Lossagung in V. 15 damit, dass Laban sich auch an ihnen vergangen hat, indem er sich auch ihr Geld angeeignet hat, und ihre Parteinahme für Jakob in V. 16 damit, dass demnach der Reichtum, den Gott von Laban an Jakob übertragen hat, ohnehin eigentlich ihr Reichtum sein müssen hätte. Auch für die Lossagung in V. 14 verwenden sie dabei eine geprägte Wendung, die vordergründig von Besitz und Eigentum spricht (s. zum Vers), so dass sich vier von ihren fünf Sätzen um Finanzen zu drehen scheinen. Das passt; der Apfel fällt hier offenbar nicht weit vom Stamm. Auch Jakob hatte zwar drei Mal von seinem „Lohn“ gesprochen – jedesmal ging es dabei aber um etwas, was Laban mit seinem Lohn gemacht hat: Dieser hat „Jakobs Lohn“ geändert (V. 7) und mal gesprenkelte Tiere als seinen „Lohn“ bestimmt, mal gestreifte Tiere (Vv. 8a.b). Jakob selbst dagegen spricht von „Vieh“: „Gott hat das Vieh eures Vaters diesem entzogen und mir gegeben.“ Dagegen war schon Ausgangspunkt für Gen 31 die Behauptung der Söhne Labans, Jakob habe sich „alles“ angeeignet, „was unserem Vater gehört“, und sich so unrechtmäßig „Besitz“ erworben; nun offenbaren die Töchter Labans ihre finanziellen Interessen: „All der Reichtum, den Gott unserem Vater entzogen hat – uns [gehört] der, und unseren Söhnen!“ Die ganze Familie Labans offenbart sich hier als geldgeil, während Jakob nur Instrument Gottes war (ähnlich gut Fuchs 1988, S. 72).


Nachdem Jakob und seine Frauen sich also derart einig sind, gehen sie ohne Umschweife ihren Aufbruch an. Vv. 17f. schildern den Aufbruch selbst. Vv. 19f. gehen noch einmal einen Schritt zurück und ergänzen den Aufbruch um drei Zusatzinformationen: (1) Sie wählen zum Aufbruch die Zeit der Schafschur. Das ist geschickt, weil dies eine arbeitsame Zeit war, zu deren Abschluss wohl auch ein großes Fest gefeiert wurde (s. 1 Sam 25,5-7.36; 2 Sam 13,23f.), und daher eine unübersichtliche Zeit. (2) Kurz zuvor hatte Rahel die Terafim ihres Vaters gestohlen. Diese werden gleich noch eine größere Rolle spielen. Rahels Handlung selbst, die gar nicht kommentiert wird, müssen wir uns wahrscheinlich so erklären, dass diese Götzenfiguren Laban zum Wahrsagen dienten (s. zum Wort und vgl. Gen 30,27) und Rahel mit ihrem Diebstahl daher verhindern wollte, dass er sie mit ihrer Hilfe aufspüren kann. (3) Jakob hat ihm keine Terafim gestohlen, sondern „das Herz“. Danach ist Laban gleich dreifach der Gelackmeierte: Nun steht er da ohne den Gewinn, den ihm Jakob die Jahre zuvor erarbeitet hatte, in den letzten sechs Jahren aber wieder „weggearbeitet“ hat, ohne Terafim, und unversehens auch ohne Töchter und Schwiegersohn. Nach diesen drei Anmerkungen fasst V. 21 abschließend noch einmal die Flucht Jakobs zusammen und leitet über zur nächsten Szene, dich sich bereits in Gilead abspielt, dem östlichsten Ausläufer des geloben Landes.

Die Zeit der Schafschur ist dabei vielleicht auch noch symbolisch: Das Schafschur-Fest ist wahrscheinlich einer der Ursprünge des später ungefähr zur selben Zeit stattfindenden Pesach-Fests. Damit wäre zu erklären, warum beim Pesach nicht nur zur Feier der Ernte Brot, sondern auch Lämmer verzehrt wurden (vgl. mit 1 Sam 25,11). Geoghegan 2008 ist nun aufgefallen: An Pesach wird die Befreiung Israels aus der Sklaverei gefeiert; Jakob befreit sich hier von seinem Dienstherr Laban, und Nabal spricht zur Zeit der Schafschur: „Heute gibt es viele Sklaven, die von ihren Herren davonlaufen(1 Sam 25,10). Danach nimmt er an, dass das Fest der Schafschur traditionell ein Fest war, bei dem Schuldsklaven ihre Freiheit wiedererlangten. Das ließe sich leicht erklären: Fast sicher wurde nämlich zur Schafschur die Jahresabrechnung bei Hirten gemacht und der Lohn ausgezahlt. Schuldknechte hätten danach regelmäßig an diesem Tag ihre Freiheit wiedererlangt, weil sich hier das Hirtenjahr wendete, und Lohnknechte hätten sich bei gutem Lohn zu diesem Zeitpunkt selbständig machen können. Ist das wahr, wäre der Zeitpunkt von Jakobs Flucht hochsymbolisch: Er wäre zur selben Zeit vor Laban geflohen, zu der man später auch an die Flucht der Israeliten aus Ägypten zurückdachte und zu der regulär Knechte ihre Freiheit erlangten.


Ihr Plan geht auf: Erst nach drei Tagen bekommt es Laban überhaupt mit, dass sie geflohen sind (V. 22). Laban mustert eine kleine Streitkraft aus Verwandten (V. 23), doch kurz bevor er sie im Gilead-Gebirge und damit direkt an der Grenze zum gelobten Land einholt, erscheint ihm Gott im Traum und warnt ihn – vermutlich (s. zum Vers) davor, Jakob zu verurteilen.
Ist der Ausdruck „von Gut bis Böse sprechen“ damit richtig verstanden, sind Vv. 25-30 nicht ohne Komik: Weil Laban sich eines Urteils enthalten muss, hat er keine Wahl, als Jakob in Vv. 26-28 nur eine Reihe von Fragen vorzulegen, dann in V. 29 erklären, er dürfe nach Gottes Willen darüber natürlich gar nicht urteilen, und so in V. 30 verständnisvoll die Sache ad acta zu legen: „Nun bist du also gegangen, schließlich hattest du Verlangen nach deinem Vaterhaus!“ Am klarsten zeigt sich die Absurdität von Labans Lage in V. 29, wo man übersetzen könnte: „Die Gottheit würde meine Hand dabei stützen, wenn ich böse mit euch handelte – aber der Gott eurer Väter, der hat's mir verboten!“ (s. zum Vers). Gleichzeitig zieht sich dennoch eine kaum verhohlene Anklage von Anfang bis zum Ende durch die ganze Rede: „Was hast du mein Herz gestohlen!? ... Warum hast du mich bestohlen!? ... Warum hast du meine Götter gestohlen!?“
Die erste Fragen-Kanonade kann Jakob in V. 31 schnell kontern: „Warum ich dein Herz ‚gestohlen‘ und deine Töchter heimlich fortgeführt habe? Weil ich Angst hatte, dass sonst du mir deine Töchter raubst!“ Dass er das Recht hatte, mit ihnen fortzuziehen, setzt das Wort „rauben“ dabei klar voraus, aber diesen Teil von Labans Anfragen hatte ja ohnehin bereits dieser selbst ad acta gelegt. Die letzte Anfrage allerdings – „warum hast du meine Götter gestohlen?“ – wiegt schwer. Hier tut daher nun Jakob, was dem Laban verboten wurde, und leitet in V. 32 eine Art gerichtliche Untersuchung ein: Die Verwandten werden zu Zeugen ernannt, und Laban darf – wenn er schon nicht anklagen darf – immerhin Inspektor spielen. Sich selbst jedoch macht Jakob zum Richter, indem er schon vor der Untersuchung gleich doppelt ein Urteil vorwegnimmt: Kann Laban einen Götterdieb identifizieren, ist der des Todes, und findet er sonst etwas von seinem Eigentum bei Jakob, soll's ihm gehören. Damit wird auch schon im Zuge dieser Untersuchung endgültig klar, dass Jakob alles, was er bei sich hat, wirklich mit Recht bei sich hat, wenn auch Laban in V. 43 noch einmal aufbegehren wird.
Vv. 33-35 berichten, wie dank Rahel diese Inspektion erfolglos bleibt: Nachdem Laban dreimal nach Jakobs Diebstahl gefragt hat, heißt es nun dreimal, dass er „nichts findet“ (Vv. 33.34.36).
Spätestens hier wird Rahel damit auf eine Stufe mit Jakob gestellt. Schon zuvor hatte „sie Labans Terafim gestohlen und Jakob hatte Labans Herz gestohlen“ (Vv. 19-20); nun wird auf den Raub des Erstgeburtssegens in Gen 27 angespielt: Wie dort der blinde Isaak „herumtasten“ musste und dabei von Jakob getäuscht wurde, so hier auch der mit dem Diebstahl der Terafim geblendete Hellseher Laban. Und wieder ist es eine Frau, die den pater familias mit den Waffen einer Frau schlägt: Rebekka mit ihrem Leckerbissen, Rahel mit ihrer Menstruation.


Damit hat Rahel einen Rollentausch ermöglicht: „Nach diesem Mißerfolg Labans hat sich Jakobs Situation in der Rechtsauseinandersetzung grundlegend verändert. Die Beschuldigung Labans ist in sich zusammengebrochen, jetzt geht Jakob zum Gegenangriff über“ (Boecker 1992, S. 90) – und auf einmal ist Jakob, der 20 Jahre unter der harten Hand Labans gedient hatte, nicht nur Richter, sondern seinerseits Ankläger: In Vv. 36f. weist er daher noch einmal darauf hin, dass die Anschuldigungen Labans haltlos waren, so dass er sich mit seiner Durchsuchung auch noch höchst ungebührlich verhalten hat. In Vv. 38-40 hält er dagegen, welch guter Diener er in all den vergangenen Jahren er für seinen Onkel war: Nach V. 38f. hatten Labans Tiere überhaupt keine Fehlgeburt, und auch überhaupt keine anderen Verluste, weil Jakob widerrechtlich alle etwaigen Verluste aus eigener Tasche bezahlen musste. Er seinerseits hat dafür härteste Entbehrungen etragen müssen (V. 39). 20 Jahre hat er jetzt unter diesen Bedingungen für all seinen Besitz gearbeitet, und ihn sich damit wirklich rechtens erarbeitet, und das, obwohl Laban sich auch darin noch an ihm vergangen hat, dass er immer wieder ihre Absprachen zu Jakobs Nachteil geändert hat. V. 42 ist der Höhepunkt der Rede; hier bricht daher auch die metrische Gestaltung der Rede in sich zusammen, als es aus Jakob herausbricht: Wäre nicht all die Jahre Gott auf seiner Seite gewesen – jener schreckliche Gott, bei dem Laban sich hüten soll, gegen seinen Willen zu handeln! –, Laban hätte ihn am Ende gar mit leeren Händen fortgeschickt, wie man es nicht einmal mit einem Sklaven getan hätte (s. Dtn 15,13). Doch Gott hat nicht nur grundsätzlich zu ihm gehalten: Über den konkreten Streitpunkt hinaus, den sie gerade in ihrer gerichtlichen Untersuchung geklärt haben, hat Gott damit, dass er Laban letzte Nacht erschienen ist, auch über alles andere, was zwischen Jakob und Laban schwelte wie insbesondere die Frage, ob Jakobs Habe wirklich ihm gehört, seinen Rechtsspruch gefällt: JA, SO IST'S!.


Laban hat selbst hier noch kein Einsehen und erklärt in V. 43 ein letztes Mal: Nein, so ist's eigentlich nicht! Eigentlich gehört alles ihm, nicht Jakob (hier sei noch einmal auf die Anmerkungen zu Gen 30 hingewiesen: Ob das rein rechtlich falsch ist, ist gar nicht so klar). Nur für seine Töchter und Enkel wird er seine „gerechte Sache“ nun doch fahren lassen. Dazu schlägt er in V. 44 ein Bündnis vor, das nach der arg redundanten Formulierung „ich und du, zwischen mir und dir“ mindestens als Bündnis auf Augenhöhe gedacht ist. Ein Israelit jedoch wird gewiss mitgehört haben: Die letzten beiden Male, als in der Bibel ein Mensch einem anderen ein Bündnis antrug – war der Antragssteller stets der Schwächere (Gen 21,22-24; Gen 26,26-31; gut z.B. Steinmann 2019), der mit diesem Antrag auch jeweils anerkannte, dass der mächtige Gott wirklich mit ihrem starken Vertragspartner war.


Die assyrische Pazarcık-Stele. (c) Klaus-Peter Simon via Wikimedia
Damit hat Laban übergeleitet zum vorletzten Abschnitt der Jakob-Laban-Erzählung: In Vv. 45-53 werden zwei altorientalische Rechtsdokumente in Erzählform gegossen, nämlich ein Grenzvertrag und ein Ehevertrag. Für den Grenzvertrag errichtet Jakob in V. 45 eine Mazzebe, also einen Gedenkstein, der im Alten Orient häufig Landesgrenzen markierte. Als Beispiel ist rechts die Pazarcık-Stele abgebildet, wo wie noch häufiger sowohl über eine Heirat als auch über Grenzbestimmungen geschrieben und am Ende mehrere Götter angerufen werden, die den Grenzvertrag mit einem bestimmten Verhalten in einer „Gerichtsverhandlung“ garantieren sollen. Aus der Inschrift:

[Von] Šalmaneser, dem starken König des Landes Assyrien ...und seinem Feldmarschall Šamši-Ilu:
Als ich nach Damaskus kam, nahm ich als Tribut von Hadiani aus Damaskus Silber, Gold, Kupfer ... und seine Tochter mit reicher Mitgift ... entgegen.
Bei meiner Rückkehr setzte ich zugunsten von Ušpilulume, König der Stadt Kummuh, diese(n) Grenze/Grenzstein.
Wer auch immer von den Ländereien Ušpilulumes, seinen Söhnen oder seinen Enkeln raubt, für den sollen die Götter Aššur, Marduk, Adad, Sin und Šamaš im Gericht nicht einstehen, seine Gebete nicht erhören und sein Land vernichten.
(frei nach Hasegawa 2010, S. 6).

Man sieht an diesem Beispiel schön, dass derjenige, der eine Grenz-Mazzebe errichtete, entweder der Herrscher über den ganzen Raum war, in dem die beiden angrenzenden Gebiete lagen, oder derjenige, der bei Grenz-Konflikten die Oberhand hatte. Hier dagegen heißt es in V. 45 von Jakob, dass er sie errichtet habe, und V. 51 verlautet dasselbe von Laban. Ähnlich gibt in V. 46 Jakob den Auftrag zur Errichtung eines Steinhaufens, und die Ausführenden sind „seine Brüder“ unter den Männern Labans. In V. 47 geben dann auch noch beide Parteien diesem Steinhaufen unterschiedliche Namen mit der selben Bedeutung, und V. 48 ist gewiss bewusst so formuliert, dass es so klingt, als hätte danach auch Laban dem Haufen dann noch einmal den selben Namen gegeben wie zuvor Jakob: Schon zu Beginn wird klar herausgestellt, wie es auch die immer wieder wiederholte Phrase „zwischen mir und dir“ (Vv. 44.48.49.50.51) tut, dass dies wirklich ein Grenzvertrag zwischen gleichberechtigten Parteien ist, wie ihn Laban sich ja auch vorgestellt hat.
Nachdem in Vv. 48 grundsätzlich die Zeugen-Funktion von Steinhaufen und Mazzebe geklärt wurden, werden in Vv. 49-50 zunächst die Einzelheiten des Ehevertrags abgesprochen, wie sie im Alten Orient üblich waren. Bestimmt wurden in solchen Eheverträgen Heiratsbedingungen (wie z.B.: „[Der Bräutigam] darf keine Freundin haben, die zusätzlich bei ihnen lebt. Er darf keine weitere Kultprostituierte in Kaniš oder Niḫriya heiraten.“; AKT I 77 nach Stol 2016, S. 188) und oft auch gleich Scheidungsbedingungen (wie z.B.: „[Wenn die Braut] ihn fortwährend angreift, soll sie ihre Mitgift und alles, was ihr von ihres Vaters Besitz zubestimmt worden ist, nehmen und frei davongehen.“, Alalakh-Tafel 92, nach Wiseman 1953, S. 54). Ähnliche Bestimmungen werden hier gemacht: Jakob darf seine Frauen nicht „bedrücken“ und zusätzlich zu seinen beiden Frauen keine weiteren Frauen nehmen (dies war eine häufige Bestimmung in Eheverträgen; weitere Bspp. bei van Seters 1975, S. 84).
In Vv. 51-53 folgt die Absprache des Grenzvertrags: Keiner der beiden darf die Grenze zum anderen in anderer als freundschaftlicher Absicht überschreiten. Tut er es doch, sollen die verschiedenen Götter, die wie auf der Pazarcık-Stele die Wahrung der Grenzen garantieren, nicht nur „als Zeugen“ auftreten, sondern gleich als Richter, und so die Grenzverletzung strafen.
In Gen 31,54-32,1 endet die Erzählung von Jakob und Laban wie die entsprechenden Erzählungen von Abraham und Abimelech in Gen 21,22-32 und die von Isaak und Abimelech in Gen 26,26-31: Nachdem Jakob und Laban einen Bund geschlossen haben (vgl. mit Gen 21,27.32; 26,28), für den wie in Gen 21,30 „Zeugen“ bestimmt wurden, und nachdem beide Vertragsparteien „geschworen“ haben (vgl. mit Gen 21,23.24.31; 26,31), geht nach einem gemeinsamen Mahl wie in Gen 26,30, das das Bündnis besiegeln soll, der Partner des jeweiligen Patriarchen seiner Wege (vgl. mit Gen 21,32; 26,31; ähnlich gut gesehen von Taschner 2000, S. 130). In Gen 32,2-3 wird sich dann gleich außerdem eine ähnliche kurze Ortserzählung anschließen wie in Gen 21,33f.; 26,32f.. Damit endet ein weiteres Kapitel von Jakobs Leben: Das Zerwürfnis mit seinem Onkel wurde mithilfe eines Vertrags gekittet. Was nun noch offen ist, ist sein Zerwürfnis mit seinem Bruder.

aNach MT, SamP, VUL und den Targumim steht hier kein Subjekt. Schon das legt nahe, dass mindestens V. 1 noch zu Kapitel 30 gehören soll (die moderne Einteilung der Bibel in Kapitel stammt erst aus dem 13. Jhd.). Masoretische, samaritanische und syrische Handschriften haben ein Abschnittszeichen sogar erst nach V. 2. Ziehen wir Vv. 1-2 zu Kapitel 30 (so auch Goldingay 2020; häufiger wird nur V. 1 noch zu Kapitel 30 gezogen, z.B. von Wenham 1994; Seebass 1999; Taschner 2000, S. 108), schildern diese Verse die direkte Reaktion der Familie Labans auf Jakobs Gewinne und fügen sich so glatt in dieses Kapitel ein. Kapitel 31 beginnt mit V. 3 dann genau so wie Gen 12, was ebenfalls für diese Aufteilung spricht.
Textkritik: LXX und Syr allerdings ergänzen das Subjekt Jakob. Wahrscheinlich haben beide wegen dem Wechsel der handelnden Figuren schon hier den Beginn einer neuen Szene gesehen und daher unnötigerweise das Subjekt ergänzt. (Zurück zu v.1)
bunser Vater - Wortspiel: In la`abinu klingt Laban an, was noch stärker macht, dass Labans Söhne Jakobs Besitz als Eigentum ihres Vaters Laban betrachten. Man beachte auch, wie das „all“ von Satz 1 zu Satz 2 von Laban zu Jakob transferiert wird: „Er hat genommen alles, was unserem Vater gehörte“ – „Aus dem, was unserem Vater gehörte, machte er all diesen Besitz.“ (Zurück zu v.1)
cOffensichtlich eine Übertreibung, s. V. 19. (Zurück zu v.1)
dEs - also das Gesicht, nicht Laban selbst. „Das Gesicht war nicht mit ihm“ ist dann vermutlich ein etwas merkwürdiger Ausdruck für „es bezeigte sich nicht mehr gegen ihn wie früher“ (TEX), blickte also unfreundlicher. Gut BigS in V. 5: „Er sah am Gesicht Labans, dass er [nicht mehr mit ihm war wie früher]“. Aber s. noch zu V. 5; die Verse sind eine Herausforderung für Übersetzende.
Der Ausdruck wurde wahrscheinlich für zwei weitere Wortspiele gewählt: Erstens kann Jakob so sowohl die Reden von Labans Söhnen (bane Laban) hören als auch Labans Gesicht (pane Laban) sehen und nimmt so gleich auf zwei Weisen wahr, dass nun nun wirklich die Zeit zum Aufbruch gekommen ist, weil sonst die Stimmung endgültig kippt (gut Sarna 2001; Vrolijk 2011, S. 185f.). Und zweitens kann so in Vv. 3.5 Gott, der „mit Jakob war“, mit Laban kontrastiert werden, dessen Gesicht in Vv. 2.5 „nicht mehr mit Jakob ist“ (gut z.B. Fokkelman 1975, S. 152; Frisch 2003, S. 286).
Textkritik: Nach MT sieht Jakob in Vv. 2.5 allerdings Laban, nicht sein Gesicht: `enennu (er war“) statt `enam (es war“). SamP, Syr und die Targumim dagegen bezeugen alle `enam. MT ist idiomatischer, lässt sich leicht als Assimilation von Vv. 2.5 an V. 3 erklären und ein Lesefehler von -am zu -ennu konnte leicht geschehen (vgl. Weiss 1963, S. 190); fast sicher ist daher MT sekundär und der etwas sperrige Text von SamP & Co. der ursprüngliche (so schon erwogen von Ball 1896; gegen BHQ). (Zurück zu v.2 / zu v.5)
eEntweder sagen Vv. 1-2, dass Jakob sowohl Labans Söhne hört als auch Labans Gesicht sieht, oder V. 2 besagt, dass Laban sich von seinen Söhnen aufstacheln lässt und ist so Folgesatz auf V. 1 (so Radak; Sforno; Frisch 2003, S. 286). Dass Jakob sich in V. 5 nur auf V. 2 zurückbezieht, spricht leicht für Letzteres (richtig Frisch). Ähnlich VUL, wo Hieronymus mit Nebensatz – Hauptsatz übersetzt: „Nachdem er die Worte der Söhne Labans gehört hatte ..., bemerkte er auch das Gesicht Labans.“ (Zurück zu v.2)
fTextkritik: Die Variante nur nach LXX (+ VL). BHQ denkt, dies sei spätere Angleichung an das „Haus deines Vaters“ in Gen 12,1, Wevers 1993, S. 498 besser, es sei Angleichung an den „Gott meines Vaters“ in Gen 31,5. Dass LXX die spätere Variante ist, ist angesichts der schwachen Bezeugung jedenfalls sehr wahrscheinlich. (Zurück zu v.3)
gsandte - seine Söhne, dass sie seine Frauen holen sollten. (Zurück zu v.4)
hder ist mit mir (er war mit mir) - Wichtig zunächst: Die Rede ist nun nicht mehr davon, dass Labans Gesicht „mit“ Jakob ist: Labans Gesicht ist nun „zu“ ihm, stattdessen ist Gott „mit“ ihm. Vv. 2.3.5.6 schildern also eine Entwicklung: „Labans Gesicht ist nicht mehr ‚mit‘ Jakob“ – „Gott wird ‚mit‘ Jakob sein“ – „Labans Gesicht ist nicht mehr ‚zu‘ Jakob, aber Gott ist / war ‚mit‘ Jakob.“ – „Darum lässt er nicht zu, dass Laban ‚mit‘ Jakob böse verfuhr“ (gut wieder Fokkelman 1975, S. 152). Das wird zusätzlich dadurch hervorgehoben, dass bei den letzten beiden Vorkommen nicht die Kurzform ´immi („mit mir“) verwendet wird, sondern die längere und wahrscheinlich etwas emphatischere ´immadi.
Zweitens zu einer etwas schwierigen Übersetzungsfrage: Das Wort „sein“ muss im Heb. nicht ausgedrückt werden; soll nur „X ist Y“ (z.B.: „Gott ist mit mir“) gesagt werden, wird üblicherweise ein verbloser Satz „X Y“ verwendet. Heb. hajah kann sowohl „er ist“ als auch „er war“ bedeuten. Dass es hier eigens steht, kann daher (1) entweder signalisieren, dass von der Vergangenheit die Rede ist („Gott war mit mir“), (2) oder die Tatsache, dass Gott mit ihm ist, soll hervorgehoben werden („Labans Gesicht ist nicht mehr mit mir, aber Gott, der ist mit mir“). Der weitere Verlauf der Rede wird zeigen, dass Jakob hier vor allem (1) anzielt; zu Beginn seiner Rede werden seine Frauen aber zunächst (2) verstanden haben. BigS, HfA, R-S und SLT 51 übersetzen präsentisch, alle anderen dt. Üss. aber mit Vergangenheit. Am besten übersetzt man mit einem Kompromiss: „Aber der Gott meines Vaters, der war mit mir:...“ (Zurück zu v.5)
iTextkritik: Zu „meinen Lohn von zehn Lämmern“ in LXX s. Walters 1973, S. 193f. TgJ allerdings effektiv ebenso: „Meinen Lohn [von] zehn Anteilen“. TgJ deutet das Wort monim also offenbar als mask. Plural von manah („Anteil“; richtig Maher 1992, S. 108; BHQ 155*). LXX könnte ebenso gedeutet haben und hätte dann nur das „zehn Anteile“ zu „zehn Lämmer“ konkretisiert. So und so ist MT sicher ursprünglich; der Text wird gestützt durch SamP, Aq, Sym, VUL, Syr und den anderen Targumim. (Zurück zu v.7)
jzehn Male geändert ist zunächst ein Wortspiel: ´aßar heißt „zehn“, ´ašar (wie in V. 16) „reich werden“. Laban hat den Lohn also nicht nur „zehn Male geändert“, sondern hat ihn auch geändert, „um sich zu bereichern“.
Die Zahl zehn könnte konkret nur Übertreibung sein (dies glauben alle neueren Ausleger:innen. Im Midrasch würde dann noch stärker übertrieben: „Hundertmal“). Radak und schon Hieronymus in seinen Hebraicae Quaestiones rekonstruieren aber ein Szenario, wie dies in sechs Jahren wirklich zehnmal geschehen sein könnte: Schafe können pro Jahr zweimal werfen (s. zum vorigen Kapitel; Hieronymus zitiert als Beleg Vergils Georgica II 150: „Zweimal ist Vieh trächtig, zweimal trägt der Baum Früchte). Laban hätte also nach jedem Wurf gesehen: „Oh, nur gestreifte Tiere! Dann sollen beim nächsten Wurf nur noch die gepunkteten Tiere dein Lohn sein“, beim Wurf darauf: „Oh, nur gepunktete Tiere! Dann seien beim nächsten Wurf nur noch die gesprenkelten Tiere dein Lohn“ usw., so dass spätestens Mitte des sechsten Jahres zehn Mal der Lohn verändert worden wäre.
tFN + Textkritik: und (immer wieder) geändert - Das Wort könnte (1) entweder Waw-Qatal sein und dann einfach von der Vergangenheit sprechen (so Driver 1892, S. 159; Joosten 2012, S. 49) oder (2) Weqatal und dann betonen, dass dies immer wieder geschah (so Hamilton 1995). SamP ändert zu Wayyiqtol und vereindeutigt so zu (1). Wieder (s. zu Gen 30,41) ist das nicht mit BHQ als „Harmonisierung mit V. 41“ zu erklären, sondern nur als eindeutigere Formulierung. (Zurück zu v.7)
kGestreifte - Klangspiel: Jakob greift deshalb aus Gen 30 die „Gesprenkelten und Gestreiften“ heraus, weil beide Wörter im Hebräischen sich nur durch im ersten Buchstaben unterscheiden: naqudim und ´aqudim. Laban ist also nicht nur Winkeladvokat (s. zu Gen 30,32), sondern dabei auch noch Korinthenkacker. (Zurück zu v.8)
ltFN: entzogen (gerettet) - W. „weggeschnappt, weggerissen“. Wohl nicht: gerettet (so Wenham 1994; Goldingay 2020), obwohl dies im Heb. häufig die Bed. des Wortes wäre und zu V. 9 auch gut passte („Vieh wird vor Laban ‚gerettet‘“). Zu V. 16 aber weniger („Reichtum wird vor Laban ‚gerettet‘“?). Im Aramäischen heißt das Wort oft auch nur „wegnehmen, entziehen“ (vgl. Labuschagne 1974, S. 180; Greenfield 2001, S. 215; Rendsburg 2006, S. 166; Bompiani 2014, S. 46); wegen V. 16 müssen wir diese Bed. wohl auch hier voraussetzen (so z.B. auch Hamilton 1995; Sarna 2001; Waltke/Fredricks 2001). (Zurück zu v.9 / zu v.16)
mbesteigenden - W. „hinaufsteigend“. Nicht das übliche Wort für sich paarende Tiere. Wortspiel: Jakob sieht in diesem Traum „hinaufsteigende“ Böcke, wie er in seinem ersten Traum in Gen 28,12 „hinaufsteigende“ Gottesboten gesehen hat (gut Tröndle 2023, S. 199). Wahrscheinlich deshalb sind die Böcke in diesem Traum auch „gescheckt“, was in Gen 30 gar nicht erwähnt wurde: In barudim klingt joridim („hinabsteigend“, wie von den „hinabsteigenden Gottesboten“ in Gen 28,12) an. (Zurück zu v.10)
nJakob! + Hier bin ich! - Übliche Gesprächseröffnungen; s. z.B. ebenso Gen 27,1. Besonders bei Gesprächen zwischen Menschen und Gott/einem Gottesboten wird ein Mensch dabei nicht wie an dieser Stelle mit einer Verwandtschafts- oder Berufsbezeichnung angesprochen (zu dieser häufigsten Gesprächseröffnung s. Lande 1949, S. 21-36), sondern mit dem Eigennamen: Gen 22,11; 46,2; Ex 3,4; 1 Sam 3,4.6.8.10. Die Antwort „Hier bin ich“ ist aber wohl nicht mit ebd., S. 37f. so zu erklären, dass sie nur für das „Ja“ eines Menschen steht, der sich selbst unsichtbar glaubt (s. dagegen 2 Sam 1,7), sondern grundsätzlich als unterwürfige Antwort, wie Landes es auch bei 1 Sam 22,12 und Gen 37,13 annimmt: „Stehe zu Diensten!“ (vgl. Jes 6,8). Am besten übersetzt man vielleicht wie NL: „Ja, ich höre!“ (Zurück zu v.11)
oich - Der „Bote“ spricht wie häufig im Namen Gottes (zu diesem häufigen Zug der Botschaften von Gottesboten vgl. z.B. Lipton 1999, S. 118); „ich“ bezieht sich daher nicht auf ihn, sd. auf Gott. (Zurück zu v.12 / zu v.13)
ptFN + Textkritik: Constructusverbindung, bei der das Nomen im Status Constructus („der Gott“) untypischerweise Artikel trägt (vgl. z.B. GKC §127f). S. ebenso z.B. 2 Kön 23,17: „der Altar [von] Bet-El“. Das „Ich bin der Gott, der dir in Bet-El erschienen ist“ in LXX, TgO und TgJ setzt wahrscheinlich keine andere Textvorlage voraus, sondern ist theologische Korrektur: JHWH ist „Gott der ganzen Erde“ und daher „Gott von Bet-El“ eben nur insofern, als er dort erschienen ist. (Zurück zu v.13)
qTextkritik: MT, TgJ und TgN wie in der Alternative. Einige MSS, SamP, TgO und TgG bezeugen aber „und wo“; LXX, VUL und Syr sparen das zweite „wo“ (`ašer) aus, bezeugen aber ebenfalls ein „und“. Man könnte beides mit BHQ als syntaktische Erleichterung werten und danach MT für ursprünglich halten, aber angesichts dieser Masse an Textzeugen ist der Wortlaut von MT wahrscheinlicher nur versehentliche Angleichung des zweiten Nebensatzes an den ersten (so noch Ball 1896, BHK, BHS). (Zurück zu v.13)
r(antworten=) erwidern - W. „antworten“, hier aber wie häufig in der Bibel (s. z.B. Kleist 1936, S. 163) nicht als Antwort auf eine Frage, die Jakob ja gar nicht gestellt hat, sondern zur Bezeichnung z.B. der Reaktion auf eine vorangegangene Rede wie eben hier die des Jakob. Besser übersetzt man daher wie HfA: „Rahel und Lea erwiderten“.
Das Wort mit zwei Subjekten („Rahel und Lea“) steht hier wie noch häufiger im Sg., um hervorzuheben, dass beide gemeinsam das Gleiche tun. (Zurück zu v.14)
sHaben wir etwa noch Anteil und Erbe in unserem Vaterhaus ist nicht wörtlich zu verstehen; allein schon, weil verheiratete Töchter zur Abfassungszeit ohnehin nicht erbberechtigt waren, wenn es gleichzeitig Söhne in diesem Vaterhaus gab. Wie 2 Sam 20,1 und 1 Kön 12,16 = 2 Chr 10,16 deutlich zeigen, ist die Frage stattdessen eine geprägte Wendung mit der Bed. „Hier gibt es ja ohnehin nichts mehr für uns!“ (gut Shectman 2011, S. 216). Warum das so ist, zeigen die folgenden Sätze. (Zurück zu v.14)
tDie Logik von V. 15 im Kontext von Vv. 14-16 lässt sich wahrscheinlich auf zwei Weisen lesen:
(1) „Hier gibt es ja ohnehin nichts mehr für uns: Unser Vater hat uns quasi an dich verkauft, insofern er uns [zwar eine Mitgift gegeben, uns dann aber wieder] ausgebeutet hat. In dieser Hinsicht gleichen wir Ausländerinnen, die er ohne Mitgift mir dir verheiraten können hätte. Ergo ist alles, was Gott ihm entzogen und dir übereignet hat, eigentlich unser Geld. Gut so, dass er's dir übereignet hat!“
(2) „Hier gibt es ja ohnehin nichts mehr für uns: Unser Vater hat uns an dich verkauft[, also ein gigantisches Brautgeld genommen und dafür nur eine mickrige Mitgift gegeben]. In dieser Hinsicht gleichen wir Ausländerinnen, die er ohne Mitgift mir dir verheiraten können hätte. Und nun hat er dieses Geld sogar auch noch wieder an dich verloren! Aber ohnehin hätte ja alles, was Gott ihm entzogen und dir übereignet hat, eigentlich unser Geld sein müssen. Gut so, dass er's dir übereignet hat!“
Genauer: Der zweite Satz ist kompliziert, weil er auf unterschiedliche rechtliche Intitutionen anspielen könnte oder nicht:
(1) Im Alten Orient zahlte erstens der Ehemann einen Brautpreis, wie es ja deutlich auch in unserer Erzählung in Gen 29 zu sehen war. Nach Texten aus Nuzi und Emar hatte der Brautvater das Recht, diesen Brautpreis selbst zu verbrauchen, und dieser Verbrauch wird dort ausgedrückt mit dem Ausdruck „das Geld fressen“ (vgl. z.B. Burrows 1937, S. 265f.; Selman 1976, S. 132; Vita 2008, S. 235f.). Granqvist 1931, S. 128 zitiert auch eine Braut aus dem zeitgenössischen Palästina, die den Ausdruck ungefähr in diesem Sinn gebraucht („er hat das Geld verschleudert“; dazu vgl. u.). Auf den ersten Blick scheint man den Ausdruck also auch hier in diesem Sinn nehmen zu müssen. Zweitens gab der Brautvater seiner Tochter eine Mitgift zu ihrer Verfügung, mit der sie sich im Falle des kinderlosen Todes ihres Mannes versorgen können sollte (vgl. Jos 15,18f.; 1 Kön 9,16). Aus Alalakh, Emar, Nuzi und Ugarit ist gelegentlich auch der Brauch belegt, den Brautpreis der Mitgift zuzuschlagen und beides gemeinsam der Braut zu übergeben (vgl. z.B. Westbrook 1993, S. 278f.; Hillmann 2016, S. 37-42; Stol 2016, S. 125f.), grundsätzlich waren beide Institutionen aber voneinander unabhängig, was man in der Bibel schon daran sieht, dass der Brautpreis häufiger als nicht in Form von besonderen Leistungen erbracht wurde (s. Jos 15,16 = Ri 1,12; 1 Sam 17,25; 18,17.25; 2 Sam 3,14). Nimmt man beide Institutionen zusammen, könnten Labans Töchter sich hierüber beschweren: Dass dieser zwar einen Brautpreis genommen, ihnen aber keine Mitgift gegeben hat und sie also insofern „gleich Ausländerinnen (=Sklavinnen) verkauft hat“ (so z.B. Westbrook 1991, S. 150; Steinberg 1993, S. 106; Marsman 2003, S. 105; so die meisten). Dagegen spricht aber, dass nach den Texten aus Nuzi, Emar und dem zeitgenössischen Palästina „das Geld fressen“ sich auf den Brautpreis und nicht die Mitgift bezieht. Dagegen spricht auch, dass sie wahrscheinlich sehr wohl eine Mitgift erhalten haben, wie man an ihren Mägden sieht: Mägde sind in altbabylonischen Texten häufig Teil der Mitgift (vgl. z.B. Stol 2012, S. 162f.), was noch klarer macht, dass diese in Gen 29,23f. als (Teil der) Mitgift zu denken sind.
(2) Anscheinend darf man den Ausdruck „das Geld fressen“ hier also nicht entsprechend dem Sprachgebrauch aus Emar und Nuzi deuten. Dann kann man es aber ebenfalls nicht gut auf die Mitgift beziehen, denn wie dann „er hat unser Geld gefressen“ für „er hat uns unsere Mitgift vorenthalten“ stehen sollte, wäre schwer erklärlich, und wieder: Offenbar haben sie ja ohnehin doch eine Mitgift bekommen.
(2a) Entweder nimmt man es daher besser im Sinn von „rauben, ausbeuten“ (wie bes. bekannt in Lk 20,47: „Sie fressen die Häuser der Witwen“), (2aA) so dass der Satz bedeutet: „Indem er dich ausgenommen hat, hat er uns ausgenommen!“ (so Wenham 1994). (2aB) Oder man setzt noch einfacher wie Paulus Fagius und Franziskus Vatablus voraus, dass Jakob und seine Frauen eine Wirtschaftseinheit (und Werkgemeinschaft; s. schon zuvor Gen 29,7.9) waren, so dass Laban natürlich nicht nur Jakob, sondern auch unmittelbar seine Töchter ausgebeutet hat.
(2b) Oder man nimmt „fressen“ i.S.v. „verbrennen, vernichten“ (wie V. 40), so dass der Satz bedeutet: „Der Besitz, den du ihm in den letzten sechs Jahren „weg-gearbeitet“ hast und das er also so mit seiner Gier verspielt hat, war ohnehin unser Geld“ – „unser“ i.S.v. „deines und unseres“.
Beide Deutungen liegen auch von den masoretischen Akzenten her näher. V. 15 wird fast stets so aufgelöst, dass sowohl der Satz vom „Verkaufen“ als auch der vom „Fressen“ sich auf die Frage in 15a beziehen (entweder wie z.B. Seebass 1999: „Hat er uns bei sich nicht als Fremde geachtet, dass er uns verkauft und also noch unser Geld verbraucht hat?“, oder wie z.B. Westermann 1981: „Gelten wir ihm nicht als Fremde? Denn er hat uns verkauft und längst unser Geld dafür aufgebraucht!“). Das passte gut zur Deutung (1). Nach dem masoretischen Akzenten sind diese beiden Sätze aber klar nicht einander beigeordnet: Beide werden durch Athnach getrennt. Auch der pleonastische Infinitiv „er hat fressend gefressen“ spricht dafür, dass dieser Satz von einem eigenen Sachverhalt spricht. Anscheinend muss man den Vers also entweder so auflösen, dass der „Verkaufs-Satz“ gemeinsam mit der Frage in 15a den V. 14 begründet und der „Fress-Satz“ separat zu nehmen ist (bei Deutung 2a), oder so, dass dieser mit dem nächsten Vers zu verbinden ist (bei Deutung 2b). So übersetzt merkwürdigerweise nur van Ess: „Wurden wir nicht von ihm als Fremde geachtet, weil er uns verkauft hat? Ja, hat er nicht auch unser Geld verzehrt?“ Nach den Akzenten zu urteilen ist das aber gewiss richtig. (Zurück zu v.15)
uKlangspiel: In diesem letzten Satz beginnen von den sieben heb. Wörtern sechs mit einem Guttural: wa-´attah („Darum:“) kol („alles“) `ašer („was“) `amar' („gesagt hat“) `elohim („Gott“) `eleka („zu dir“) ´aßeh („tue“)! (Zurück zu v.16)
vTextkritik: Die Variante nach SamP, LXX und Jub 29,4. Welche der beiden Varianten ursprünglich ist, lässt sich nicht entscheiden. (Zurück zu v.17)
wTextkritik: Die in der Alternative gestrichene Passage, die z.B. in NVul und traditionell in LUT nicht übersetzt wird, steht so nur in MT und SamP. Ganz fehlt sie in LXX, VUL und Syr (LXX hat zwar dafür nach „Paddan-Aram“ ein zusätzliches „alles, was ihm gehörte“. Wenham 1994 will nach Gispen hierin noch einen Überrest der ausgefallenen Passage erkennen, aber weit wahrscheinlicher hat LXX die Phrase aus V. 21 hier ebenso ergänzt wie in V. 31 und wie sie auch in V. 13 noch einmal das „Und ich will mit dir sein“ aus V. 3 eingefügt hat). TgO, TgJ und TgN haben alle jeweils leicht unterschiedliche Varianten dieser Passage, TgG eine Zwischenstufe zwischen diesen Targumim und MT. Ganz grob können wir also die vier Gruppen (1) LXX, VUL, Syr; (2) MT, SamP; (3) TgG; (4) TgO.J.N unterscheiden, und der größte Unterschied ist, ob die Textzeugen grundsätzlich eine solche Passage bezeugen (Gruppe 2+3+4) oder nicht (Gruppe 1). Theoretisch ließe sich diese Differenz entweder als Augensprung erklären; wegen der identischen hier gefetteten Phrasen hätte der Schreiber der Vorlage von Gruppe 1 also die hier gestrichene Passage übersehen: all seinen Gewinn, den er gewonnen hatte; das Vieh, das sein Erwerb war, den er gewonnen hatte in Paddan-Aram (so z.B. Ball 1896; BHS; Wevers 1993, S. 504; Hamilton 1995). Oder hier liegt Konflation vor: Ein Schreiber hätte „all ... und all“ ausgelassen und daher nur „das Vieh seines Erwerbs“ geschrieben; dies wäre später korrigiert worden zu „all das Vieh und all seinen Erwerb“ und am Ende wären beide Varianten in den Text geraten. Das macht z.B. TgO plausibel, wo sich jeweils die beiden Nomen in den beiden Passagen genau entsprechen: „alle Tiere und allen Bestand, den er erworben hatte; Tiere und Bestand, den er erworben hatte in Paddan-Aram“. Aber hier ist das Zeugnis der Versionen sehr chaotisch; die Zeugen der Gruppen 2-4 differieren jeweils dahingehend, ob Nomen 1 Nomen 3 entspricht (MT, SamP, TgO, TgG) oder nicht (TgJ, TgN) und ob Nomen 2 Nomen 4 entspricht (TgO, TgJ) oder nicht (MT, SamP, TgN, TgG); sie differieren außerdem dahingehend, ob die beiden Nomen in der fraglichen Passage in einer Genitivverbindung stehen (MT, SamP, TgG) oder koordiniert sind wie die vorherige Passage (TgO.J.N). Weil das so unübersichtlich ist, hat man fast keine Wahl, als mit der Mehrheit einfach MT zu folgen; sehr sicher ist dies aber nicht. (zu v.18)
xPaddan-Aram - gut modernisiert in BigS: „im aramäischen Mesopotamien“. (Zurück zu v.18)
y
Bild 3: Terrakotta-Figurine: Trommlerin. Akhzib, 8./7. Jhd. v. Chr. (c) IM, IAA 1944-264
Bild 1: Syrisches Siegel, 18./17. Jhd. v. Chr.: In der Mitte kommuniziert eine Frau mit Masken. (c) Schroer 2011, S. 43
Bild 2: Steinzeitliche Maske aus Nahal Hemar. (c) IM, IAA 1984-407
Was genau die Terafim sind, ist ungewiss. Laban bezeichnet sie in diesem Kapitel als „seine `elohim“ und Rahel stiehlt sie und versteckt sie in ihrer Satteltasche. Aus Ez 21,26; Sach 10,2 und wahrscheinlich 1 Sam 15,23 und 2 Kön 23,24 lässt sich außerdem herauslesen, dass sie besonders häufig zur Wahrsagerei verwendet wurden. Danach handelt es sich um kleine Kultobjekte, durch die sich entweder mit den Göttern oder mit den Geistern von Toten u.a. zur Wahrsagerei kommunizieren lässt (`elohim meint meistens Götter, in 1 Sam 28,13 und vielleicht Jes 8,19 aber auch Totengeister, die man sich danach wohl als eine Art Zwischenwesen zwischen Mensch und Gottheit vorstellte). In der Regel hält man sie daher entweder für Masken (Bild 1+2) oder für kleine Figurinen (Bild 3), die übernatürliche Wesen repräsentierten. Die Figurinen-Deutung wird weit häufiger vertreten, weil man 1 Sam 19,13-16 meist so versteht, dass Michal Terafim so in ein Bett legt, dass man sie für einen kranken Menschen halten kann, und daraus ableitet, dass diese Figurinen also auch lebensgroß sein konnten – aber die Erzählung ist damit fast sicher missverstanden, s. dort.
Das biblische Wort ist sehr wahrscheinlich ein Dysphemismus mit der Bed. „Verrottetes, Verdautes“; tarapim sind also „Kotz-Brocken“ (richtig z.B. Rouillard / Tropper 1987, S. 359; Loretz 1992, S. 141; Sarna 2001; ähnlich schon Sellin 1939; vgl. den ähnlichen Dysphemismus gillulim [„Kot-Batzen“] für Götzen). Von solchen Dysphemismen gibt es grob zwei Varianten: Bei Variante 1 hat der Dysphemismus lautlich wenig mit dem entstellten Wort zu tun (wie bei bošet [„Schande“] für Ba´al: nur die Anfangsbuchstaben entsprechen sich), bei Variante 2 werden nur die Vokale des entstellten Wortes mit denen eines Schimpfwortes ausgetauscht (wie bei molek mit den selben Vokalen wie bošet für malk „König“). Da neben t-r-p („weich/verdaut sein“) keine weitere hebräische Wurzel t-r-p bekannt ist, gehört Terafim wohl zu Variante 1, so dass sich aus ihrer Bezeichnung nichts herleiten lässt (von rapa` [„heilen“ > „Heil-Götter“] abzuleiten, wie Rouillard / Tropper vorschlagen, geht nicht an, da man hier tarpa`im mit Alef erwarten würde. Die Belege für Ausfall von Alef, die die beiden bringen, sind sämtlich nur Beispiele für die Schreibung von Endungs-` als Endungs-h und damit ohne Erklärwert). Das stärkste Indiz ist, dass Jub 29,9 die Terafim gar nicht erwähnt, aber unerwartet einen Exkurs nach Dtn 3,13 darüber einschaltet, dass Gilead das „Land der Refaim“ war. Könnte Terafim Verballhornung von Refaim sein (so schon Albright 1968, S. 168; Loretz 1992, S. 141f.) und unsere Erzählung auch Ätiologie, wonach Gilead deshalb das „Land der Refaim“ war, weil Rahel die Terafim (lies: Refaim) hierher gebracht hat? Aber das ist nicht mehr als educated speculation.
Auch ihre Funktion in unserem Kapitel ist umstritten. Überwiegend sind drei Deutungen im Umlauf:
(1) Josephus berichtet in JosAnt 18.9.5 von einer Partherin: „Da sie nach dem Tod ihres ersten Mannes in Gefangenschaft geriet, verbarg sie die Bildnisse der Götter, die sie mit jenem Manne verehrt hatte, und nahm sie nach dem Brauch ihres Landes mit sich. In jenen Gegenden ist es nämlich allgemein Sitte, Götterbilder zu Hause zu haben und dieselben auf Reisen mitzunehmen.(Üs. nach Clementz). Greenberg 1962 und z.B. van Seters 1975, S. 93f.; Thompson 2002, S. 278 und Utzschneider 2019, S. 34 haben danach angenommen, Rahel habe die Götzen schlicht aus religiösen Gründen mitgenommen, da sie sich ja nun auch auf eine Reise begibt. Hinzudenken muss man sich bei dieser Deutung wohl, dass sie sie dabei untypischerweise ihrem Vater raubt, weil sie ja soeben ihren Bruch mit ihm verkündet hat. Aber zu dieser Deutung passt sehr schlecht, dass sie sich im Folgenden auf die Terafim setzen wird, woraus gewiss keine religiöse Achtung spricht.
(2) In altorientalischen Testamenten ist häufig die Rede von „Göttern und Toten einer Familie“, die Erben „erhalten“ oder „verehren“ sollen. In der Regel sind diese Erben die ältesten Söhne eines Vaters, die also nach seinem Tod zum pater familias werden werden. (2a) Gordon 1958, S. 129 und z.B. Taschner 2000, S. 121f. und Galambush 2018 denken daher klug, Rahel habe mit dem Diebstahl Jakob symbolisch ähnlich das Erstgeburtsrecht in der Familie Labans ergaunern wollen wie Jakob dies zuvor in der Familie Isaaks getan hat, (2b) ähnlich glauben Draffkorn 1957, S. 219f.; Pardes 1992, S. 70f.; Spanier 1992 und Fischer 1995, S. 116, Rahel habe sich nach dem Geburtswettstreit in Gen 30 mit diesen Terafim das Erstgeburtsrecht für ihre statt für Leas Söhne ergaunern wollen. Aber es ist gar nicht wahr, dass diese „Götter und Toten“ nur an die Erstgeborenen vererbt wurden: Heltzer 1998, S. 359 verweist auf das Nuzi-Testament HSS 19,5 (zum Text vgl. Deller 1981, bes. S. 48-57), in dem der Erstgeborene nur die „großköpfigen Götter“ und der Zweitgeborene die „kleinköpfigen“ erhalten soll, Sigrist 1982, S. 242-46 übersetzt einen wahrscheinlich in Emar entstandenen Text, in dem ähnlich die Götter von beiden erbenden Söhnen verehrt werden sollen. Es ist daher nicht wahrscheinlich, dass die Terafim wirklich das Erstgeburtsrecht signalisieren; noch weniger, dass sie es „sichern“.
(3) Am wahrscheinlichsten ist daher die schon bei den alten Auslegern (z.B. PRE 36.4; Midrasch BerR, Midrasch Tanchuma; auch bei Raschbam, ibn Ezra, Radak, Ramban) verbreitete Deutung, Rahel habe ihrem Vater mit dem Raub der Terafim hauptsächlich seine Wahrsage-Instrumente stehlen wollen, damit er sie nicht verfolgen konnte (so z.B. Sarna 2001; Krauss / Küchler 2004; Plangger 2018, S. 70f.). (Zurück zu v.19)
zdas Herz stehlen - unklarer Ausdruck. Sonst nur noch in 2 Sam 15,6 (Absalom machte Stimmung gegen David. „Und so stahl Absalom das Herz der Männer von Israel“). Dort bedeutet er nach V. 13 („Das Herz der Männer Israel [ist nach=] hängt an Absalom“) aber gewiss „betören“, was hier nicht passt; die beiden Ausdrücke scheinen also keine geprägten Wendungen zu sein, so dass man sie unabhängig voneinander deuten muss.
(1) An unserer Stelle deutet man daher heute stets mit „täuschen / überlisten“, weil das Herz in der Vorstellung der alten Israeliten Sitz des logischen Denkens war: „das Gehirn“. Dem sollte auch die LF folgen.
(2) Alternativ wie Baumgarten 1843 nach Luther: „Er hat ihm [sein Planen] zunichte gemacht“, was sich besser aus der wörtlichen Bed. herleiten ließe,
(3) Oder wie Franziskus Vatablus: „Jemandem Wissen vorenthalten“, ihn also über seine Pläne im Unklaren lassen. Dito.
(4) Erwähnt sei schließlich noch die zu Unrecht vergessene Deutung von Aloisius Lipomanus: „Das Herz“ steht synekdochisch für „das, woran jemandes Herz hängt“ (wie Mt 6,21 = Lk 12,34). Dann hätten v.a. Vv. 26-30 eine ganz andere Logik, weil dann „das Herz“ entweder für Labans Töchter oder ebenfalls für die Terafim stehen könnte. Vv. 26f. wären dann also mehrdeutig: Auf den ersten Blick spräche Laban davon, dass Jakob ihm damit, dass er „sein Herz gestohlen“ und „ihn bestohlen“ hat, insofern „seine Töchter gestohlen“ hat, als Jakob ihm einen Abschied von seinen Töchtern verwehrt hat (darauf wäre Jakobs „Ich hatte Angst..., dass du mir deine Töchter raubst“ in V. 31 eine sehr passende Antwort). Und erst im letzten Satz in V. 30 offenbarte sich: Eigentlich ging es Laban vor allem um die Terafim, nicht die Töchter.
Unabhängig davon: gewählt wurde der seltene Ausdruck natürlich, weil Jakob und Rahel so zu Bonnie und Clyde des Alten Testaments werden: Rahel stiehlt die Terafim, und Jakob stiehlt das Herz. (Zurück zu v.20 / zu v.26)
aaam dritten Tag ist vielleicht dramatische Ironie: In Gen 30,36 hat Laban 3 Tagesmärsche Abstand zwischen sich und Jakob gebracht. Das rächt sich jetzt; erst nach drei Tagen fällt Jakobs Flucht auf (gut Krauss / Küchler 2004; Turner 2000b). S. zum „dritten Tag“ und zu den „sieben Tagen“ noch die nächste FN. (Zurück zu v.22)
ab
Zwei Vorschläge zur Lage der Zeltlager
Das Gilead-Gebirge ist ein recht großflächiges Gebiet. Dass das „Gebirge“ / der „Berg“ in V. 25 doppelt genannt wird, legt nahe, dass wie in einer Kriegsszenerie beide ihre Lager auf benachbarten Hügeln aufschlagen (so z.B. Westermann 1981; Taschner 2000, S. 123; Sarna 2001. VUL und TgJ wollten das offenbar in ihrer Üs. explizit ausschließen: „auf dem selben Berg Gilead“ [fehlt in BHQ]). Wo genau, lässt sich wegen der groben Ortsangabe nicht sagen. Ich (S.W.) stelle mir vor – aber das ist wieder nur educated speculation –, dass sie auf den Plateaus an der heutigen syrisch-jordanischen Grenze am Fluss Jarmuk lagerten, also am nördlichen Ausläufer des Gilead-Gebirges (rechts: „Zeltlager 1“). 17 km nordöstlich liegt Karnajim, das wohl die längste Zeit der biblischen Frühgeschichte unter aramäischer Herrschaft stand, im 8. Jhd. kurz von den Israeliten erobert und dann wieder an die Aramäer verloren wurde (s. Am 1,3; 6,13); 20 km südöstlich die Stadt Ramoth-Gilead, wegen der Israeliten und Aramäer laut 1 Kön 22,3; 2 Kön 9,14 ebenfalls Grenzstreitigkeiten hatten. Hier also verlief eines der Grenzgebiete zwischen Israel und Aram. Vgl. auch Ez 47,16.18, wonach die Grenze Israels bei vollster Ausdehnung bis zum Hauran-Gebiet reicht, also wieder bis zum Jarmuk. Dann hätte Laban aus Haran die Grenze zwischen Israel und Aram am Rand des Hauran-Gebiets gezogen, und Jakob hätte bei seiner Flucht zu Beginn den Euphrat überqueren müssen, wäre am Jarmuk noch einmal mit Laban aneinandergeraten und dann am Jabbok dem Engel begegnet. Fußläufig ist diese Gegend etwa 640 km von Haran entfernt.
In der aktuellen Forschung wird der Ort stattdessen manchmal deshalb, weil in Vv. 48f. von gal´ed und miṣpah die Rede ist, mit Khirbet Gel´ad identifiziert (rechts: „Zeltlager 2“), so dass wir schon hier in der Gegend bei Mahanajim am Jabbok wären, wo das nächste Kapitel spielt. Dann müssten wir noch einmal mit 120 km mehr rechnen (vgl. z.B. Gal-Ed (odb)). Aber zu Vv. 48f. s. dort.
Zu Pferd wären beide Strecken in sieben Tagen gut machbar, eine Kleinviehherde hätte man aber keinesfalls in zehn Tagen so weit treiben können. Üblicherweise erklärt man daher die Zahlen als runde Zahlen: nach „wenigen“ Tagen wird Jakobs Flucht gemeldet, nach „einigen“ Tagen hat Laban ihn eingeholt. Die alternative Erklärung von Steinmann 2019, Laban sei erst nach dem Ende der Schafschur aufgebrochen, hilft nichts: Nach altorientalischen Quellen wird diese inklusive Fest im Schnitt sieben Tage oder weniger gedauert haben; auch 17 Tage sind aber weit zu wenig für die Reise Jakobs. Am besten erklärt man sich daher den „dritten Tag“ wirklich als Anspielung auf Gen 30,36 (s. vorige FN) und die „sieben Tage“ i.S.v. „nach einem mehrtägigen Gewaltritt“. Gut zusammenpassen tun beide Zeitangaben dennoch nicht. (Zurück zu v.23 / zu v.25)
acsprechen von Gut bis Böse - unklarer Ausdruck. Üblicherweise bezeichnet eine Angabe à la „von X bis Y“ alles, also „sprich kein Wort mit Jakob!“ (vgl. bes. Honeyman 1952, S. 11f.). Das tut Laban dann aber doch, und das ganz schön ausführlich – und glaubt in V. 29 aber gleichzeitig, damit Gottes Verbot zu entsprechen. Es gibt zwei sehr nahe Parallelen: In 2 Sam 13,22, nachdem Amnon seine Schwester Tamar vergewaltigt hat, heißt es: „Absalom sprach nicht mit Amnon von Böse und bis Gut, denn Absalom hasste Amnon.“ Kurze Zeit später lädt er ihn zu sich ein, um ihn auf einem Fest zu ermorden. Die zweite Parallele ist Gen 24,50: Als Abrahams Knecht für Isaak um die Hand von Labans Schwester anhält und darum bittet, ihm dies entweder zu gewähren oder auszuschlagen, sagt Laban ähnlich: „Der Spruch ging von JHWH aus; wir können nicht zu dir sprechen Böses oder Gutes“, und hat dem Knecht damit die Bitte gewährt.
Darf man die drei Stellen zusammenlesen – und das muss man wohl sogar –, scheint der Ausdruck also ungefähr zu bedeuten: „sich eines Urteils enthalten(, da Gott bereits geurteilt hat)(gut Fokkelman 1975, S. 165: „It is not for us to judge of this“). Dies hieße bei 2 Sam 13 genauer: „Absalom vermied, öffentlich ein Urteil auszusprechen, denn er hasste ihn [und hatte vor, einen auf gut Freund mit ihm zu machen, um ihn dann töten zu können]“, und an unserer Stelle beschränkt sich Laban daher auf vorwurfsvolle Fragen, weshalb auch erst Jakob eine gerichtliche Untersuchung einleiten muss.
Alternativ haben Clark 1969, S. 269 und nach ihm z.B. Sherwood 1990, S. 315 und Hamilton 1995 vermutet, der Ausdruck bedeute „rechtliche Schritte unternehmen“, was an unserer Stelle und in 2 Sam 13 ebenfalls gut passte, an der in Gen 24 aber weniger, und neuerdings hat Steinmann 2019 angenommen, „von gut bis böse sprechen“ bedeute, Gutes zu sprechen und dies dann zum Bösen zu pervertieren, was zu keiner der beiden anderen Stellen gut passt. Die alten jüd. Ausleger schließlich haben „von gut bis schlecht“ i.S.v. „weder Gutes noch Schlechtes“ genommen und dann das Verbot, Gutes zu sprechen, entweder so erklärt, dass Laban Jakob auch nicht zureden dürfe, wieder zurückzukommen (ibn Ezra, Ramban, Sforno; daher noch Michaelis 1775: „Hüte dich, weder in Gutem noch Bösen mit Jacob von der Rückreise zu reden“), oder so, dass auch das Gute, das böse Menschen sprechen, vergiftet ist (Midrasch BerR, Raschi, Tur). (Zurück zu v.24 / zu v.29)
adWitzig: Wörtlich auf den ersten Blick: „Jakob hatte sein Zelt aufgeschlagen und Laban hatte seine Brüder aufgeschlagen.“ Vielleicht ein Textfehler, bei dem אהלו („sein Zelt“) zu אחיו („seine Brüder“) verlesen wurde (so BHS), aber alle Textzeugen stützen MT. Vielleicht wurde der Wortlaut auch bewusst gewählt: „Jakob schlug sein Zelt auf und Laban wild um sich.“ (Zurück zu v.25)
aeWas hast du getan!? + Warum - Ironie: In Gen 29,25 hatte Jakob Laban mit diesen Worten dafür angeklagt, dass er ihm seine Tochter Lea gegeben hatte. Nun klagt ihn Laban mit den selben Worten dafür an, dass dieser ihm seine Töchter genommen hat.
Was hast du getan und die beiden folgenden Warum-Fragen sind rhetorische Fragen, mit denen im Heb. standardmäßig Anklagen formuliert werden (vgl. Boecker 1970, S. 31.42; Mabee 1980, S. 196). Treffender ist daher normalerweise etwas wie: „Wie konntest du nur!?“ In unserem Kapitel ist es aber wahrscheinlich bedeutsam, dass Laban nur in Fragen spricht, s. die Anmerkungen. (Zurück zu v.26 / zu v.27 / zu v.30)
aftFN: mir nicht ermöglicht (mich nicht [so] verlassen, dass...) - seltsam. Heb. naṭaštani. naṭaš heißt sonst nur „verlassen, zurücklassen“, auch im Aramäischen. „Erlauben“, wie auch VUL übersetzt, wäre heb. natan. Greenfield 1981, S. 129; Hamilton 1995 und Bompiani 2014, S. 46 erklären als Aramäismus: Aram. šebaq heißt sowohl „verlassen“ als auch „zulassen“. Aber anders als in TgO.N.G und Syr steht hier ja gar nicht šabaq? LXX („ich war nicht würdig“) legt nahe, dass auch den alten Übesetzer das Wort Schwierigkeiten bereitete. Vielleicht richtiger nach TgJ („warum hast du nicht gewartet“): „Warum hast mich nicht [so] verlassen, dass ich meine Enkel und Töchter küssen können hätte?“, und Tg, Syr und danach VUL wären dann als bloße Übersetzungs-Aramäismen zu beurteilen. So deutet aber niemand. (Zurück zu v.28)
agEs läge in der Macht meiner Hand - etwas unklarer Ausdruck. Was er ungefähr bedeutet, ist klar, da er auch in Dtn 28,32; Neh 5,5; Spr 3,27 und Mi 2,1 in diesem Sinn verwendet wird. S. genauer zu Mi 2,1: Am ehesten ist wörtlich aufzulösen: „Meine Hand (ist=) wirkt für die Gottheit“. Mitzuhören ist dann: „darum führt diese Gottheit meine Hand auch“. Zur Idee vgl. z.B. Jes 45,1: Gott spricht zu seinem Gesalbten, „den ich an der rechten Hand genommen habe, um Nationen vor ihm niederzuwerfen“. Auch Ahnen können derart die Hände ihrer Nachfahren führen, s. Gen 49,24. Dass Laban sich gerade dieses Ausdrucks bedient, ist dann hochironisch: Gerade das gilt ja nicht, wie der Rest des Verses zeigt.
Dass der Ausdruck stets in Rechtskontexten vorkomme und daher soviel bedeute wie „ich bin befugt, X zu tun“ (Fokkelman 1975, S. 169; ähnlich Mabee 1980, S. 198 FN 15) ist schlicht falsch; ein solcher Kontext ist außer an unserer Stelle sogar nie zu erkennen. (Zurück zu v.29)
ahTextkritik: Der vorangehende Satz fehlt in LXX, wohl wegen Homoiarkton (richtig BHQ): „Weil ich mich fürchtete. Weil ich sagte... (Zurück zu v.31)
aiTextkritik: und alles, was mir gehört nur nach LXX; gewiss Angleichung an V. 21 wie in V. 18. In den folgenden Versen hat LXX den Text so gewaltig umgeschrieben, dass auf die einzelnen Varianten nicht eigens eingegangen wird; s. BHQ. (Zurück zu v.31)
ajDas Zelt der beiden Mägde stört; laut dem nächsten Satz geht Laban ja direkt vom Zelt von Lea ins Zelt von Rahel. Entweder ist ist diese Phrase spätere Ergänzung eines überkorrekten Schreibers (Boecker 1992, S. 90; Tröndle 2023, S. 183) oder der erste Satz von V. 33 ist nicht chronologisch gemeint, sondern nur eine Aufzählung: „Er ging in die Zelte von Jakob und Lea und den beiden Mägden, fand aber nichts. Als er [am Ende] Leas Zelt verließ, ging er ins Zelt von Rahel“ (ähnlich Steinmann 2019). Oder schließlich der Beginn von V. 33 ist nur die Kurzfassung der Episode, bei der das kritische Geschehnis ausgespart wurde, um es sogleich ausführlich nachzuliefern: „In den Zelten von Jakob, Lea und den beiden Mägden fand er nichts. Aus dem Zelt von Lea ging er aber ins Zelt von Rahel.“ Kommunikative Bibelübersetzungen sparen wegen dieser Schwierigkeit in der Regel den ganzen zweiten Satz aus (HfA) oder ersetzen ihn durch etwas wie „Dann ging er in Rahels Zelt“ (GN, NeÜ, NL). (Zurück zu v.33)
aker fand nichts. Er ging hinaus - Klangspiel: (lo`) maṣa` (waj-)jeṣe`, das eine Wort von maṣa` („finden“), das andere von jaṣa` („hinausgehen“) – nun wird es also kritisch. (Zurück zu v.33)
al
Bild 3: Kamelreiter auf Kissensattel. Relief aus Tell Halav, 9./8. Jhd. (c) Wikimedia
Bild 1: Kamelreiter und Pferdereiter. Assyrisches Siegel, 6./5. Jhd. v. Chr. (c) BM, 117716
Bild 2: Psyche reitet auf beladenem Kamel. Griechisches Relief, 3. Jhd. v. Chr. (c) Wikimedia
Historisch voraussetzen müssen wir beim Kamel-Sattel entweder den südarabischen Sattel oder den Kissensattel, vgl. Bulliet 1975, bes. Kapitel 3. Dass Rahel die Terafim im Sattel verstauen und sich danach auf sie setzen kann, macht sehr wahrscheinlich, dass ein Kissensattel gemeint ist, wie er rechts auf Bild 1 abgebildet ist: eine dicke Matte und darauf ein Kissen, die mit Seilen o.Ä. an das Kamel gezurrt wurden. Transportgüter wurden dann wiederum z.B. in Satteltaschen an diesem Konstrukt befestigt (s. Bild 2). Ein solcher Kissensattel ist auch auf dem Relief aus Tell Halav abgebildet (Bild 3, vgl. ebd., S. 80); der Reiter sitzt dort also nicht auf einer „Box“ (so Sarna 2001; Waltke/Fredricks 2001; Cook 2011), so schön das auch zu unserer Erzählung passen würde. Der nordarabische Sattel, an den z.B. Galambush 2018 zu denken scheint, wenn sie darauf hinweist, Kamelsattel hätten Füße (gleich Stühlen), kam erst ab dem 5. Jhd. v. Chr. auf (vgl. ebd., S. 87).
Im Alten Israel schlief man für gewöhnlich auf dem bloßen Boden und deckte sich mit seinem Mantel zu, zumal auf Reisen. Ein Kissensattel war also im Verhältnis dazu sehr bequem und wirklich eine gute Sitz- oder Liegegelegenheit für eine Frau mit Menstruationsbeschwerden. (Zurück zu v.34)
ambetastete das ganze Zelt - symbolisch: Wie der blinde Isaak in Gen 27,22 im Zelt nach seinem Sohn „tasten“ musste und dabei getäuscht wurde, so muss nun Laban im Zelt „herumtasten“ und wird ebenso getäuscht (gut Turner 2000b). Der Hellseher Laban ist durch den Diebstahl seiner Terafim zum Blindfisch degradiert worden. (Zurück zu v.34)
anes erzürne nicht in den Augen meines Herrn - Hier und in Gen 45,5 offenbar Kombination aus „es erzürne nicht den Zorn meines Herrn(Gen 44,18; Ex 32,22; Ri 6,39) und „es sei nicht böse in den Augen meines Herrn(Gen 21,12; 38,10; 48,17). Soll die Formulierung hyper-höflich sein? Dass Rahel ihren Vater in der 3. Pers. als „mein Herr“ anspricht, ist jedenfalls eine (häufige) Höflichkeitsstrategie.
Textkritik: LXX („Nicht führe es bei meinem Herrn zu Beleidigung“) kann frei übersetzt haben (richtig Wevers 1993, S. 514f.), aber VUL und Syr („mein Herr zürne mir nicht“ / „es erzürne meinen Herrn nicht“) setzen wahrscheinlich wirklich nur die erste Redensart voraus; TgN dagegen übersetzt, als stünde die zweite. SamP, TgJ und TgO stützen MT; wahrscheinlich haben also LXX, VUL, Syr und TgN alle auf drei unterschiedliche Weisen versucht, mit der unerwarteten Formulierung zurechtzukommen. Die Varianten fehlen merkwürdigerweise in jeder textkritischen Edition. (Zurück zu v.35)
aoes ergeht mir gerade nach der Weise der Frauen - w. „mir ist der Weg der Frauen“, d.h. wahrscheinlich: „Ich habe gerade meine Menstruation“ (vgl. ähnlich Gen 18,11). Tur erwägt hier und Ramban zu Gen 18, ob „der Pfad/Weg der Frauen“ nicht statt der Menstruation die Schwangerschaft sein könnte, aber das hat schon unter den jüd. Auslegern keine Anhänger gefunden.
Dass Rahel gerade ihre Tage hat, stimmt natürlich nicht; Rahel ist gerade schwanger (vgl. Herr 1998; Friedman 2001). Mitzuhören ist bei dieser Ausrede entweder, dass sie wegen ihrer angeblichen Menstruation zu sehr geschwächt ist um aufzustehen (Hamilton 1995, wahlweise schon Ramban) oder dass sie es nicht wagt, aufzustehen, weil sie in ihrer Unreinheit ihrem Vater nicht zu nahe kommen will (Krauss / Küchler 2004, schon Rabbenu Bahja und wahlweise Ramban). Letzteres nämlich ist sicher der Clou ihres Handelns: In der Vorstellung der alten Israeliten waren menstruierende Frauen „unrein“, und diese Unreinheit würde alles „infizieren“, womit sie in Berührung kam – inklusive ihrem Vater (s. Lev 15,19) und allem, worauf sie saß oder lag (s. Lev 15,23).
Dass Rahel ihre Unreinheit nur vortäuscht, ändert nichts daran, dass sie mit ihrem Handeln die Heiligkeit von Terafim massivst mit Füßen tritt: Die Götterbilder werden degradiert zu Damenbinden (Fokkelman 1975, S. 170). (Zurück zu v.35)
apIn Vv. 36-42 sind viele Sätze und Phrasen parallel gebaut, was typisch für biblische Poesie wäre, und viele haben auch die richtige Länge für biblische Poesie. Alter 1996 hält diese Verse daher rundweg für ein Gedicht, die meisten bestimmen sie stattdessen als etwas wie „lange Rede in fast dichterischem Stil, sogar mit rhythmischer Gestaltung“ (Boecker 1992), „fast Poesie“ (Waltke/Fredricks 2001), „metrische Kunstprosa, bei denen manche Zeilen reine Poesie sind“ (Fokkelman 1975, S. 171.173). Wir geben sie daher zeilenweise wieder, formatieren aber nicht als Gedicht. Noch leichter als Poesie lassen sich Vv. 43f. deuten, die auch ebenso eingeleitet werden wie Vv. 36-42. Seltsamerweise sind diese noch nicht als Poesie oder „fast Poesie“ verstanden worden. Wir haben sie daher ebenso formatiert. (Zurück zu v.36)
aqTextkritik: Die Konjunktion fehlt nur in MT und TgO; alle anderen Versionen und auch viele heb. Handschriften bezeugen sie. Bei dieser Masse an Zeugen sollte man gewiss MT als Angleichung an den vorangehenden Satz auffassen (richtig BHS, gegen BHQ). (Zurück zu v.36)
arTextkritik: Eine ähnliche Differenz wie die in V. 36: Die Konjunktion fehlt in MT, Syr und den Targumim, wird aber bezeugt durch SamP, LXX und VUL. Hier wird die kürzere Variante also stärker bezeugt als in V. 36. Was ursprünglich ist, lässt sich kaum entscheiden; nachdem MT und TgO aber wohl schon in V. 36 eine Konjunktion gestrichen haben, wird man auch hier eher LXX für ursprünglich halten (richtig Ball 1896, gegen BHQ). (Zurück zu v.37)
asWas - im Heb. das selbe Fragewort die beiden Worins in V. 36. (Zurück zu v.37)
atmeine Brüder und deine Brüder - In V. 32 hießen sie noch „unsere Brüder“. Jakob und Laban sind endgültig geschiedene Leute (gut Fokkelman 1975, S. 174). (Zurück zu v.37)
autFN: Heb. zéh („dies, hier, jetzt“) wird in den Gramamtiken us. gedeutet. „Diese 20 Jahre“, wie viele dt. Üss. übersetzen, ist jedenfalls falsch; das immerhin ist sicher. (1a) GKC §136d hält es für eine Partikel zur Emphase von Fragewörtern, ähnlich dem deutschen „Wer jetzt!?“ statt bloßem „Wer?“. So soll es für ihn auch mit Zahlwörtern zu verstehen sein, und zwar sowohl in Gen 31,38 als auch in Gen 31,41, wo es „von seinem Zahlwort getrennt“ sei. (1b) Dieser Interpretation folgt ungefähr auch Williams §118, der aber in seinen Beispielsätzen jeweils anders übersetzt. Gen 27,36 z.B. wäre für Gesenius „zweimal jetzt“ zu übersetzen, für Williams dagegen „wirklich zwei Male; ganze zwei Male“.
(2) JM §143a dagegen erklärt das Wort an unserer Stelle als ursprüngliches Demonstrativadverb („hier, da, jetzt“), wonach Gen 31,38.41 verblose Sätze wären. Ebenso BrSynt §14bγ; Brockelmann übersetzt daher V. 38 und Joüon V. 41: „20 Jahre sind es jetzt, dass ich bei dir bin“. Dass in V. 41 ein li („für mich“) zwischen zeh und „20 Jahre“ steht, spricht sehr stark für die zweite Deutung: „20 Jahre sind es jetzt für mich, dass ich bei dir bin!“. (Zurück zu v.38 / zu v.41)
avZibbe ist im Heb. rahel: Deine „Rahels“ hatten keine Fehlgeburt. Das stimmt sogar mit Bezug auf die „echte“ Rahel. (Zurück zu v.38)
awTextkritik: Wieder eine ähnliche Textdifferenz wie in Vv. 36.37. Hier ist es jetzt aber umgekehrt wie in V. 37: MT, Syr und die Targumim bezeugen „und“, SamP, LXX und VUL die kürzere Variante. Was ursprünglich ist, lässt sich nicht entscheiden. Da die Zeile aber parallel sowohl mit der vorangehenden als auch mit der folgenden steht, ist die kürzere Variante eher zu erwarten. (Zurück zu v.38)
axEntweder setzt diese Zeile voraus, dass Hirten das Recht hatten, Böcke zu essen, dass aber Jakob von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht hat (soe Boecker 1992), oder Jakob weist von sich, unberechtigt Labans Böcke gegessen und dies dann z.B. als Raub durch wilde Tiere ausgegeben zu haben. Weil wir von einem solchen Hirtenrecht sonst nichts wissen und es überraschend wäre, wenn es ein solche gäbe, liegt die zweite Deutung näher. Dass ein Hirte in beiden Fällen die Böcke und nicht die Zibben gegessen hätte, ist jedenfalls klar; um eine Herde anwachsen zu lassen, brauchte es weniger Böcke als Zibben (richtig Steinman 2019). (Zurück zu v.38)
ayd.h. „von wilden Tieren Gerissenes“ im Gegensatz zu „vom Hirten Gegessenes“. (Zurück zu v.39)
azverlor (verletzte; ersetzen?, bezahlen?) - In orientalischen Hirtenverträgen wird gelegentlich unterschieden zwischen Tieren, die durch höhere Gewalt (wie Raubtiere oder Seuchen) verloren gingen und Tieren, die durch eigenes Verschulden des Hirten verloren wurden. Erste mussten Hirten den Besitzern nicht erstatten, letztere schon (s. Ex 22,9-12; Codex des Hammurapi §266f.; vgl. Finkelstein 1968). Um von der Schuld am Tod eines Tieres freigesprochen zu werden, musste der Hirte daher seine Überreste zum Besitzer bringen und einen Eid schwören, dass dieses Tier ohne sein Verschulden gestorben war. Das ist hier gemeint mit dem „es zu Laban bringen“. Doch selbst diese Regelung galt nicht beim ausbeuterischen Arbeitgeber Laban: auch gerissene Tiere musste Jakob aus eigener Tasche ersetzen.
Die Standardübersetzung „ich musste es ersetzen“ lässt sich kaum rechtfertigen.
Genauer: Das heb. Wort sieht aus, als sei es eine Form von ḥaṭa` („sündigen, sich verfehlen“), bei der das Alef ausgefallen ist (vgl. GKC §23f; so deutet auch TgJ; ibn Ezra). Traditionell wird es nach LXX („zurückzahlen, ersetzen“) und VUL („ersetzen“) übertragen als „ich musste es ersetzen“. Das wird auf zwei unterschiedliche Weisen rechtfertigt:
(1) Loretz 1975, S. 208; Loewenstamm 1978, S. 410 und Milgrom 1991, S. 1084 nehmen nach dem akkadischen ḫiāṭu („zur Zahlung abwiegen“) eine sonst unbelegte Wurzel ḥīṭ („bezahlen“) an, wofür Ges18 338 die „herkömmliche“ Übersetzung „ersetzen“ vorschlägt. Es wäre aber merkwürdig, wenn für den fraglichen Vorgang gerade dieses Wort verwendet würde, da Hirten verlorene Schafe nicht in abzuwiegendem Geld ersetzen mussten, sondern so, dass sie mit den ihnen als Lohn übertragenen Schafen verrechnet wurden. Für „erstatten“ ohne diese Spezialbedeutung „Geld abwiegen“ stehen im Heb. mehrere Worte bereit; in Ex 22,10 z.B. šalam.
(2) Finkelstein 1968, S. 32 macht darauf aufmerksam, dass das akkadische Kognat ḫaṭû („sich verfehlen, sündigen“) von heb. ḥaṭa` gelegentlich auch „ein Schaf durch Nachlässigkeit verlieren“ bedeutet, und leitet daraus die Bedeutung „einen Verlust wiedergutmachen = ersetzen“ ab. Dagegen zurecht Loretz 1975, S. 208: Diese Bedeutung hat ḫaṭû nie.
(3) Da beide Optionen nicht einfach sind, ist es die beste Option, Frankena 1972 zu folgen, der von Finkelstein ausgehend näher am Akkadischen bleibt: „Wann immer ich etwas verlor, hast du es dir aus meiner Tasche bezahlen lassen“ – wie dies üblich war, s. bei Finkelstein.
(4) Alternativ hat Landau 2019 kürzlich vorgeschlagen, das Wort nicht nach akk. ḫaṭû zu deuten, sondern nach ḫuṭṭû („verletzen“): „Wenn ich ein Tier verletzte, hast du es dir aus meiner Hand erstatten lassen“. Auch das ist ein kluger Vorschlag; für den von Frankena spricht aber, dass er sich leichter mit dem altorientalischen Recht vereinbaren lässt. (Zurück zu v.39)
baMit dieser Differenzierung von Raub des Tages und Raub der Nacht wird gewiss nicht vorausgesetzt, dass Hirten auch für nachts geraubte Tiere nicht belangt wurden (so Finkelstein 1968; Wenham 1994). Besser so: Noch häufiger wird im alten Orient erwähnt, dass es den Hirtenberuf besonders auszeichnete, dass sie nachts wegen der Furcht um ihre Herden keinen Schlaf fanden. Vgl. im Gilgamensch-Epos Zz. 109-112: „[Enkidu] nahm seine Waffen, griff die Löwen an; / es legten sich die Hirten jetzt nachts zum Schlafen. / Die Wölfe erschlug er, er überwältigte die Löwen, / es schliefen die großen Hüter(TUAT III/4 651); Ischum und Erra, Zz. 86f.: „Löwe und Wolf vernichten die Herden Schakkans, / der Hirte kommt wegen seines Kleinviehs Tag und Nacht nicht zur Ruhe, er fleht dich an.(TUAT III/4 786). Die Zeile leitet also bereits über zum nächsten Vers, wo Jakob allgemein über das harte Leben von Hirten klagt. (Zurück zu v.39)
bbGanz merkwürdige Zeile. Mit dem einleitenden „Ich war“ ist nichts anzufangen. Die SF übersetzt nach HKL III §383a, wo die Satzfügung als Relativsatzgefüge ohne Stützwort verstanden wird. Das ist schwerlich zufriedenstellend, aber immer noch die beste Erklärung. In deutschen Übersetzungen greift man meist zur Verlegenheitsübersetzung „So ergings mir: Tagsüber verzehrte mich die Hitze“. Entweder tut man in der LF dies oder lässt das unverständliche „ich war“ aus. (Zurück zu v.40)
bcSchrecken (Hoden?) Isaaks (V. 42) + Schrecken (Hoden) seines Vaters Isaak (V. 53) - umstrittenste Stellen dieses Kapitels. Offensichtlich ist „paḥad Isaaks“ eine Bezeichnung für Gott. Wie genau sie zu verstehen ist, wird aber heiß diskutiert. Am besten plausibilisieren lässt sich diese Deutung: Der biblische Gott wird noch häufiger als jemand dargestellt, der nicht nur Ehrfurcht einflößt, sondern insbesondere in Kriegskontexten in der Tat schrecklich ist. In Jer 49,5 z.B. heißt es: „‚Ich lasse Schrecken über dich kommen von allen her, die um dich herum wohnen‘ – so spricht JHWH, der Herr der Heere!“, und in 2 Chr 20,29: „Es entstand Schrecken vor Gott in allen Königreichen der Länder, als sie hörten, dass JHWH gegen die Feinde Israels Krieg geführt hatte.“ Vgl. näher Schrecken (WiBiLex). Besonders stark gemacht hat das Josef Gikatilla; ein kurzer Auszug aus seinen „Toren des Lichts“: „Wisse: Als der Aramäer Laban den Jakob verfolgte und alles entwurzeln wollte, erschien Gott in dieser Weise, um Laban zu entwurzeln und mit ihm zu kämpfen. ... In dieser Weise [Gottes sind enthalten] alle Arten von Feuresbrunst, alle Arten von Kriegsgerät und Werkzeug der Verderbnis, um zu vernichten, zu töten, niederzumachen, zu entwurzeln, durchzuschütteln und niederzumachen!
Auf diesen schrecklichen Gott seiner Familie beruft sich Jakob hier: In V. 42, um Laban zu drohen und dem „Rechtsentscheid“, den Gott damit gefällt hat, dass er Laban im Traum verbot, seinerseits ein Urteil gegen Jakob zu fällen, noch größeres Gewicht zu verleihen (vgl. z.B. ThWAT VI 561; Steinmann 2019; Scholz 2021, S. 119f.); in V. 53, um gerade diese „aggressive Seite Gottes“ für den Nichtangriffspakt bürgen zu lassen.
Das ist ein Gottesbild, das denkbar weit entfernt ist vom „lieben Gott“ heutiger westlicher Christen. Gewiss auch deshalb hat man die Stelle auf viele alternative Weisen zu deuten versucht. Die wichtigsten der noch aktuellen:
(1) Gott heißt nur „Schrecken Isaaks“, weil Isaak sich einmal vor ihm erschreckt hatte (z.B. Recker 2000, S. 236)
(2) Gott heißt nur „Schrecken“, weil Laban sich letzte Nacht im Schlaf vor ihm erschreckt hatte (z.B. DDD 330f.; Wenham 1994; Sarna 2001)
(3) „Schrecken“ kann man auch i.S.v. „Ehrfurcht“ verstehen (bes. Becker 1965, S. 178. Auch Goldingay 2020 übersetzt daher „the Reverence of Yiṣḥaq“). Aber das ist unwahrscheinlich, ein möglicher Beleg für diese Bed. des nicht seltenen Worts ist nur 2 Chr 19,7.
(4) Auf den ersten Blick absurd, auf den zweiten aber durchaus Ernst zu nehmen: paḥad ist in Ijob 40,17 und gelegentlich auch im Aramäischen mit der Bed. „Hoden“ bezeugt. In Gen 24,2f. und Gen 47,29 ist außerdem von einem merkwürdigen Schwur-Gestus zu lesen: Man legte die Hände auf das Gehänge eines Familienoberhauptes und leistete darauf einen Schwur, wie man es heute mit der Verfassung tut. Deutet man unsere Stelle in diesem Sinn, ist „paḥad Isaaks“ kein Gottestitel, sondern Jakob beruft sich erstens auf den Gott und zweitens auf die Hoden seines Vaters. Wofür diese dann symbolisch stehen sollen, wird unterschiedlich beschrieben: (4a) für seine Familie und die „ancestral spirits of Isaac“, die in ihr am Wirken sind (Malul 1985, S. 200), (4b) für die „starke Zeugungskraft des Ahnen Isaaks, die auf geheimnisvolle Weise in seinen Nachkommen weiter wirkt“ (nach Koch 1980, S. 113), (4c) für Isaak selbst, der auf geheimnisvolle Weise immer noch anwesend ist (Utzschneider 2019, S. 29). (Zurück zu v.42 / zu v.53)
bdtFN: Nicht: „oh, dann“ oder „wahrlich, dann“ (so z.B. Boecker 1992; Hamilton 1995; Tröndle 2023): ki ´attah leitet standardmäßig die Apodosis nach hypothetischem Vordersatz ein und ist dann nicht besonders emphatisch zu verstehen. S. ebenso Gen 43,10; Num 22,29.33; 1 Sam 14,30; Ijob 8,6. In 1 Sam 13,13 und Ijob 13,19 signalisiert der Ausdruck sogar ohne Vordersatz, dass der so eingeleitete Satz hypothetisch zu verstehen ist. (Zurück zu v.42)
beDass Gott sie gesehen hat, ist ein häufiger Ausdruck für: „Gott ist mein Elend bewusst geworden, er hat sich daher meiner erbarmt und ist tätig geworden“ – hier nämlich eben in der Weise, dass er Laban im Traum erschien und für Jakob Partei ergriff. (Zurück zu v.42)
bfgemeint sind die Söhne von Labans Töchtern, nicht seine eigenen. (Zurück zu v.43)
bgDie Logik von Vv. 43f. ist v.a. auch wegen diesen beiden Zeilen 43gh nicht sehr klar. Wahrscheinlich muss man die Zeilen mithilfe der Textgeschichte des Kapitels erklären; dann ist der Sinn klar (s. die Anmerkungen). Deutet man ihre Funktion nur im Rahmen des Kapitels, nicht: Heb. ´aßah la-X kann sowohl negativ heißen „jemandem etwas antun“ (z.B. Num 22,2), neutral „etwas mit jemandem tun“ (z.B. Ex 29,1) und postitiv „etwas für jemanden tun“ (z.B. 2 Chr 7,10). Wie verhalten sich also 43c-f, 43gh und 44 zueinander? –
(1) Lenkt Laban schon in 43c ein? – „[Da kann ich wirklich nichts mehr dagegegen sagen.] Und alles, was du da bei dir hast, stammt ja von mir. Insbesondere meine Töchter und deren Söhne. Was kann ich daher heute für sie tun? Ich weiß: Lass uns ein Bündnis schließen!“ (ähnlich z.B. Thompson 2002, S. 279)
(2) Besteht Laban trotzdem darauf, dass alles ihm gehört, lenkt dann aber ein, weil er seinen Töchtern ja nichts antun möchte? – „Das alles ist und bleibt eigentlich meins, du Räuber! Aber naja, wie könnte ich meinen Töchtern etwas antun? Darum lass uns einen Vertrag schließen!“ (so z.B. Vrolijk 2011, S. 205).
(3) Ist 43c-f verächtlich gesprochen? – „Pah, du Niemand! Ohne mich hättest du weder Frauen noch Söhne... Aber wenn es sich nun schon so verhält: Was könnte ich dann immerhin heute noch für meine Töchter tun, bevor ich sie endgültig dir zum Wohl und Weh ausliefern muss? Hm... vielleicht ein Bündnis?“ (so z.B. Sarna 2001)
(4) Ruft Laban weinerlich: „Aber das gehört doch alles mir! Was könnte ich nur für meine Töchter tun!? Dann bitte, lass uns immerhin ein Bündnis schließen!“ (so z.B. Wenham 1994)
(1) ist nicht sehr wahrscheinlich, da man 43c-f eher nicht so hören würde. Die anderen Optionen sind aber alle gut möglich. (2) hat die meisten Anhänger; v.a. glaubt die große Mehrheit der Ausleger, dass Laban hier durchaus noch ein letztes Mal seine Besitzansprüche erklärt (wenn auch vielleicht nur noch, um sein Gesicht zu wahren). In der LF sollte man daher am besten nach (2) übersetzen. (Zurück zu v.43)
bhDas - das Schließen des Bündnisses, nicht das Bündnis selbst: „Bündnis“ ist im Heb. feminin, das Verb maskulin. Daraus erklärt sich R-S, die nach Raschi annehmen, der ungenannte Gott sei Subjekt („Der Herr sei Zeuge zwischen mir und dir“). Anders B-R (etwas sei da zu einem Zeugen“) und besonders gut BB, bei der sich sehr glatt der nächste Vers anschließt: „Aber wir brauchen einen Zeugen für den Vertrag zwischen uns. (Da nahm Jakob einen Stein...)“. Aber dafür hätte man gewiss wehajah ´ed geschrieben („ein Zeuge sei“), nicht wehajah la´ed („X sei als Zeuge“).
Textkritik: BHS und z.B. Westermann 1981 und Boecker 1992 haben alternativ angenommen, hier sei ein Satz entfallen wie „Lass uns einen Steinhaufen errichten (und der sei Zeuge...)“. Dafür gibt es keine Hinweise in den Versionen. So unter dt. Üss. auch nur ZÜR 31. (Zurück zu v.44)
biMazzebe - also als Gedenkstein, der hier wie auch in Ex 24,4 symbolisch für ein Bündnis und gleichzeitig wie auch in Jes 19,19 und wahrscheinlich auch 1 Sam 7,12 (s. Vv. 11-13) zur Markierung einer Landesgrenze dienen soll. Für ein Bsp. s. die Anmerkungen. (Zurück zu v.45)
bjseine Brüder - also die Verwandten Labans wie in V. 37. „Brüder“ ist im Alten Orient aber auch ein stehender Begriff für Bündnispartner und wird hier gewiss mindestens auch in diesem Sinn verwendet. (Zurück zu v.46)
bkTextkritik: Bei den meisten Textzeugen „nahmen“ wie in V. 45, nach LXX und TgJ aber „sie sammelten“. Ob „Sammeln“ oder „Nehmen“ Angleichung an V. 45, lässt sich nicht entscheiden. Aber LXX ist in den folgenden Versen, in denen sie sich sehr stark vom MT unterscheidet, fast sicher sekundär (Boecker 1992 und Ruppert 2005 halten dort jeweils LXX für den ursprünglichen Text, aber die Unterschiede lassen meist gut erklären; s. z.B. bei Tröndle), darum sollte man sich besser auch hier am MT orientieren. Wieder werden im Folgenden die einzelnen Unterschiede von LXX nicht einzeln verzeichnet; s. dafür BHQ. (Zurück zu v.46)
blSteinhaufen - eine andere Form von Steinmonument, errichtet aus aufeinandergehäuften Feldsteinen. Wird manchmal auch als „Cairn“ bezeichnet; das bekannteste (aber untypische) Beispiel aus Israel heißt daher „Jethro's Cairn“, den man z.B. in diesem YouTube-Video schön sehen kann. S. noch nächste FN. (Zurück zu v.46)
bmNatürlich nicht „auf dem Haufen“, wie meist übersetzt wird. Ein typischer bronzezeitlicher Cairn hatte den Durchmesser von 1m; er war außerdem ein heiliger Ort, der Gott vorbehalten war und auf dem daher wahrscheinlich auch Libationen als Opfer darbegracht wurden (vgl. Avner 1984, S. 127). So auch hier: Der Cairn ist nicht nur „Denkmal“ (V. 48) für ihren Vertrag, sondern soll in V. 49 auch als „Aussichtsplattform“ für Götter dienen, die über diesen Vertrag wachen sollen – diese stellte man sich also „auf dem Haufen“ vor. Cairns der Bronzezeit begegnen meist in reihenförmigen Gruppen, manchmal auch noch gemeinsam mit freistehenden Miniatur-„Mauern“. Damit war ein Cairn als Teil einer Cairn-Reihe oder -Mauer äußerst gut dafür geeignet, Landesgrenzen u.Ä. zu markieren. (Zurück zu v.46)
bnaßen sie auch - Gemeint ist wahrscheinlich schon hier das Mahl in V. 54 (richtig Wenham 1994; Krauss / Küchler 2004). (Zurück zu v.46)
bonennt man (nannte er) - Prima vista „er nannte ihn“ . Das macht nach V. 47 keinen Sinn, das Verb ist daher impersonal (vgl. GKC §144b; richtig z.B. Boecker 1992; Hamilton 1995; Tröndle 2023). In diesem Kapitel wurde diese Form aber wahrscheinlich bewusst gewählt, s. die Anmerkungen. (Zurück zu v.48)
bpDarum, weil erstens Jakob ihn so nannte, und dies tat er zweitens wiederum deshalb, weil Laban ihn zum „Zeugen“ bestimmte: „Haufen“ ist heb. gal, „Zeuge“ ist ´ed. Der Name ist gleichzeitig Volksetymologie für die Region des Vertragsschlusses, also „Gilead“, was tatsächlich aber wahrscheinlich „rauhes Bergland“ bedeutet (vgl. Gilead (WiBiLex)). (Zurück zu v.48)
bqMeist übersetzt mit „Mizpa“. Das Wort ist der heb. Begriff für „Aussichtsplattformen“ oder „Wachtürme“. Nach solchen Plattformen waren viele Orte benannt; allein in der Bibel sind ungefähr sechs Mizpas belegt, vielleicht noch mehr, vielleicht auch weniger (vgl. z.B. Mizpa/Mizpe (WiBiLex)). Eines der unsicheren Mizpas ist Mizpe-Gilead in Ri 11,29, das man nach Ri 10,17 anscheinend auch nur „Mizpa“ nennen konnte und das man für gewöhnlich in die Nähe des Flusses Jabbok verortet. Manche Ausleger glauben wegen diesen Versen, es solle in unserem Kapitel nicht nur mit V. 48 „Gilead“ volksetymologisch erklärt werden, sondern außerdem mit V. 49 auch dieses „Mizpe“, oder sogar mit Vv. 48f. insgesamt der Doppelname des Ortes „Mizpe-Gilead“, und verorten deshalb die Handlung des Vertragsschlusses an den Jabbok (für eine Karte s.o.; so z.B. Winnett 1965, S. 8; Ottosson 1969, S. 41-46; Hamilton 1995). Verwandt ist eine Überlegung, die davon ausgeht, dass unser Abschnitt der Jakobserzählung eine uralte Tradition bewahrt habe, die den tatsächlichen Grenzverlauf noch vor der Zeit der Omriden voraussetze, und aus diesem Grund würde hier die Grenze zwischen Israel und Aram nicht wie üblich an den Jarmuk, sondern an den Jabbok verortet (so bes. klar z.B. Finkelstein 2016, S. 20f.). Aber Finkelstein hat hier Unrecht; der letzte Abschnitt von Kap. 31 ist mitnichten eine volkstümliche Erzählung, sondern offensichtlich eine streng durchkomponierte literarische Konstruktion (s. die Anmerkungen). Zur These von Winnett & Co. zwingt dann nichts, und geographisch liegt sie fern. Besser ist das Wort daher nicht mit der Mehrheit als Ortsname Mizpa / Mizpe zu verstehen, sondern als Klassennomen zur Funktionsbestimmung des Steinhaufens (wie z.B. Wenham 1994 deutet). Auch LXX, die Mizpa und Mizpe sonst stets transkribiert, übersetzt einzig hier mit „Aussicht“, wie auch alle anderen Versionen deuten (Syr ebenso; TgO.J.N.C wählen mit sakuta` und ṣapita` jeweis andere Worte für „Wachturm“ als MT mit miṣpah). Der Artikel vor dem Wort, mit dem z.B. Tal in BHQ 157* für das Selbe argumentiert, ist aber kein gutes Argument: Die meisten Mizpas haben ungewöhnlicherweise Artikel, weil fast sicher all diese Ortsnamen nach natürlichen Formationen oder ähnlichen Monumenten wie unserem Steinhaufen benannt waren. (Zurück zu v.49)
brWenn du bedrückst ... oder nimmst - abgebrochene Fluch-Formel; diese Konstruktion gibt es häufig in der Bibel (z.B. Neh 13,25; Ps 95,11; 132,3-5; Hld 2,7; Jer 22,6 u.ö.).
Die Fortsetzung Gott [sei (ist) dann] Zeuge zwischen mir und dir! entspricht nicht ganz einem deutschen „dann gnade dir Gott“; die „Zeugenschaft“ Gottes muss man sich konkreter vorstellen (s. die Anmerkungen). Besser übersetzt man daher „sei“, nicht wie üblich „ist“. Selbst dann, wenn „niemand bei uns ist“, also gar kein Gerichtskontext gegeben ist, soll Gott seiner Aufgabe als Zeuge nachkommen.
Textkritik: LXX und VUL haben die Logik dieses Satzes nicht verstanden und ihn daher umgebaut: „außer Gott gibt es bei uns keinen Zeugen“. Das ist zweifellos nicht ursprünglich. (Zurück zu v.50)
bsTextkritik: Schwieriger Vers. Hier steht die selbe abgebroche Schwurformel wie in V. 50, nur negativ. Vv. 50-53 haben also die Struktur: „Wenn du X tust, dann gnade dir Gott! Wenn ich und du nicht Y tun, dann gnade uns Gott!“ Y aber ist hier: „die Grenze zum Bösen überschreiten“. Gesagt wird hier also offenbar: „Du sollst keinesfalls meine Töchter bedrücken, und wir sollen unbedingt die Grenze zum jeweils anderen zum Bösen überschreiten.“ Das macht natürlich keinen Sinn. Fast alle übersetzen daher etwas wie „Dieser Haufen und die Mazzebe seien Zeugen, dass wir diese Grenze nicht zum Bösen überschreiten.“ Aber das gibt der hebräische Text nicht her. BHS; Conklin 2011, S. 17 u.a. wollen daher stattdessen die beiden „nicht“ streichen, so dass gesagte würde: „Wenn du meine Töchter bedrückst, gnade dir Gott! Und wenn wir die Grenze des jeweils anderen zum Bösen überschreiten, dann gnade uns Gott!“ Aber das ist beliebig; alle Textzeugen bezeugen beide Male „nicht“. Lies daher mit Jub 29,7 nicht la-ra´ah („zum Bösen, in böser Absicht“), sondern la-re´eh („als Freund, in freundschaftlicher Absicht“; zu dieser Verwendung von Lamed vgl. Giesebrecht 1876, S. 49 unten. Die Differenz fehlt in BHQ). Hier wird also ein Nichtangriffspakt geschlossen: Wer die Grenze in anderer als freundschaftlicher Absicht überschreitet, den soll Gott strafen. (Zurück zu v.52)
btdie Götter (der Gott) ihres Vaters - ihr Vater ist Terach, also der Urgroßvater von Jakob und der Großvater von Laban. Entweder setzt Laban hier voraus, dass der eine Gott Abrahams auch der Gott von Abrahams Bruder Nahor war (so z.B. Galambush 2018), oder er spricht von den mehreren Göttern Terachs, von denen einer der Gott Abrahams und (ein) andere(r) der Gott oder die Götter Nahors wurden (so die meisten wegen Jos 24,2, aber s. bei „Textkritik). `elohim ist ein Pluralwort auch dann, wenn es nur einen „Gott“ bezeichnet. Das Verb steht im Plural, auch das ist aber möglich, wenn `elohim nur einen Gott bezeichnen soll (s. GKC §145i), so dass sich aus der Grammatik nicht ablesen lässt, was hier gemeint ist. SamP, LXX, VUL und Syr deuten als Singular, die Targumim als Plural. Nur deshalb, weil es klare Parallelen in altorientalischen Grenzverträgen hätte, wenn hier mehrere Götter angerufen würden, deutet man besser wie die Targumim und übersetzt: „Die Götter Abrahams und Nahors sollen dann zwischen uns richten, die Götter ihres Vaters.“
Textkritik: der Gott / die Götter ihres Vaters fehlt in LXX. Als Apposition steht es auch an ungewöhnlicher Stelle; man hätte es eher direkt nach „der Gott / die Götter Nahors“ erwartet. Die meisten Ausleger halten den Nachsatz daher für eine spätere Hinzufügung eines Schreibers, der klarstellen wollte, dass „der Gott Abrahams und der Gott / die Götter Nahors“ wirklich nur der eine Gott ihres Vaters sein soll. Aber das lässt sich auch aus dieser Phrase ja gerade nicht deutlich herauslesen. Wahrscheinlicher hat daher LXX die Phrase gestrichen, weil es in Jos 24,2 eben heißt, dass Terach noch nicht den Gott Abrahams verehrt hatte. Das macht uns gleichzeitig deutlich, dass man unsere Stelle nicht mit diesem Vers zusammenlesen darf: Im Unterschied zu Jos 24,2 sagt er nach dem MT mindestens, dass Terach unter anderem auch bereits den Gott Abrahams verehrt hat. (Zurück zu v.53)
buDie letzten beiden Sätze sind der Vers Gen 32,1, der so offensichtlich noch zu Kapitel 31 gehört, dass die meisten englischen Bibeln und z.B. H-R und ZÜR 31 ihn als Gen 31,55 führen. (Zurück zu v.54)
bvSo ausgelegt ist dieser Traum also (1) wirklich geschehen, (2) war ein Traum (3) und war identisch mit dem Auftrag, der in V. 3 knapp zusammenfasst wurde und der nun noch einmal ausführlicher erzählt wird. Das ist nicht die üblichste Auslegung:
Zu (2) glauben viele, dass Kapitel 31 mindestens zwei, vielleicht sogar drei Visionen voraussetzt: Vision 1 wäre der Auftrag zum Aufbruch in V. 3, Vision 2 der geträumte Auftrag zum Aufbruch in V. 13, Vision 3 die Traum-Schau der farbigen Tiere in Vv. 10-12. Und bei (3) gehen die meisten davon aus, dass mindestens ein Teil von Vv. 10-13 schon vor sechs Jahren geträumt worden sein muss. Cotter 2003 und Fokkelman 1975, S. 155 etwa denken, der gesamte in Vv. 10-13 geschilderte Traum sei schon sechs Jahre alt und nach V. 3 sei dann später noch einmal der Auftrag zum Aufbruch erfolgt. Die meisten denken stattdessen, nur Vv. 10-12 seien vor sechs Jahren geträumt worden, während V. 13 identisch ist mit V. 3, und Jakob habe beide Träume hier nur aus Pragmatik „zusammen-erzählt“ (z.B. Sarna 2001; Waltke/Fredricks 2001; Krauss / Küchler 2004). Zu (1) schließlich denken wiederum nicht wenige, dass Jakob tatsächlich überhaupt keinen Traum gehabt habe, sondern ihn nur erfindet, um seine Frauen besser zum Aufbruch überreden zu können (z.B. Pardes 1992, S. 70; Brett 2000; Galambush 2018). Ich (S.W.) halte die Auslegung oben für einfacher und runder. (Zurück zum Text: bv)